Stadtspaziergang Brauereien, Bunker, Dynastien und Kleinode

Ist schon von weitem sichtbar: Die Villa Jaenisch an der Ecke Morlauterer Straße/Benzinoring.
Ist schon von weitem sichtbar: Die Villa Jaenisch an der Ecke Morlauterer Straße/Benzinoring.

Es sind teils hochherrschaftliche Häuser, in denen früher die „besseren Leute“ wohnten. Die meisten Kaiserslauterer haben die unbekannte Denkmalzone mit ihren Kleinoden wohl nicht im Fokus, doch ist bei einem Rundgang die Architektur-, Familien- und Industriegeschichte der Stadt zu entdecken. All das mitten im Zentrum, zwischen Rathaus, Pfalztheater und Pfalzgalerie gelegen.

Fachkundige Begleiterin bei unserem Spaziergang ist Evelyn Weiß. Die Historikerin übernimmt auch für die Touristinfo Führungen durch die Stadt. Los geht es an der Villa Munzinger. Die liegt zwar nicht direkt in der Denkmalzone, passt aber thematisch und stilistisch genau dazu. Dort, wo heute die Intendanz des Pfalztheaters residiert, ließ sich nämlich Charlotte Kafitz, eine Brauerei-Erbin, 1892 eine Villa bauen. Architekt war Ludwig Ritter von Stempel.

Evelyn Weiß macht auf einige Details aufmerksam: Verziert ist die Villa mit Bildnissen von Mann und Frau – „Charlotte Kafitz scheint eine selbstbewusste Frau gewesen zu sein“. Später hat sie das Haus ihrer Tochter Johanna Munzinger geschenkt, der Name des Gebäudes blieb bis heute erhalten. Gelber Ziegelstein und roter Sandstein werden uns noch öfter im Viertel begegnen.

Ehemalige Königliche Industrieschule

Über die viel befahrene Lauterstraße geht es in den Benzinoring zur ehemaligen Königlichen Industrieschule, die 1903 vom Stadtbaumeister Emil Spies erbaut wurde. Zuerst fungierte sie als eine Art Berufsschule, dann war sie Oberrealschule, heute gehört sie zum Albert-Schweitzer-Gymnasium. Ein Denkmal für die Schüler, die im Ersten Weltkrieg gefallen sind, hat Gustav Adolf Bernd gestaltet, der viele Denkmäler in Kaiserslautern hinterlassen hat. Die Historikerin erinnert daran, dass auch Paul Münch hier Lehrer gewesen ist. Aufwendig gestaltet ist das Schulgebäude, geschmückt mit Hinweisen auf Lerninhalte, aber auch dem Stadtwappen und Früchtegirlanden.

Das ganze Viertel ist in der Gründerzeit entstanden, nach dem Sieg 1870/71 habe die Wirtschaft geboomt, man habe zeigen wollen, was man habe und sich leisten könne, erzählt Evelyn Weiß. Bis Anfang des 20. Jahrhunderts wurde das Viertel vollendet, 1984 wurde es zur Denkmalzone erklärt.

Villa Jaenisch ist im Privatbesitz

Schon von Weitem sichtbar ist die Villa Jaenisch, die auf dem Hügel Ecke Morlauterer Straße/Benzinoring thront. Ihren Namen hat sie von der Bierbrauer-Dynastie Jaenisch, die 100 Jahre in Kaiserslautern existierte, ehe sie in der Bayerischen Brauerei (BBK) aufging. Errichtet wurde die Villa vom Architekten Eduard Brill, der auch Rektor des Gewerbemuseums und der Meisterschule war. Heute ist die Villa in Privatbesitz, als wir uns in den Hof wagen, werden wir freundlich gefragt, ob wir Hilfe benötigen. Doch die Stadtführerin will nur zeigen, dass die hintere Front des Gebäudes beinahe an einen griechischen Tempel erinnert. Und darunter liegen Bierkeller, die wie ungezählte andere in den Sandstein gehauen wurden.

Nur ein paar Schritte weiter steht die Pfalzgalerie, die 1874 als Gewerbemuseum errichtet wurde, als Ausstellungsraum für pfälzisches Handwerk und die Industrie. Architekt und Gründungsdirektor Carl Spatz hatte sich der Neorenaissance verschrieben, das Gebäude strahlt genau den Zweck aus, für den es gebaut wurde. Vom Museumsvorplatz aus hat man einen hervorragenden Blick über die Stadt – bis hin zum Fritz-Walter-Stadion.

Werke der Bildhauerklassen

Rechts neben dem Museum ist wie eh und je die Meisterschule untergebracht. Ringsum können etliche Werke der Bildhauerklassen betrachtet werden. Die Mensa gegenüber kennen alte Lauterer noch als Turnhalle des 1861 gegründeten Turnvereins, heute TSG. Auch darunter liegen riesige Bierkeller, die im Zweiten Weltkrieg als Bunker genutzt wurden.

