Grünstadt Hochpolitisch!

Eine laue Sommernacht, ein begeisterungswilliges Publikum, das schon lange vor Beginn des Konzerts Einlass begehrte, ein ausverkaufter Neuleininger Burghof: Die vorletzte Veranstaltung des Jubiläums-Burgsommers war ein voller Erfolg, soviel gleich vorweg.

Konstantin Wecker betritt zusammen mit seiner Band, seiner Boygroup, wie er sie später bezeichnet, die Bühne. Herzlich und begeistert wird er begrüßt, viele sind alte Fans, die den Liedermacher seit vielen Jahren begleiten. Auch er erkennt offenbar einige Gesichter wieder, winkt freundlich ins Publikum. Er fragt: „Soll man weiter revoluzzen oder doch Laternen putzen? Zwischen Zärtlichkeit und Wut fasse ich zum Leben Mut!“ und fasst damit das Motto des Abends zusammen. Schon das zweite Lied, „Absurdistan“, zeigt, dass der Liedermacher, der in den 70er und 80er Jahren mit seinem Engagement für die Friedensbewegung bekannt wurde, nach wie vor hochpolitisch ist. Er wendet sich gegen Kapitalismus und Ausbeutung, die einander bedingen, gar erst möglich machen, spart nicht an Seitenhieben auf die Mediengesellschaft und ihre absurden Gesetzmäßigkeiten. Daneben entwirft er die Utopie einer gewaltfreien Gesellschaft. Für die braucht es freilich einen kritischen Verstand und den Mut zur Solidarität. Im Publikum und auf der Bühne also lauter Alt-68er? Das würde weder dem Künstler noch seinen Zuhörern gerecht, die seine Texte ebenso innig mitsingen, wie er sie leidenschaftlich vorträgt. Schade ist freilich, dass Wecker mit seinem Anliegen nicht auch jüngere Zuhörer erreicht. Liedertexte wie „Frieden im Land“ sind vor dem Hintergrund der Demonstrationen gegen die Stationierung der Pershing-II-Raketen entstanden. Heute sind sie aktueller denn je, aber wen erreichen Weckers Aufrufe zur Gewaltfreiheit? Reichlich Emotionen gibt es. Der Sänger, dessen Lieder nach eigenem Bekunden früher von einem Radiomoderator angekündigt wurden als „Lieder, die die Hausfrau beim Bügeln stören“, berichtet vom Brief einer Frau, die nach wiederholtem Hören des Titels „Bleib nicht liegen“ den Entschluss fasste, endlich ihren Mann zu verlassen. „Schwanengesang“, ein Lied von großer Verletzlichkeit und unglaublicher Zartheit, treibt manchem die Tränen in die Augen. Texte von Brecht und Kästner hat er vertont. Ob er „Vom Schwimmen in Seen und Flüssen“ singt oder eine „Ansprache an Millionäre“ hält, immer lugt auch der bayrische Moralist Wecker durch, der nicht aufhören will, die Welt ein bisschen besser zu machen. Bei aller Ernsthaftigkeit jedoch kommt auch die Spielfreude nicht zu kurz. Als an passender Stelle bei Rilkes „Ich lebe mein Leben in wachsenden Ringen“ die Neuleininger Kirchenglocken läuten, als der Vollmond über der Burg steht, als Wecker beim Gang durch das Publikum die Zuneigung förmlich entgegenbrandet, hält es ihn und seine exzellenten Musiker nicht mehr: es wird gejammt und improvisiert, was das Zeug hält. Mit Johannes Barnikel, seinem „musikalischen alter ego“ liefert sich Wecker ein furioses musikalisches Duell, auch der Gitarrist und der Schlagzeuger, beides Leihgaben der Hubert-von-Goisern-Band, zeigen noch mal, was sie können. Zugaben gibt es reichlich.

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