Grünstadt Grünstadt: Lärm durch quietschende Gleise wird immer schlimmer

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Immer mehr Züge quietschen und poltern auf den Gleisbögen vorm Grünstadter Bahnhof. Nun sind Demos und die Beschallung der Fußgängerzone geplant.

GRÜNSTADT. „Uns reicht’s endgültig: Spätestens bei der Einweihung der Alla-Hopp-Anlage werden wir die erste größere Demonstration organisieren. Denn das kaum auszuhaltende Kreischen der Züge und die unfassbare Untätigkeit der Bahn-Verantwortlichen muss jetzt einer breiteren Öffentlichkeit bewusst gemacht werden.“ Dieter Berzel, Zuglärmgeschädigter aus dem Bitzenstraßen-Hochhaus, schlägt vergleichsweise moderate Töne an. Ganz anders Nachbar Klaus Heidenreich und Otwin Schneider, Hauseigentümer auf der gegenüberliegenden Gleis-Seite. Einig sind sich die drei Anlieger jedoch, dass die „Kreischerei“ der Lint-Züge in den vergangenen trockenen Wochen noch schlimmer geworden ist. Heidenreich: „Seit die Frühlingssonne wieder scheint, kreischt, quietscht und rumpelt es extrem auf der Bahnhof-Trasse von nachts 4 bis 24 Uhr; das sind über 70 Attacken auf die Ohren der Anwohner. Außer dem schneidenden Kreischen wird auch das Rumpeln der Räder immer schlimmer.“ In diesem dumpfen Rumpeln („als ob Eisenbrocken aus den Radachsen wegzufliegen drohen“) vermutet er auch den wahren Grund für die derzeitigen Gleis-Arbeiten im Umfeld des Grünstadter Bahnhofs. Wie berichtet, hatte ein Bahnsprecher mitgeteilt, dass hier wie anderswo „in gewissen Zeitabständen Schrauben ausgewechselt“ würden. Heidenreich stimmt zwar der Aussage zu, dass ein Zusammenhang der Arbeiten mit dem Quietschen der Züge nicht bestehe. Allerdings weist er auch darauf hin, dass im Dezember vorigen Jahres im Raum Chemnitz 19 von 27 neuen Züge einer anderen Baureihe des Lint-Züge-Herstellers Alstom wochenlang in die Werkstätten mussten, „weil unter anderem Eisenbrocken von den Rädern weggeflogen sind“. Es sei „eher zu vermuten, dass die DB für diese unangekündigte Nacht- und Nebelaktion einen äußerst schwerwiegenden Anlass hat, den sie lieber verschweigt“. Schließlich habe, so Heidenreich, die Deutsche Bahn trotz zahlreicher Nachfragen „auch nicht einen Finger krumm gemacht für die durch das Quietschen geplagten Bewohner im Umfeld des Grünstadter Bahnhofs“. Ähnlich sieht das auch Otwin Schneider, pensionierter Leiter der städtischen Bauabteilung. Er hatte voriges Jahr eine Woche lang Uhrzeit, Zugnummern und Intensität des Kreischens dokumentiert und der Bahn zugeschickt, um mögliche Zusammenhänge erkennen zu können. „Es ist unfassbar, was sich die Bahn mit den Bürgern erlaubt und unverschämt, dass ich auf meine Mails vom Dezember an die Bahn bis heute keine Antwort erhalten habe. In Frankreich oder Italien hätten die Bürger sicher schon einige Bahnübergänge mit Traktoren oder ähnlichen Fahrzeugen zugestellt“, so Schneider. So weit will Berzel natürlich nicht gehen, inzwischen seien aber einige andere Aktionen in Planung. So zum Beispiel Unterschriftenaktionen, die Beschallung der Fußgängerzone an einem Markttag mit dem aufgenommenen hochfrequenten Zug-Quietschen und Demonstrationen. Inzwischen hat Berzel auch eine eigene E-Mail-Adresse der Zuglärmgeschädigten für Anregungen angelegt. Berzel hat zuletzt aber nicht nur „mehr Kreischerei und Poltern“ wahrgenommen, sondern auch, dass einige Züge weitaus langsamer durch die Gleisbögen gefahren sind und so das Quietschen weniger laut war. „Vielleicht hat die Bahn ja dazu intern die Anweisung geben“, gibt Berzel die Hoffnung nicht auf, dass die Deutsche Bahn reagiert. Nicht reagiert hat die DB jedoch auf das kostenlose Angebot eines slowenischen Unternehmens, das Berzel vor Wochen weitergeleitet hatte. Darin biete die Spezialfirma elpa den unentgeltlichen Versuch an, durch ihr patentiertes Verfahren mit Schmierstoffen den Lärmpegel der quietschenden Züge erheblich zu verringern. Erfolgreich seien die Gespräche mit allen drei Stadtbürgermeister-Kandidaten verlaufen, die versprochen haben, das Anliegen der Betroffenen zu unterstützen. Amtsinhaber Klaus Wagner (CDU) und die Stadtverwaltung haben in der Vorwahlzeit in einem offenen Brief – eine ansonsten äußerst unübliche Vorgehensweise für Verwaltungen – Abhilfe gefordert. Dieser ging an die unterschiedlichen Stellen der Bahn, die zuständigen Ministerien in Bund und Land, an den Bürgerbeauftragten, die örtlichen Landtags- und Bundestagsabgeordneten und die Presse. Nun habe die DB Regio AG, Region Mitte, sogar darauf reagiert, informiert die Stadtverwaltung: Die DB will bei einem, mit der Verwaltung noch festzulegenden Termin, vor Ort über den „Sachstand bezüglich der Gespräche mit dem Fahrzeughersteller“ der Lint-Züge informieren. Große Hoffnungen auf Besserung machen sich die Betroffenen deswegen nicht. Die Vorbereitungen der eigenen Aktionen laufen weiter. Kontakt Erfahrungen und Anregungen zum Zuglärm können per E-Mail an Dieter Berzel unter quietschendezuege@online.de gesendet werden.

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