Grünstadt Drei Stunden Frontal-Opposition

Im Stadtrat Grünstadt sind die Karten neu gemischt. Erstmals seit Jahrzehnten sind die Sozialdemokraten nicht mehr in der Stadtspitze vertreten. Die CDU hat sich mit der FWG und der FDP zusammengetan. Die konstituierende Sitzung dauerte drei Stunden. SPD und Grüne interpretierten ihre Rolle als Opposition sehr offensiv.


Man habe schon immer mit wechselnden Mehrheiten Entscheidungen getroffen, hatte Grünstadts Bürgermeister Klaus Wagner (CDU) sich angesichts der veränderten Zusammensetzung des Stadtrates gelassen gezeigt. Am Dienstag erlebte er im Weinstraßencenter aber im öffentlichen Teil eine dreistündige Frontal-Opposition. Rot-Grün zauberte sogar noch zwei Beigeordneten-Kandidaten aus dem Hut. Dennoch heißt der Erste Beigeordnete und damit erste Vertreter des Rathauschefs Bernhard Ellbrück (FDP), auf den sich die neuen Koalitionspartner CDU, FWG und FDP verständigt hatten. Auch ist Hans Tisch (CDU), bereits zehn Jahre zweiter Beigeordneter, wieder in dieses Amt gewählt worden. Gegenwind blies bei beiden Abstimmungen von SPD und Grünen – wie auch sonst fast den ganzen Abend. Gegen Ellbrück votierten – rein rechnerisch – geschlossen die drei Vertreter von Bündnis 90/Die Grünen und alle sieben anwesenden Genossen – es fehlten Harald Dörr und Gerd Walther, weshalb die SPD zu Beginn auch versucht hatte, einen großen Teil der Tagesordnung zu vertagen. Die Sozialdemokraten schickten die Fraktionsvorsitzende Heike Mrosek-Handwerk ins Rennen um den Beigeordneten-Posten. Als Tischs Gegenkandidatin benannten die Grünen Elke Vetter. Als Diplom-Weinbau-Ingenieurin sei Vetter, die neu im Rat ist, vorzüglich für die mit dem Amt verbundenen Geschäftsbereiche geeignet, warb Pirmin Magez. Dennoch erhielt Tisch eine Stimme aus der Opposition. Vielleicht hat er den „Abweichler“ mit seiner bisherigen Arbeit überzeugt. Für Tisch rückte Stephan Kohl nach, für Ellbrück Dieter Hille. „Ich hoffe auf eine faire Zusammenarbeit mit allen hier“, sagte Tisch. Wie weit der Wunsch in Erfüllung geht, bleibt abzuwarten. Am Dienstag standen die Zeichen jedenfalls auf Sturm. So verwies Magez auf einen vermeintlichen Widerspruch in der Hauptsatzung. Die Zahl der Geschäftsbereiche solle laut Beschlussvorlage von fünf auf vier reduziert werden. Davon könnten „bis zu drei“ auf Beigeordnete übertragen werden, wobei gleichzeitig zwei dem Bürgermeister zuständen. Das passe nicht zusammen. Sein Antrag, den Passus in „bis zu zwei“ zu ändern, wurde abgelehnt. Daraus schloss der streitbare Winzer, dass es künftig wohl drei Beigeordnete mit Geschäftsbereichen geben solle und beantragte, abgestufte Aufwandsentschädigungen. Am meisten habe der Stellvertreter des Bürgermeisters zu bekommen, maximal jedoch 1089 Euro. Magez Argument: Seit mindestens zehn Jahren – das wisse er aus sicheren Quellen – zahle die Stadt ihren Beigeordneten ein Drittel weniger als ihnen zustehe, und niemand habe sich gewehrt. Insofern müsse dieses Salär ausreichen. Bis zur nächsten Sitzung will er unter anderem wissen, inwieweit die „unterschlagenen“ Beträge nachgezahlt werden und wie hoch diese Summe insgesamt ist. Auch wetterte Magez gegen die Regelung einer Aufwandsentschädigung für einen „Beauftragten für Brauchtumspflege und Repräsentationsaufgaben“. „Diese Stelle ist in der Hauptsatzung nicht vorgesehen“ und sei völlig überflüssig. Die Opposition warf immer neue Anträge zu jeder – im Vorfeld besprochenen – Änderung der Satzung in die Runde, die in der Regel 17:10 abgeschmettert wurden. Letztendlich waren Grün und Rot geschlossen gegen die Hauptsatzung. Zuvor war auch die Geschäftsordnung nicht einfach abgenickt worden. Lange diskutiert wurde über den Sitzungsbeginn (18 Uhr) und die Anhebung der Sitzungsgelder, die seit 1990 nicht erhöht worden waren. August Nahstoll (CDU) wunderte sich: „Hier sitzen Leute, die die Anpassung im Kreistag durchgewunken haben. Es ist immer leicht, gegen etwas zu sein, wenn man weiß, dass die Mehrheit dafür ist.“ Als übertrieben wurde die Stellungnahme Elke Vetters bei der Annahme einer Spende des Lionsclubs empfunden: Es ging um die über 9000 Euro teure Bronzetafel des Lionsclubs mit Daten zur Stadtgeschichte, die kürzlich am Alten Rathaus befestigt worden ist (wir berichteten). Vetter fühlte sich vor vollendete Tatsachen gestellt. „Spenden dürfen ohne vorherige Genehmigung durch den Rat nicht verwendet werden“, begründete sie. Bürgermeister Wagner darauf: „Wir können die Tafel auch zurückgeben.“ (abf)

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