Kaiserslautern Denk mal: Der P.E.N. protestiert, Grass stirbt – seltsam

Einen besseren Tag, diese Resolution zu übergeben, hätte es nicht geben können. Vielleicht auch keinen schlechteren. Günter Grass – er war einer der Erstunterzeichner – wollte dabei sein, wenn das P.E.N.-Zentrum die Forderung nach einem „menschenwürdigen“ europäischen Asylrecht persönlich zustellt. Dazu kam es nicht mehr. Die Resolution, die ihm aus dem Herzen sprach, und 1116 Schriftsteller aus 26 Ländern unterschrieben haben, musste gestern in nun immerwährender Abwesenheit überreicht werden. Leider. Von P.E.N.-Präsident Josef Haslinger. Der Adressat ließ sich dagegen vertreten. Statt Bundesinnenminister Thomas de Maizière nahm Staatssekretär Ole Schröder das Papier entgegen. Die Schriftsteller rebellieren darin unter anderem gegen den staatlichen Egoismus beim Asylrecht. Dass Flüchtlinge legal als Frachtgüter durch Europa gekarrt würden. „Die Verpflichtung, verfolgten Menschen Schutz zu gewähren, muss uneingeschränkt gelten“, heißt es. Akut gefährdete Menschen, insbesondere aus Kriegsgebieten, sollten schon im Herkunftsland in den Botschaften der europäischen Staaten Visa beantragen können. Auch müssten die Schikanen aufhören, für diejenigen, die es nach Europa geschafft haben. Ihre Kriminalisierung. Ihre Internierung. Die polizeiliche Willkür. Das Schriftstück, das gestern in Brüssel auch EU-Präsident Martin Schulz in die Hand gedrückt wurde, ist von großer Klarheit. Engagierte Literatur im besten Wortsinn. Im Empörungston vielleicht, aber doch nicht in der Diktion von Grass gehalten. Einen „seltsamen Zufall“ nannte P.E.N.-Chef Haslinger, dass der Tod des Nobelpreisträgers und die öffentlichkeitswirksame Übergabe der Resolution, deren wichtigster und wuchtigster deutscher Fürsprecher Grass gewesen ist, gestern auf einen Tag fielen. Ja, seltsam. Noch bevor die Todesnachricht bekannt wurde, sagte die Trägerin des Deutschen Buchpreises, die Schriftstellerin Ursula Krechel, im Interview mit dem Deutschlandradio Kultur, zu der Asyl-Erklärung der Autoren: „Die Erwartung ist natürlich, gehört zu werden.“ Fast tragisch, dass der international relevante Trauerfall Grass das gerade nicht leichter gemacht hat. (mac)

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