Kaiserslautern Aufbruchstimmung noch nach 90 Jahren

Bei seinem Jubiläumsfestkonzert erwies sich der traditionsreiche Schubertchor am Samstag in der dicht besetzten Fruchthalle als der erwartete Kulturträger ersten Ranges.

Auch der Schubertchor war in den 90 Jahren seines Bestehens dem Wandel der Zeiten und somit den musikalischen Strömungen ausgesetzt. Er konnte sich aber besser als viele vergleichbare Laienchorvereinigungen behaupten, weil er sich mit dem Zeitgeist gewandelt und arrangiert hat, ohne sein künstlerisches Ideal aufzugeben. Zunächst war die Entwicklung vom reinen Männerchor zum gemischten Chor ein Meilenstein der Chronik. Dann war die Öffnung zu einer stilistischen Flexibilität mit konzertanter, weltlicher wie sakraler Chorliteratur hin zu Evergreens, Schlagern, Chansons und Popballaden sowie Filmmelodien und Musical-Ausschnitten für diesen Chor ein Segen. Traditionell haben die Konzerte aber ein ausgeklügeltes programmdramaturgisches Konzept, das von konzertanter Literatur einen weiten Bogen spannt und der nach Querschnitten aus Operette und Musical schließlich in schwelgerischer Walzerseligkeit endet. Von Resignation war auch am Samstag nichts zu spüren. Im Gegenteil: Mit jeder Note kündeten die beseelten Vorträge von einer mitreißenden Aufbruchstimmung, von schwärmerischem Enthusiasmus ebenso wie von emphatischem Bekenntnis zum Chorgesang in allen Facetten. Ebenfalls hat das Zusammenwirken mit professionellen Dirigenten (Chorleiterin Jutta Jochum) und ebensolchen Solisten (Mezzosopranistin Antonietta Jana und Bariton Thomas Herberich) sowie erfahrenen Pianisten (Michael Helmling) eine eigene Tradition. Dies trägt zur Attraktivierung des Programms und zum Ansporn für die Choristen bei, weil auch viele Programmpunkte gemeinsam vorgetragen werden. All das ist man zwar gewohnt, und doch fand es bei diesem Jubiläumskonzert - wohl aufgrund der Gunst der Stunde und der Zäsur in der Chronik – eine weitere, ungeahnte Steigerung. Von der Ode an die Musik Franz Schuberts über den Abendchor von Konradin Kreutzer und weitere klassisch-romantische Chorsätze nach Werken von Mozart, Smetana bis zur Unterhaltung spannt sich das Repertoire. Wobei der bestens disponierte Chor auch die sogenannte Leichte Muse so gar nicht auf die sprichwörtliche leichte Schulter nimmt, sondern durch seine ausgefeilte Klangkultur für sich einnimmt. Jutta Jochum stand für reibungslose Abläufe, für exakte Koordination, genaue Einsätze und fließende Übergänge. Die seit Jahren betriebene Stimmbildung zahlt sich aus, der Chor singt mit Volumen, Strahlkraft und in klanglicher Homogenität und Expressivität. Immer traf er den Nerv der Melodik und folgte straff dem rhythmischen Impuls. Bei den Solisten ragte die Mezzosopranistin Antonietta Jana heraus: Sie singt mit jener Leichtigkeit und Lockerheit, die zu einer schlanken, schlackenlosen und reinen Stimme führt. Diese ist unmanieriert und nicht opernhaft aufgesetzt, erklingt in natürlicher Anmut und ergreifender Schlichtheit, was bei einer Opernarie von Smetana, einem Duett von Mozart und bei weiteren Kostproben aus dem Genre der Musicals („Memory“ aus Webbers „Cats“) zu melodischem Liebreiz führte. Was ihr an Verinnerlichung, an Entrücktheit und Zartheit sowie Nuanciertheit des Ausdrucks gelang, versuchte der Bariton Thomas Herberich bei seiner Vortragsfolge mit Volumen, Kraft und auftrumpfendem Pathos. Was nicht immer passte, aber letztlich auch zu vielen Momenten vokalistischer Faszination und Inspiration führte. Vor allem gilt dies für die vielen gelungenen Duette mit gutem Verschmelzungsgrad der beiden Solostimmen. Ein weiterer Garant für den Erfolg war der Pianist Michael Helmling, der mehr als 20 Programmpunkte unterschiedlichster Stilistik immer angemessen, flexibel und mit seismographischem Gespür für die vokalistischen Höhenflüge begleitete. Mit seiner spielerischen Akkuratesse war er eine Klasse für sich.

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