Grünstadt „Das waren ganz tolle Zeiten“

91-87536383.jpg

Über zwölf Jahre kennen sich Ex-Nationalspieler Mario Basler und Rüssingens Trainer Ako Yalcin schon. Gesehen haben sie sich erstmals auf dem Fußballplatz. Basler lotste den Eisenberger Yalcin zu seinem damaligen Klub ATSV Wattenheim. Zusammen feierten sie vier Aufstiege in fünf Jahren. Auch nach dem Ende der Erfolgsära in Wattenheim hielten beide engen Kontakt. Im Laufe der Jahre entwickelte sich eine echte Männer-Freundschaft, die bis heute Bestand hat. Aktuell hilft Basler beim Landesligisten TuS Rüssingen aus. RHEINPFALZ-Mitarbeiter Reiner Bohlander traf sich mit beiden zum Gespräch im Vorgarten des TuS-Clubhauses.

Rüssingen. Mario Basler, Ako Yalcin, wann haben Sie sich eigentlich zum ersten Mal gesehen? Basler: Ich hatte im Januar 2001 das Amt des Vereinspräsidenten beim ATSV Wattenheim übernommen. Zu meiner Zeit als Profi beim 1. FC Kaiserslautern habe ich ja dort mit meiner Familie gewohnt. Ich wollte mich im Klub engagieren. Ako bin ich dann das erste Mal begegnet, als der ATSV ein Spitzenspiel gegen die SVG Eisenberg hatte. Ich habe zugeschaut. Yalcin: Damals habe ich die SVG trainiert, wir hatten bis dato alle Spiele gewonnen, Wattenheim war ungeschlagen. Beide Klubs haben um die Meisterschaft in der B-Klasse gekämpft. Wie ist die Partie ausgegangen? Basler: Ich glaube, Wattenheim hat 15:1 gewonnen. Yalcin (lacht): Quatsch, wir haben euch 4:1 geschlagen. Am Ende der Saison sind wir Meister geworden, der ATSV musste als Vize in die Aufstiegsspiele. Dort haben sie versagt. 2004 kam Ako Yalcin zum ATSV ... Basler: Ich habe damals zusammen mit dem damaligen Wattenheimer Vorsitzenden Reiner Kroneberger überlegt, wen wir als Trainer installieren könnten. Wir wollten endlich aufsteigen. Ako war ja erfolgreich als Trainer, hatte seine Teams schon zu Aufstiegen geführt. Wir haben uns deshalb für ihn entschieden. Von 2004 bis 2009 feierte der ATSV Wattenheim vier Aufstiege in Folge, schaffte den Durchmarsch von der B-Klasse in die Verbandsliga. Basler: Das waren wirklich ganz tolle Jahre. Auf dem Sportplatz in Wattenheim war immer was los. Zu den wichtigen Spielen haben wir große Busse gemietet. Ich erinnere mich sehr gerne an diese Zeit zurück. Einmal haben wir bei uns im Teambus Zuschauer aus unserem Dorf mitgenommen. Einer war so betrunken, dass er auf der Rückfahrt in meine Sporttasche gebrochen hat. Über die Zeit könnte man ein Buch schreiben. Yalcin: Ja, es hat damals viel gepasst. Einmal hat die Mannschaft eine Meisterschaft mit einer Traktorfahrt durchs Dorf gefeiert, das war ein Erlebnis. Ich muss gestehen: Mario hat mir als Präsident immer den Rücken freigehalten. Es waren schon einige im Klub gegen mich. Aber er hat mich wirklich brutal geschützt. Basler: Ako Yalcin ist ein Trainer mit Ecken und Kanten. Und unser Team wurde immer multikultureller. Was heute normal ist, war damals für viele neu. Es gibt eben Leute, die mögen das nicht. Aber der Erfolg hat für ihn gesprochen. Ich hatte den Vereinsmitgliedern immer gesagt: Den Trainer entlasse nur ich. 2010 kam es dann zum Zerwürfnis mit dem Klub. Trotz Platz zehn als Aufsteiger musste Ako Yalcin gehen. Daraufhin trat auch Mario Basler von seinem Amt zurück. Warum? Yalcin: Mario wurde 2008 Trainer bei Eintracht Trier. In der Verbandsliga-Saison 2009/2010 hatte er kaum Zeit für den ATSV. Hinter den Kulissen wurde doch heftig gegen mich geschossen. Letztlich hat mich dann der damalige Vorstand entlassen. Basler: Ich habe erfahren, dass da etwas im Gange ist. Als ich nach Wattenheim kam, haben sie mir gesagt, sie wollen Ako entlassen. Ich war damit nicht einverstanden. Warum auch, wir waren sportlich erfolgreich. Ich habe dann gesagt, wenn ihr das macht, dann lege ich meine Ämter nieder. Fünf Minuten habe ich ihnen Zeit gelassen, danach war klar: Ich trete zurück. Der ATSV stieg in die unterste Klasse ab und verschwand in der Versenkung. Wie denkt ein Mario Basler im Rückblick