Kaiserslautern Brennen für den Tanz

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Seine Visitenkarte hatte James Sutherland bereits in der vergangenen Saison am Pfalztheater abgegeben. Damals hatte er als „Choreographer in Residence“ Prokofiews „Romeo und Julia“ eindrucksvoll auf die Bühne gebracht. Nun ist er seit Beginn der neuen Spielzeit als Tanz-Chef am Lauterer Mehrspartenhaus fest angestellt. Seine erste Arbeit in dieser Funktion hat am 10. November im Großen Haus Premiere.

Großes hatte sich bereits mit erwähnter Choreografie nach Shakespeares Tragödienklassiker zur Musik Prokofiews angedeutet. Wie ausgewechselt hatte sich die Compagnie präsentiert. Die Tänzer hatten dabei ein Niveau an Körperspannung und Synchronität erreicht, wie seit den Tagen des Ballettdirektors Olaf Schmidt (1992 bis 1997 am Haus) nicht mehr. Und daneben eine Formensprache, die aufschauen ließ. Hatte Schmidt unter der Intendanz Pavel Fiebers noch einen Tanzstil auf der Höhe der Zeit zelebriert und damit auch überregionales Interesse für die Compagnie wecken können, so war damit in der Ära Eva Reinthaller (unter Intendant Wolfgang Quetes) Schluss. Vielmehr kamen Freunde des klassischen Balletts auf ihre Kosten, ein Stil, an den Nachfolger Stefano Giannetti (unter der Intendanz von Johannes Reitmeier) anknüpfte, ihn jedoch mit Anleihen ans Tanztheater und nicht selten mit dem ihm eigenen Humor aufbrach. Auf der Höhe des zeitgenössischen Tanzes jedoch war der sympathische Italiener damit nicht. Es bleibt nun James Sutherland vorbehalten, die 13-köpfige Tanzcompagnie zu neuen, alten Höhen zu führen. Bereits bei „Romeo und Julia“ staunte das Publikum angesichts des Ausdrucksvokabulars und der erwähnten konditionellen Steigerung sowie dem deutlichen Plus an Präzision. Nicht nur für die Zuschauer war dies eine neue Dimension, auch die Tänzer hätten erstmal gestaunt angesichts seines Trainings, verrät Sutherland. „Wir haben sehr hart gearbeitet, das war auch für die Compagnie eine Umstellung, eine ganz andere Art, etwas zu tun. Und: Ich habe verlangt, dass sie zusammen tanzen“, verrät der vollbärtige Schotte schmunzelnd. Dass die Anforderungen in seinem Ensemble deutlich gestiegen sind, mag man auch an der Zusammensetzung der Truppe erkennen: Neun von 13 Tänzern haben abgemustert, keinem wurde allerdings zu dieser Saison gekündigt, betont Sutherland. Viele Tänzer hätten eben für sich eine Entscheidung getroffen, ob sie ihn auf seinem Weg begleiten wollten – und könnten. „Physisch wie psychisch ist das eine harte Sache. Ich betrachte den Tanz, das Ballett als eine hundertprozentige Angelegenheit, und man muss da sehr idealistisch rangehen. Wie brennst Du für das Ballett? Das ist die Frage, die ich stelle. Und die muss jeder Tänzer für sich beantworten.“ Auch sich selbst schont er dabei nicht: So ist Sutherland bekannt dafür, bei den Proben auch einmal die Bühne zu „stürmen“, um seine Ideen zu demonstrieren. Probleme, neue Tänzer zu finden, habe es nicht gegeben. „Ist es erstmal über Facebook rum, dass du eine neue Stelle angetreten hast, kommen die Anfragen zuhauf“, so Sutherland. Er habe unter Hunderten von Bewerbungen rund 60 für ein zweitägiges Vortanzen am Pfalztheater ausgewählt und daraus dann eine „fantastische Auswahl“ treffen können. Dies sei immens wichtig, denn: „Es kommt immer darauf an, wie gut die Tänzer sind. Sie bestimmen, wie weit man gehen kann“, so das Credo des Choreographen, der von 2002 bis 2015 in Pforzheim als Chef der Tanzsparte engagiert war. Wohin nun die Reise am Lauterer Haus geht, scheint klar. Denn anders als sein Vorgänger Giannetti, mit dem Sutherland einst zusammen in der berühmten Compagnie von Heinz Spoerli in Basel tanzte, ist er von Grund auf am modernen Tanz orientiert. Beeinflusst habe ihn dabei der Umbruch im Genre im New York der 60er Jahre. Daneben habe ihn die Zusammenarbeit mit den Großen im Fach – neben Spoerli etwa Forsythe – geprägt. Sein Ziel sei es, mit der Choreographie eine eigene Handschrift vorzulegen. „Forsythe, Kilian und wie sie alle heißen, haben ein eigenes Vokabular aufgebaut. So soll das auch sein, wenn man ein Stück von James gesehen hat. Und die Sutherland-Tänzer haben die Aufgabe, das zu kommunizieren. Bewegung soll ja eine eigene Sprache sein, ein Weg der Kommunikation, der über andere Dimensionen als den Wortschatz läuft.“ Sein aktueller Tanzabend „Same Time Tomorrow“ erzähle mehrere Geschichten aus konträren Perspektiven. Es gehe um das menschliche Miteinander – und das unter so verschiedenen Vorzeichen wie Einsamkeit, Verlangen oder Mobbing. Im ersten Teil tanzten fünf Frauen, im zweiten Teil fünf Männer die exakt gleiche Choreographie, sie erzählten die Geschichte aber eben aus ihrer Perspektive. Die Idee zu diesem Stück stamme bereits aus dem Jahr 2000, von einer Choreographie, die er in Detmold präsentiert habe. „Ich habe sozusagen mein eigenes Konzept geklaut“, so der Schotte augenzwinkernd. Er verwende aber komplett neues Material und nicht einen einzigen Schritt der alten Choreographie. Von Prokofiew („Romeo und Julia“) zur Musik von Laurie Anderson und Brian Eno („Same Time“) ist es ein weiter Schritt. Er sei musikalisch breit aufgestellt, meint Sutherland dazu lakonisch und auch, dass es durchaus noch moderner gehe. Diesmal jedoch sei die Musik „eine Art persönliche Favoritenauswahl“. Und auch für die übernächste Produktion hat Sutherland schon ein Konzept. Es geht erneut um ein Lebensthema: den Lebenszyklus. „Die Jugend, dann rückt die Vergänglichkeit näher, man findet sich damit ab, man geht, und man kommt vielleicht wieder. Wie eine Art Kreislauf, ein Perpetuum Mobile.“ Die Musik dazu stamme von Arvo Pärt, Philipp Glass, Benjamin Britten und Samuel Barber. Musik verschiedenster Provenienz, die großen Lebensthemen und eine eigene Bewegungssprache – die Zeiten für Ballettfreunde in Kaiserslautern versprechen also wieder spannend zu werden. Termine —Der Tanzabend „Tanz.1: Same Time Tomorrow“ hat am 10. November, 20 Uhr, auf der Werkstattbühne Premiere. Weitere Vorstellungen am 16., 19., 24. November, 16., 29. Dezember, 3., 12., 26. Januar. —Karten unter Telefon 0631/3675-209 und im Internet unter www.pfalztheater.de

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