Kaiserslautern Allein im All

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2017 wird ein Kinojahr, in dem das Science-Fiction-Genre prägend sein dürfte. Neben „Star Wars“ – Episode VIII kommt im Dezember – werden Meilensteine wie „Aliens“ oder „Blade Runner“ neu belebt. Das erste All-Abenteuer des Jahres aber liefert Das Drama „Passengers“.

„Nichts wie weg.“ – Wohl jeder kennt ihn, diesen Gedanken: Einfach abhauen, wenn sich die Probleme zu sehr türmen. „Passengers“ zeigt jetzt, wie’s aussehen könnte, wenn sich im Grunde die ganze Menschheit auf den Weg macht: Nichts wie weg, vom problemverseuchten Planeten Erde. Nun ja, die ganze Menschheit ist es nicht gleich, die der US-amerikanische Drehbuchautor John Spaiths („Doctor Strange“) und der norwegische Regisseur Morten Tyldum („The Imitation Game“) auf eine abenteuerliche Reise in die Weiten des Weltalls schicken. Aber ein paar tausend Leute sind es schon. Ein Luxusraumschiff dient als Transporter in die Zukunft. 120 Jahre soll die Reise dauern, ehe die Erd-Flüchtlinge auf einem fernen interstellaren Ausweichquartier das Fortleben der Menschheit sichern können. Weil niemand gern derart lange unterwegs ist, und sei der Trip noch so bequem, dämmern die Wandervögel in einem künstlich erzeugten Tiefschlaf vor sich hin. Der hat einen schönen Nebeneffekt: Er verhindert das Altern. Knackig werden die Siedler nach dem Aufwachen ans Werk gehen können. So der Plan. Der schief läuft. Erst wacht der abenteuerlustige Jim (Chris Pratt) irgendwo im Nirgendwo auf und kapiert, dass noch 90 Jahre Flugzeit vor ihm liegen, weshalb er, sollte er überhaupt so lange am Leben bleiben, grad mal zu seiner Beerdigung im neuen Zuhause ankommen dürfte. Kurz nach ihm wird auch Aurora (Jennifer Lawrence) den süßen Träumen entrissen. Immerhin haben beide nun die Chance, sich gemeinsam in der Einsamkeit die Zeit zu vertreiben. Ihnen zur Seite steht der androide Barkeeper Arthur (Michael Sheen). Sie könnten also glatt mal eine wirklich lange Runde Skat dreschen. Doch ganz anderes erwartet sie... An dieser Stelle ist es geboten, zu schweigen. Jedenfalls, was den Fortgang der Erzählung angeht. Verraten sei, dass einige Erwartungen des Publikums erfüllt und viele andere gehörig auf den Kopf gestellt werden. Selbst ausgewiesene Science-Fiction-Nerds dürfen staunen. Das ist sehr vergnüglich. Auch die Ausstattung und die Tricktechnik sind vom Feinsten. Zudem ist die Besetzung trefflich. Jennifer Lawrence und Chris Pratt dürfen manchen Trumpf ausspielen, mal psychologisch raffiniert, dann hochromantisch agieren, auch gern mal auf knallige Krimi-Spannung setzen und süffigem Humor eine Bresche schlagen. Beiden kommt zugute, dass der Film in hohem Maß auf die Kraft eines klassischen Kammerspiels setzt: Einzelschicksale werden zum Spiegel des Zustands der Menschheit an sich. Da können gute Schauspieler brillieren. Die zwei tun es. Sie fesseln selbst dann, wenn die Handlung ein wenig ins Schlingern gerät, so dass die kurzen Kursabweichungen in der Erzählung nicht weiter stören. Einige Momente sind schlichtweg spektakulär, etwa wenn Aurora in den Untiefen des Universums in einem Pool schwimmt und plötzlich die Schwerkraft aussetzt. Man guckt und staunt und bekommt Gänsehaut. Kameramann Rodrigo Prieto („The Wolf Of Wall Street“) findet in aufwendigen Augenblicken und in stillen Momenten immer das richtige Bild, durch das die Kinobesucher mitten ins Geschehen hineingezogen werden. Filmkenner haben zudem reichlich Spaß beim Entdecken zahlreicher Verweise auf berühmte Kino-Hits, allen voran, natürlich, „2001: A Space Odyssey“ von Stanley Kubrick aus dem Jahr 1968, aber auch das Tränendrüsendrücker-Epos „Titanic“ (1997) oder den raffinierten Thriller „Gravity“ (2013). Sieht man jetzt den fertigen Film, wundert man sich jedoch ein wenig, dass seine Umsetzung knapp ein Jahrzehnt gedauert haben soll. Angeblich waren bereits 2007 alle Vorbereitungen abgeschlossen, hätte mit dem Dreh begonnen werden können. Doch die zu erwartenden hohen Kosten für die tatsächlich üppigen Kulissen, die nie künstlich wirken, und die hochmoderne Tricktechnik sollen viele in Hollywood abgeschreckt haben. Erst das Interesse von „Die Tribute von Panem“-Star Jennifer Lawrence und Chris Pratt („Jurassic World“) habe den Dreh ermöglicht. Offenbar war den Akteuren klar, welche darstellerischen Möglichkeiten sich ihnen hier bieten. Sie schenken der optisch geradezu orgiastischen Odyssee durch die Sternenwelt die Intimität einer nachvollziehbaren Geschichte zwischen zwei ganz gewöhnlichen Menschenkindern. Drum kann sich jeder in die Charaktere hineinversetzen. Man bangt mit ihnen, lacht, und weint. Man ist für die Zeit des Kinobesuchs einfach hin und weg.

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