Grünstadt Vorzüglich gesungen

Bach-Kantaten in ihrem ursprünglichen gottesdienstlichen Zusammenhang erlebbar machen – das will die Reihe „Bachkantate – Bibelwort“ des Amtes für Kirchenmusik der protestantischen Landeskirche. Am Sonntagabend kehrte sie in Grünstadt ein: In einem sehr gut besuchten Abendgottesdienst am Ewigkeitssonntag erklang die Kantate „Wachet! Betet!“ BWV 70. Manfred Sutter, von 1986 Pfarrer in Grünstadt und heute Oberkirchenrat in Speyer, stellte in seiner Predigt anschaulich den Zusammenhang zwischen Bachs Komposition und dem zugrundeliegenden Schrifttext her.

Die Interpreten der Kantate waren der Bachchor der Pfälzischen Singgemeinde, das Kammerorchester Corona Palatina sowie das Solistenquartett Vera Steuerwald, Matthias Lucht, Julius Pfeifer und Stefan Geyer unter der Leitung von Landeskirchenmusikdirektor Jochen Steuerwald. Die Grünstadter Kirchenmusikdirektorin Katja Gericke-Wohnsiedler saß als Continuo-Spielerin im Orchester und entlockte der großen Steinmeyer-Orgel bei der Begleitung des Gemeindegesangs erfreulich milde und warme Klänge. Der Grünstadter Dekan Stefan Kuntz, dem die Liturgie oblag, hob in seinen herzlichen Begrüßungsworten hervor, dass der Landeskirchenmusikdirektor ein Kind des Kirchenbezirks sei, da er aus Eisenberg stammt, und dass in Grünstadt noch viele gute Erinnerungen an das Wirken von Pfarrer Sutter lebendig seien. Der Oberkirchenrat seinerseits sagte, er habe geradezu weiche Knie und fühle sich 20 Jahre zurückversetzt. „Nie mehr ist eine Kirche so sehr meine Kirche gewesen wie diese Kirche.“ Die Kantate BWV 70, zum ersten Mal am 21. November 1723 im Frühgottesdienst der Leipziger Nicolaikirche gesungen, sei die erweiternde Bearbeitung einer Adventskantate Bachs von 1716, die er in Leipzig nicht verwenden konnte, weil dort im Advent feierliche Orchestermusik zu unterbleiben hatte, erläuterte Sutter. Text und Musik malen das Jüngste Gericht am Ende der Zeiten aus. „Bach gibt dem Erschrecken, dem Zittern und Beben Raum, aber immer eingebettet in den Trost und die Zuversicht: Am Ende wird alles gut!“ Bach selbst sei gerade in jener Zeit durch den Tod mehrerer Angehöriger mit dem Leid konfrontiert gewesen. Das Thema des Weltendes gibt Bach Gelegenheit genug zu expressiver Affektmalerei, so dass eine sehr mannigfaltige, farbenreiche Musik entstand, der die Interpreten sämtlich nichts schuldig blieben. Steuerwald setzte auf straffes, zügiges Fortschreiten, das die Musiker mit großer rhythmischer Präzision verwirklichten. Der großen Besetzung entsprechend war sowohl der Orchester- wie der Chorklang strahlend und voll, behielt dabei fast immer schöne Transparenz und Klangbalance, nur manchmal wollten die Orchesterstimmen den einen oder anderen Gesangssolisten überstrahlen. Mit diesen konnte man vollauf zufrieden sein. Strahlend klar, den weiten Kirchenraum wunderschön füllend, sang der Bass Stefan Geyer nach dem strahlend-wuchtigen, bestens gelungenen Eingangschor das erste Rezitativ, das den Tag des Gerichts ankündigt. Der Altus Matthias Lucht interpretierte die weltfliehende Arie „Wann kömmt der Tag?“ fein und beweglich. Das für heutige Hörer ungewohnte Timbre der hohen Männerstimme kam dem Textgehalt sehr entgegen. Metallisch durchdringend, schlank und streng gestaltete der Tenor Julius Pfeifer sein Rezitativ und die spätere Arie. Die Sopranistin Vera Steuerwald schließlich steuerte eine mild und verhalten gestaltete Arie bei. Fein und schön ausgewogen war das Zusammenwirken von Chor und Instrumentalisten in den Chorälen, deren letzter zum Abschluss mit Beteiligung der Gottesdienstgemeinde – eine schöne Idee – noch einmal gesungen wurde. Alles in allem eine strahlende, klare, interpretatorisch stimmige Aufführung – weniger eine Kulturkonzertveranstaltung als Verkündigung der erlösenden christlichen Botschaft.

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