Kaiserslautern Betze-Geflüster: Boykott mit Arbeit

Daheimbleiben. Für FCK-Fans undenkbar. Außer die Roten Teufel reisen zu den Roten Bullen und es gibt die Alternative, im Wohnzimmer Party zu machen. So wie am Wochenende. Da trifft sich eine Gruppe Jugendlicher erst zum Arbeiten, dann zum Vergnügen. Sie boykottieren das Spiel in Leipzig und treffen sich stattdessen in der Kartoffelhalle, schwingen Presslufthammer und Schaufel, renovieren ihren künftigen Fantreff und gehen dann in ihr Wohnzimmer, das Fritz-Walter-Stadion, zum Heimspiel der U23 des FCK gegen den SC Freiburg II. Christian Hirsch ist froh, dass sich die Jugendlichen kritisch mit dem Thema auseinandersetzen. „Und bei RB gibt es viel zu kritisieren“, sagt er und gibt zu, dass er sich schon manchmal bewusst machen muss, dass er zum Arbeiten im Stadion oder bei den Fans ist und nicht als FCK-Anhänger. Denn er ist in Bruchmühlbach geboren, natürlich FCK-Fan, seit er Kind war, und wird es immer bleiben, „egal, was passiert“. Selbst als er acht Jahre lang in Berlin war, ist er seinem FCK treu geblieben. Da war er Mitglied im Fanclub Berliner Bagaasch. Inzwischen leitet Hirsch das Fanprojekt Kaiserslautern, das es seit 2007 gibt. Noch liegt das Büro mit dem kleinen Aufenthaltsraum und der Küche in der Pariser Straße gegenüber der Apostelkirche, zwischen Eritreischer Gemeinde, SOS-Kinderdorf und Tipp-Kick-Klub. Doch der Fanprojektleiter hofft, dass er und seine drei Kollegen zur Rückrunde umziehen können – in die Kartoffelhalle am Kniebrech. Bis zu 800 Quadratmeter stünden dort zur Verfügung, wenn alles fertig ist. Da ist dann Platz für Partys, Konzerte, das Basteln von Choreografien, Gruppentreffen. „Es soll ein Haus für Jugendliche und junge Fans werden“, schwärmt Hirsch, der sich als Sozialarbeiter für Fußballfans sieht. „Wir tauchen in ihr Wohnzimmer ein, sind da, und wenn wir nicht erwünscht sind, gehen wir wieder.“ Er und seine Kollegen reisen zu den Auswärtsspielen im Bus mit und helfen bei Heimspielen im Stadion, beispielsweise wenn es ums sensible Thema Stadionverbot geht, um Fahnen und Megaphone, die nicht mit in den Block dürfen. Oder um Alltagsprobleme der Jugendlichen, um Schwierigkeiten bei der Suche nach einem Ausbildungsplatz, mit dem Chef, Schulden, Krankheiten, Suchtprobleme. „Wir sehen uns als Vermittler und Ansprechpartner“, sagt der FCK-Fan. „Bei uns ist alles freiwillig. Wenn einer keinen Bock auf uns hat, muss er nicht zu uns kommen.“ Und wer kommt, Ideen und Pläne hat, eine Party organisieren oder ein Konzert veranstalten will, soll das spätestens in der Kartoffelhalle relativ unkompliziert können. 14 bis 27 Jahre alt ist die Zielgruppe des Fanprojekts der Arbeiterwohlfahrt. 150 Fans gehören zur Kerngruppe, mit denen Hirsch und seine Kollegen regelmäßig Kontakt hat. Dass die Jugendlichen beschlossen haben, sich dem Großteil der Fanszene anzuschließen und nicht nach Leipzig zu fahren, findet der Sozialarbeiter gar nicht so traurig. Auch wenn er aus sportlicher Sicht zugeben muss, dass der Kader von RB gut ist und das Auswärtsspiel schwer werden wird. „Aber ich persönlich kann mit RB Leipzig auch nichts anfangen. Ich habe Probleme mit der Kommerzialisierung“, sagt er und erzählt, dass er das Wochenende zum Renovieren nutzt und sich dann einen gemütlichen Sonntag auf dem Sofa gönnt.

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