Kaiserslautern Balanceakt Schulbeginn

„Dies frühzeitige Aufstehen macht einen ganz blödsinnig. Der Mensch muß seinen Schlaf haben.“ Diesen Satz von Franz Kafka würden sicherlich viele Schüler im „Marktplatz regional“-Gebiet unterschreiben. Die meisten von ihnen können wie Kafka aber nicht ausschlafen, sondern müssen bereits zwischen 7.30 und 7.45 Uhr im Unterricht sitzen. Was den Grundschülern etwa in Mackenbach noch nicht soviel ausmacht, weil ihr Biorhythmus noch eher auf ein früheres Zubettgehen und in der Folge ein früheres Aufstehen ausgelegt ist, macht Teenagern zunehmend zu schaffen. Das beobachtet auch Konrad Hoffmann, der Rektor der Realschule plus Queidersbach. Dort wird die erste Stunde bereits um 7.30 Uhr eingeläutet. Viele Schüler haben dann schon eine Busfahrt hinter sich, sodass ihre Wecker sie vor 6 Uhr aus dem Schlaf gerissen haben. „In der ersten Stunde wiederholen die Lehrer bei uns hauptsächlich schon Erlerntes oder bieten offene Lernformen an, bei denen die Schüler das Tempo selbst bestimmen können“, sagt Hoffmann. Er selbst würde den Schulbeginn gerne ein wenig nach hinten verschieben. 8 Uhr hielte er für einen angemessenen Kompromiss zwischen dem Bedürfnis auszuschlafen und dem, nach der Schule noch ausreichend Freizeit zu haben. Forscher wie der Neurobiologe Peter Spork oder der biologische Psychologe Jürgen Zulley, die sich mit der Chronobiologie und dem Schlaf-wach-Rhythmus des Menschen beschäftigt haben, plädieren sogar für einen noch späteren Beginn der Schule. Denn alle Untersuchungen scheinen eines zu belegen: Während Kinder und ältere Menschen ein eher lerchenhaftes Leben pflegen – sie gehen früh zu Bett und stehen früh auf –, neigen Jugendliche und junge Erwachsene dazu, zu Eulen zu werden. Sie werden später müde, gehen daher später zu Bett, sind dann aber morgens um 6 Uhr noch nicht ausgeschlafen. Da die Forscher überdies Jugendlichen acht und Erwachsenen sieben Stunden Schlaf empfehlen, müssten Schul- und Arbeitszeiten dringend angepasst werden. In anderen Bundesländern, wie etwa Hamburg, bleibt mittlerweile den Schulen überlassen, wann sie mit dem Unterricht anfangen. In Rheinland-Pfalz ist ein solches Vorgehen grundsätzlich auch vorgesehen. „Die Organisation der täglichen Unterrichtszeit ist Sache der einzelnen Schulen“, sagt Eveline Dziendziol, Pressesprecherin der Aufsichts- und Dienstleistungsdirektion (ADD). Allerdings wird in der Grundschulordnung vorgegeben, dass der tägliche Unterrichtsbeginn „in der Regel um 8 Uhr“ liegen sollte und in der Übergreifenden Schulordnung, die für die weiterführenden allgemeinbildenden Schulen gilt, steht, dass der Unterricht „nicht vor 7.45 Uhr“ beginnen sollte. Die genauen Zeiten müssten letztlich Schulleiter, Schulträger, Schulelternbeiräte und die Träger der Schülerbeförderung gemeinsam festlegen, sagt Dziendziol. Genau darin aber liegt das große Problem begründet, dem sich alle Schulen im Kreis Kaiserslautern gegenüber sehen. Alle sind über das System der Schülerbeförderung in einem sehr komplexen System miteinander verbunden. So begründet Horst Cherdron, der Leiter der Grundschule Mackenbach, den Schulbeginn um 7.40 Uhr damit: „Es liegt an der Lieferung der Schüler durch die Busunternehmen.“ Damit so wenig Busse wie möglich eingesetzt werden können – was wiederum die Kosten so niedrig wie möglich hält –, bringen die Fahrzeuge nicht nur Schüler zu einer Schule, sondern sammeln dort gleichzeitig neue Schüler ein, die Schulen etwa in der Stadt oder auf der Air Base besuchen (siehe auch „Zur Sache“). Damit am Ende alle Kinder und Jugendlichen spätestens um 8 Uhr in den Klassenzimmern sitzen, müssen einige Schulen früher beginnen. Negativ sieht Cherdron diesen frühen Beginn jedoch nicht. Er beobachtet, dass viele Eltern ihre Kinder sogar noch früher, bereits ab 7 Uhr zur Schule bringen, weil sie selbst früh mit der Arbeit beginnen müssen. Die Schultore sind daher um diese Zeit schon geöffnet, ab 7.30 Uhr sind Schüler und Lehrer dann gemeinsam in den Klassensälen und bereiten sich langsam auf das Lernen vor. Und je früher die Schule beginne, desto früher ende sie auch. Auf diesen Umstand verweist auch das Reichswald-Gymnasium Ramstein-Miesenbach. „Das außerschulische Leben würde unter einem späteren Schulschluss leiden“, sagt Martin Hauter, der für die Öffentlichkeitsarbeit der Schule zuständig ist. „Das wäre für die Vereine schwierig.“ In Ramstein-Miesenbach, wo der Schulmorgen um 7.45 Uhr startet, aber auch im restlichen Rheinland-Pfalz habe es auch noch nie Initiativen seitens der Eltern oder der Schüler gegeben, den Beginn der ersten Stunde nach hinten zu verlegen, betonen sowohl Martin Hauter als auch Eveline Dziendziol. Dass die Schüler so früh weniger aufmerksam als in anderen Stunden seien – wie es Konrad Hoffmann in Queidersbach in der Realschule plus ja beobachtet – können die Ramsteiner Pädagogen nicht bestätigen, obwohl Wissenschaftler genau das bei verschiedenen Untersuchungen belegt haben. Sogar in der deutschen Pisastudie wurde ein relevanter Zusammenhang zwischen dem Ausgeschlafensein und Lernerfolgen festgestellt. Kurt Tucholskys Aussage „Gebt den Leuten mehr Schlaf – und sie werden wacher sein, wenn sie wach sind“ trifft also zu. Schüler könnten sich darauf berufen.

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