Grünstadt „Gute Kirchenmusik. Punkt.“

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Es ist sicher nicht übertrieben zu sagen, dass Kirchenmusikdirektor Jürgen E. Müller in Bad Dürkheim künstlerische Maßstäbe gesetzt hat. Jedes Jahr gab es mehrere geistliche Konzerte bis zur großoratorischen Besetzung. Fast immer gelangen Aufführungen, in denen sich die oft aus verschiedenen Richtungen zusammenkommenden Mitwirkenden in den Dienst einer einheitlichen und zutiefst soliden Interpretation stellen ließen. Tiefer Ernst – wer Müller kennt, weiß, dass dies aber keineswegs krampfige Verbissenheit bedeutet – und der Verzicht auf alle nur äußerlichen glänzenden Effekte kennzeichneten diese Aufführungen, die auch dann, wenn sie schwere Kost beinhalteten, ein durchaus stattliches, treues und bemerkenswert aufmerksames Publikum fanden. Jürgen E. Müller ist kein Ritter der historisch-informierten Aufführungspraxis gewesen, aber er hat stets ihre richtigen Erkenntnisse und Errungenschaften bereichernd in seine, eine gute Tradition fortsetzende künstlerische Arbeit einfließen lassen. Müller ist es wichtig, sofort zu betonen, dass er die gleiche Intensität der Erarbeitung den mindestens zehn chorisch gestalteten Gottesdienste im Jahr gewidmet hat. Hier einen Unterschied zu machen, wäre verderblich, betont er mehr als einmal. Immer sei es ihm darum gegangen, für die Gottesdienste nicht irgendein Repertoirestück aus dem Schrank zu holen, sondern Musik zu erarbeiten, die die speziellen Lesungs- und Predigttexte ausdeutet. „Der religionspädagogische und didaktische Aspekt, den singenden und spielenden Menschen zu vermitteln, was sie da eigentlich singen und spielen, kann nicht hoch genug bewertet werden. Überzeugtes Tun überträgt sich in seiner Wirkung auf die Zuhörenden, erspürbar, aber nicht messbar“, formuliert er. Es sind vier Chöre, die er nach dem Abschlusskonzert seinem Nachfolger übergibt: der Kinderchor, die eigentliche „große“ Kantorei, die Kleine Cantorey als Kammerchor und den Seniorenchor – die „Derkemer Spätles“ – sein gewissermaßen jüngstes Kind. Er habe einen solchen Chor bei seinem schwedischen Kollegen Olaf Ahlberg kennengelernt und sei lange mit entsprechenden Gedanken schwanger gegangen. „Irgendwann haben ältere Sänger zu mir gesagt: Ich kann nicht mehr recht, die langen Proben, das Stehen beim Konzert fällt mir zunehmend schwer, aber ohne Chor, da würde mir auch was fehlen.“ Das sei der gesuchte Anknüpfungspunkt gewesen. Die „Spätles“ gedeihe und habe auch rasch eine ganze Reihe von Funktionen im kirchlichen und gesellschaftlichen Leben gefunden. Also allein auf chorischem Sektor ein reich bestelltes Feld. Was aber hat er vorgefunden, als er 1977 aus Mannheim hierherkam? „Einen Kirchenchor mit zwölf, manchmal 15 Sängern, und eine alte, wurmstichige Walcker-Orgel, deren Abbruch glücklicherweise schon beschlossen war.“ Herzlich wenig also. Wieso hat das damals einen hauptamtlichen Kirchenmusiker gerechtfertigt? „Der damalige Dekan war aus Ludwigshafen gekommen, er war das von dort gewohnt, hatte gute Kontakte zur Kirchenregierung und hat das durchzusetzen gewusst.“ Erstes großes Thema Müllers an seiner neuen Wirkungsstätte war die Orgelfrage. Als die Orgel in der Schlosskirche abgerissen wurde, kam der große romanische Bogen unter dem Turm zum Vorschein. „Von dem hatte niemand etwas gewusst.“ Es war dann schnell klar, dass er nicht wieder verstellt werden sollte. Deswegen wurde die große Empore abgerissen. Nach ersten Planungen sollte in einem der Bögen zwischen Mittel- und Seitenschiff ein nur kleines Instrument entstehen. „Ich habe gesagt, dass ich mich dann wohl bald wieder wegbewerben müsse.“ Dazu musste es nicht kommen, die damals Verantwortlichen seien von der Wichtigkeit der Kirchenmusik für Gottesdienst und Gemeinde überzeugt gewesen. Und so gelang es gemeinsam, eine ebenso stattliche wie gelungene Orgel im linken Seitenschiff zu verwirklichen, die klanglich hervorragend mit Chor und Orchester zusammenwirkt. Schon früh stifteten Konzertreisen beständige künstlerische Freundschaften. Als der Eiserne Vorhang noch stand, wurden 1988 erste Kontakte in den Osten geknüpft. Der renommierte Danziger Organist Roman Perucki spielte sein erstes Orgelkonzert in Deutschland in der Dürkheimer Schlosskirche und ist seither immer wieder Gast der von Müller jährlich organisierten Internationalen Orgeltage im Sommer. Müller weiß von jenen Fahrten viel Eindrucksvolles zu berichten. Nur eins sei herausgegriffen: „Als ein protestantischer Chor die jüdische Sabbatliturgie von Ernest Bloch und eine orthodoxe Messe von Strawinsky in einer polnischen katholischen Kirche singen zu dürfen – das berührt ganz tief.“ Konfessionelle Grenzen hat er in seinem kirchenmusikalischen Tun nie gekannt. Die Frage nach katholischer, nach evangelischer Kirchenmusik unterbricht er: „Gute Kirchenmusik. Punkt!“ Da hat er auch nie Widerstand erfahren. Dass es ihm immer wieder gelungen ist, Sänger wie Publikum an die Tiefe musikalischer Glaubensverkündigung heranzuführen, macht ihn merklich zufrieden. Im Zentrum, sagt er, stand immer „die Arbeit mit Menschen und für Menschen zu Gottes Ehre“. Was kommt? Müller hält sich bedeckt. Zunächst, meint er gut gelaunt, sei es gewiss sehr entspannend, nicht mehr als kirchenmusikalisch Verantwortlicher zu diplomatischer Zurückhaltung nach allen Seiten gezwungen zu sein. Weiteres lässt Jürgen E. Müller offen… Termin —Abschlusskonzert mit Mendelssohns „Lobgesang“, heute, 20 Uhr, Schlosskirche. — Es gibt noch Karten: Protestantische Kirchengemeinde, Telefon 06322/5051, Musikhaus Haas, Telefon 06322/2780), Foto-Bauer, Telefon 06359/941611.

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