Kaiserslautern Tanz zwischen zwei Buchdeckeln

Am Pfalztheater als Gastregisseurin bekannt: Kerstin Maria Pöhler.
Am Pfalztheater als Gastregisseurin bekannt: Kerstin Maria Pöhler.

Die Welt des Theaters und des Tanzes ist eine besondere. Darüber einen anspruchsvollen Roman zu schreiben, das ist dadurch eine ebenso besondere Herausforderung und damit auch ein Wagnis. Die Kölner Autorin und Theater-Regisseurin Kerstin Maria Pöhler hat es gewagt – und mit ihrem zweiten Roman „Schar-Ptiza“ einen bemerkenswerten Einblick in diese Welt gewährt – und darüber hinaus.

Kerstin Maria Pöhler hat nicht nur zum Theater im Allgemeinen, sondern zu Kaiserslautern und dem Pfalztheater eine besondere Beziehung. Hier hat sie vor zwei Jahren die Oper „Tristan und Isolde“ inszeniert, und hier hat sie in jener Zeit auch im Rahmen einer „Blauen Stunde“-Lesung Auszüge aus dem damals noch unvollendeten Werk gebracht – als erste Mitwirkende in der Geschichte der beliebten Veranstaltungsreihe, die aus einem eigenen Roman rezitiert (wir berichteten). Bereits bei dieser Gelegenheit konnte die Autorin mit ihrer auch sprachlich gelungenen, dichten Verbindung von Künstlerinnen-Schicksal und Zeitgeschichte beeindrucken. Nun tut sie es erst Recht mit dem inzwischen veröffentlichten Werk. Im Mittelpunkt steht die junge bulgarische Tänzerin Maja, die im Jahr 1964 mit der Partie des „Feuervogels“ ihren Durchbruch erlangt und dabei die durch die damaligen politischen Gegebenheiten eigentlich undenkbare Möglichkeit erhält, in West-Deutschland abseits ihrer klassischen Ausbildung einige Monate lang Modernen Tanz zu studieren. Mit im Gepäck hat sie einen kleinen, geschnitzten „Feuervogel“ (russisch „Schar-Ptiza“). Das titelgebende Schmuckstück, ein Geschenk ihres Tanzpartners, bezieht sich dabei nicht nur auf ihren Erfolgspart, sonders steht in der slawischen Mythologie auch sowohl für einen Überbringer von Glück als auch von Unglück. Und vom Auf und Ab des Lebens bekommt Maja auf den folgenden über 360 Seiten in der Tat einiges mit. Die Phasen des Neuanfangs und der Weiterentwicklung in politisch schwierigen Zeiten führen sie zunächst zur Anstellung als Haushaltshilfe, dann aber doch noch in die beeindruckende Welt des zeitgenössischen Tanzes. Aber im Hintergrund bleibt für sie stets die schwere Frage nach der Loslösung von der Vergangenheit, von vertrauten Personen und Orten, vom bisherigen Leben. Kerstin Maria Pöhler versteht es, aus ihrem gemäß Eigenbezeichnung „Tanz-Roman“ genannten Werk mehr als nur eben das zu machen. Es ist vielmehr eine Art moderner Entwicklungsroman, der seine Protagonistin in einer engen Kooperation von dargestellter Zeitgeschichte und vorgestellter Gefühlswelt an den Leser heranführt. Eingefügte Brieftexte, ausführliche Darstellungen von Ballett-Aufführungen und Probensituationen, ebenso informative wie unterhaltsame Beschreibung von Personen, Orten und Situationen machen „Schar-Ptiza“ letztlich zu einem intensiven, plastischen Werk. Einige Stellen des Romans fallen dabei besonders auf und wollen einem oft nicht mehr aus dem Sinn gehen. Das liegt manchmal nur an der Verwendung von einigen angenehm aus älteren Zeiten heraufklingenden Wörtern wie „repetieren“ oder „Chaiselongue“. Und das liegt weitaus häufiger an den mit Liebe zum Detail präsentierten (Schlüssel-)Situationen wie jener im Anfangsteil von „Schar-Ptiza“ geschilderten langen Zugfahrt gen Westen. Gewiss lässt sich das Werk von Lesern, denen die Welt des Tanzes vertraut ist, besonders gut goutieren. Aber auch jene, die hierzu eine geringere Affinität haben, dürften an „Schar-Ptiza“ ihre Freude haben. Denn man merkt es dem Roman in jedem seiner 15 Kapitel an, dass die Autorin weiß, wovon sie schreibt. Pöhler hat Musik und Germanistik studiert, verfasst Libretti, arbeitete als Musiktheater-Regisseurin an etlichen renommierten Häusern im In- und Ausland. Für viele ihrer Bühnenarbeiten wurde sie bereits ausgezeichnet. Mit ihrem schriftstellerischen Werk hat sie seit 2011 – und nun insbesondere mit „Schar-Ptiza“ – ihren Aktionsradius noch einmal beachtlich erweitert. Buch-Tipp Der Tanz-Roman „Schar-Ptiza“ von Kerstin Maria Pöhler ist im Axel-Dielmann-Verlag erschienen (ISBN 978-3-86638-221-3) und kostet 20 Euro; weitere Informationen zu Roman und Autorin gibt es unter www.schar-ptiza.com und auf der Autoren-Homepage www.kerstin-maria-poehler.de.

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