Kaiserslautern Rock in der Alpenidylle

Strahlender Ton in allen Registern: Solist Sebastian Klinger mit den DRP-Musikern.
Strahlender Ton in allen Registern: Solist Sebastian Klinger mit den DRP-Musikern.

Nach dem 3. Mittagskonzert der Reihe „À la carte“ gestern im SWR-Studio dürfte nichts mehr so sein, wie es einmal in den Hörgewohnheiten und Erwartungshaltungen des Stammpublikums war. Die Deutsche Radio Philharmonie Saarbrücken Kaiserslautern (DRP) räumte mit verschiedenen Vorurteilen auf und wischte dabei die unglückliche Trennlinie zwischen E- und U-Musik weg.

Bis auf einen Kontrabassisten trat die DRP beim 3. „À la carte“-Konzert – das zunächst mehr wie ein Bistro wirkte – ohne Streicher auf. Das war die erste Kuriosität, dass eine Konzertouvertüre im Stile der hierzulande sinfonisch-konzertanten Blasorchester aufgeführt wurde. Die Polizei- und Militärorchester (die Amerikaner nennen sie Concertband) machen es vor und die DRP jetzt nach: Erweiterte Bläserbesetzungen mit Raritäten wie Kontrafagott, Bassetthorn und Bassettklarinette zeigen, dass klangliche Vielfalt auch ohne Streicher geht. Wobei die Harmoniemusiken des 18. Jahrhunderts im Tonfall von Serenaden und Divertimenti in Oktettbesetzung die Grundlage für Felix Mendelssohn Bartholdys Nocturno bilden, das er dann 12 Jahre später, 1838, als Ouvertüre für erweiterten Klangkörper dieser Art bearbeitete. Solch sinfonisch-konzertante Klangkörper klingen oftmals zu massiv, die Holzbläser schriller als die Violinen und insgesamt die Vielfalt von Blechbläsern zu eruptiv. Das galt für diese Aufführung in fein ziselierten melodischen Linien zu keiner Zeit. Alles kam locker-leicht im eleganten Notenflug daher und erinnerte in der spielerischen Brillanz an Mendelssohns Duktus, wie er vom Kopfsatz der Italienischen Sinfonie und vom Finalsatz des Violinkonzertes im Vivace bekannt ist: drängend und trotz furioser und scheinbar atemloser Attitüde kontrolliert und klassizistisch in den Abläufen. Mit einem fein ausbalancierten, kultivierten Klangbild und spielerischer Reinkultur zeigte diese Formation, wie subtil und dezent solche „Blasrohre“ klingen können. Der Pianist Friedrich Gulda war zwar als Interpret der klassischen Literatur von Bach bis Brahms geschätzt, aber auch umstritten, weil er schon in seiner Zeit den ritualisierten Konzertbetrieb, programmatische Konventionen und Traditionen in Frage stellte. Entsprechend schwer war es für die SWR-Moderatorin Sabine Fallenstein – und nicht nur für sie –, sein Cellokonzert zu klassifizieren. Gewidmet war es dem Ausnahmecellisten Heinrich Schiff, kompositorisch ist es eine Art Liebeserklärung an seine Wahlheimat im Salzkammergut. Da Gulda auch ein begeisterter Jazzer war, hatte es neben „Alpenglühn“, Bergvagabunden-Idylle und Hüttengaudi als eine Art Collage auch Stilelemente des Jazz und sogar Funk-Rock. Und da „prallten“ ein sinfonisches Blasorchester, eine Rockband – (übrigens mit Musikern der DRP – und ein Cello als Soloinstrument aufeinander. So waren Hornstellen zu bestaunen, die an Webers Naturromantik im „Freischütz“ erinnerten, Klarinettenstellen in Ländler, und Dorfpolka-Manier und die Trompeten und Posaunen klangen bei der Ouvertüre wie eine imaginäre Bigband. Diese immense Vielfalt wurde exzellent im ständig wechselnden Tonfall getroffen. Sie diente aber letztlich nur als Kontrast für die kapriziösen Cellokantilenen, Bravourfigurationen und Solokadenzen, die der in München geborene und in Spanien aufgewachsene Cellist Sebastian Klinger mit überlegener Souveränität zelebrierte. Dabei verfügte er über einen ungemein klaren und für ein Bassinstrument wie das Cello strahlenden Ton in allen Registern. Die Blechbläser der DRP ersparten dem wohlwollend gestimmten Publikum nichts: Sie langten bei diesen üppigen Kontrasten kräftig hin, reizten alle jähen Kontraste aus. Dabei spielten sie mit der Erwartungshaltung des Publikums scheinbar Katz und Maus und das gekonnt.

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