Weiter geht es in die Straße Am Vogelgesang. Unser nächstes Ziel ist die Villa Ritter mit ihrer wechselvollen Geschichte. Errichten ließ sie Ludwig Adolf Ritter, Bankier und Seidenfabrikant, der aus einer Posthalter-Dynastie stammte, wie Evelyn Weiß berichtet. Architekt war 1888 Ludwig Levy, der nicht nur die Kaiserslauterer Synagoge plante, sondern auch protestantische Kirchen und die Villa Böhm in Neustadt an der Weinstraße.

Vorne an der Straße steht das alte Pförtnerhäuschen mit etlichen Firmenschildern. Auch diese Villa wurde mit gelbem Backstein und rotem Sandstein gebaut, ein Ritterkopf ziert den Giebel. Vielen Lauterer Männern ist das Gebäude noch in lebhafter Erinnerung, diente es doch jahrzehntelang als Kreiswehrersatzamt, wo die Musterungen vorgenommen wurden. Vor ein paar Jahren habe die Familie Ritter es dann wieder von der Bundesvermögensverwaltung zurückgekauft, so Weiß.

Am Vogelgesang wurde ab den 1880er Jahren bis Anfang des 20. Jahrhunderts gebaut – teils mit Jugendstilanklängen, teils historisierend mit Renaissance-Giebeln. „Hier wohnte das mittlere Bürgertum“, beschreibt die Historikerin. Die Stadthäuser in Reihenbebauung haben durchaus architektonischen Anspruch, rechts stehen alte, links neuere Gebäude.

Relativ einheitliche Bebauung

In der abzweigenden Hackstraße ist ein vollkommen erhaltenes Ensemble aus den Jahren 1880/90 mit relativ einheitlicher Bebauung zu bewundern. Unterschiede zeigen sich nur in den Gewändern und Türen. Trotz der steilen Anstiege zählen auch heute noch Otto- und Hackstraße zu den wohl begehrtesten Wohnlagen in Kaiserslautern.

Das Eckhaus zur Buchfinkstraße hin sticht heraus mit seinen Türmchen und dem geschwungenen Giebel mit der Jahreszahl 1898, einer Empore und Malereien – hier wurde offensichtlich im Krieg nichts zerstört. Und viele Häuser im Viertel werden liebevoll gepflegt, renoviert und instand gehalten.

Auch an der Ecke Otto- und Villenstraße lässt ein Haus kurz innehalten. Es hat fast Burgcharakter mit seinem roten Sandstein. Davor steht der Bärenbrunnen, wiederum von Gustav Adolf Bernd aus der Bildhauer-Dynastie gestaltet. Evelyn Weiß ist begeistert: „Das Wasser fließt wieder.“

Einheitlich und doch meistens individuell

Apropos Sandstein: In der Villenstraße, die an der Ottostraße beginnt und bis zur Morlauterer Straße reicht, hat der Bauunternehmer Leonhard Kröckel Häuser errichten lassen und dafür den Stein aus dem eigenen Steinbruch benutzt – dort, wo heute die Gartenschau die Besucher anlockt. Die gutbürgerlichen Häuser sind zwar einheitlich, aber immer wieder individuell gestaltet.

Vom Vorplatz des Museums schweift der Blick noch einmal nach links in den Benzinoring, wo weitere interessante und schön renovierte Häuser zu entdecken sind. Der Spaziergang kann also mühelos fortgesetzt werden.

Stadtführungen für Kinder

Es gibt Führungen speziell für Kinder, eine, die auf nur 500 Metern die Stadtgeschichte vermittelt, solche durch die Gastronomie oder in die „Unterwelt“ und eben eine zu den Lauter(er) Kleinoden: Die Touristinformation Kaiserslautern bietet eine ganze Reihe von Stadtführungen an.

Gebucht werden können welche für Einzelpersonen und Gruppen. Nachgefragt werden sie von Touristen ebenso wie von Einheimischen. In der Sommerzeit kommen viele Besucher von außerhalb in die Stadt, aber auch Lauterer und Bürger aus dem Umland wollen mehr über die Stadt erfahren. Oft werden Betriebsausflüge mit einer Stadtführung verbunden, wie die Touristinformation auf Anfrage mitteilt. Alle Gästeführerinnen haben zuvor eine Ausbildung absolviert.

Zu finden sind die Stadtführungen im Internet unter www.kaiserslautern.de, Tourismus, Besichtigungstouren. Die nächsten Führungen „Lauter(er) Kleinode – die unbekannte Denkmalzone“ sind am Freitag, 22. Juli, 16 Uhr, und Samstag, 24. September, 10.30 Uhr, Startpunkt jeweils an der Touristinformation neben der Fruchthalle. Die Teilnahme kostet acht, ermäßigt sieben Euro. Anmeldung ist erforderlich unter Telefon 0631 365 4019 oder per E-Mail an touristinformation@kaiserslautern.de.

Zeigen eine einheitliche Fassade: Die Gebäude in der Hackstraße.
Zeigen eine einheitliche Fassade: Die Gebäude in der Hackstraße.
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