darüber? Basler: Es ist schade, ich habe viel Arbeit und Zeit in den Verein gesteckt. Finanziell habe ich den Klub in den zehn Jahren mit einem sechsstelligen Betrag unterstützt. Als der ATSV mich dann verklagt hat, weil ich noch 15.000 Euro aus einer Bürgschaft hätte zahlen sollen, war das Tischtuch endgültig zerschnitten. Der Kontakt zwischen Ihnen blieb aber bestehen. Yalcin: Ich wollte nach Wattenheim eine Auszeit. Ich habe Mario oft besucht. Er war nach Trier ja noch in Burghausen Trainer. Ich konnte so auch viel lernen. Und wir haben uns auch menschlich sehr gut verstanden. Basler: Ich wohne seit fünf Jahren in Osnabrück, meine Kinder sind aber alle hier in der Gegend, der jüngste spielt ja auch in Eisenberg Fußball. Da Ako seit gefühlt 30 Jahren Single ist, ist bei ihm immer ein Zimmer für mich frei, wenn ich in der Pfalz bin. 2012 übernahm Ako Yalcin dann das Traineramt beim Bezirksligisten TuS Rüssingen. Yalcin: Eigentlich wollte ich nicht, aber Hakan Akten, der damals hier spielte, hat mich überredet. Rüssingen führten Sie 2013 zum Bezirksligatitel, 2014 wurde der TuS Vize in der Landesliga gewann die Aufstiegsspiele gegen Phönix Schifferstadt. Mit Mario Basler. Basler: Als Ako damals bei mir anrief und mir gesagt hat, dass ich meinen Spielerpass nach Rüssingen bringen soll, habe ich ihn gefragt, ob er eine Spritze hat. Ich war ja damals schon fast 46 Jahre alt. Aber er beherrscht die Kunst, jemanden zu überzeugen. Genauso war das gegen Schifferstadt. Ich war eigentlich beim Boxkampf von Felix Sturm eingeladen. Aber Ako hat es geschafft, mich zu überzeugen, zu den Spielen zu kommen. Yalcin: Ja wir haben erst gegen Schifferstadt gewonnen und sind dann abends doch noch zu Felix Sturm. Das war der Deal. In der Verbandsliga gab es aber den Abstieg nach nur einer Spielzeit. Basler (lachend): Ja, weil Ako mich in dieser Runde nicht eingesetzt hat. Yalcin: Bestimmt, Mario. Nein, ich habe damals die falschen Spieler verpflichtet. Nach elf Niederlagen in Folge habe ich meinem ersten Vorsitzenden Peter Hornung angeboten, einen neuen Trainer zu suchen. Was er geantwortet hat, das hat mich umgehauen: Ako, hat er gesagt, wir schmeißen alle Spieler raus und holen neue. Das hat er getan. So was habe ich noch nie erlebt. Peter Hornung ist wirklich das Herz des TuS Rüssingen. Also fühlen Sie sich beide hier wohl? Yalcin: Ich finde es perfekt, es sollte sich auch gar nicht viel ändern. Obwohl es natürlich schwierig ist, verbandsligataugliche Spieler hier herzuholen, weil der Standort eben einfach schwierig ist. Und wir wollen beim TuS wieder in die Verbandsliga. Das ist mittelfristig unser Ziel. Mario Basler, in Gau-Odernheim ist Ihnen beim 4:2-Pokalsieg vor Kurzem ein Tor aus 70 Metern gelungen. Der schönste Treffer in Ihrer Zeit als Amateurspieler? Basler: Ja, ich denke, auf jeden Fall eines der schönsten Tore. Wir waren unter Druck, Gau-Odernheim hat auf den Ausgleich gedrängt, der Torwart kam mit vor. Bei einer Abwehraktion unseres Stürmers gab es Freistoß für uns. Ich hab gesehen, dass der Keeper zu weit draußen war, also habe ich es versucht, und es hat geklappt. Yalcin: Das war schon ein sehr schöner Treffer, aber die Eckballtore von Mario, die er für meine Teams geschossen hat, waren auch grandios. Momentan spielt der 47-jährige Mario Basler für Rüssingen in der Innenverteidigung – zusammen mit dem ehemaligen albanischen Nationalspieler Clirim Bashi. Wir kam das? Yalcin: Meine beiden etatmäßigen Innenverteidiger sind verletzt. Ich habe Mario angerufen, er war ja einige Wochen hier, und da hat er ausgeholfen. Bashi ist in Aachen, aber ich konnte ihn überreden. Ich habe eine Notlösung gesucht. Gut, ich denke, ein Basler und Bashi in der Abwehr, das ist nicht die schlechteste Alternative. Beide spielen nicht zum Spaß, die wollen immer gewinnen. Basler: Der Bashi kommt ja extra aus Aachen nach Rüssingen. Da sieht man einmal mehr, wie Ako die Leute überzeugen kann. Gibt es zwischen Ihnen auch mal Streit? Yalcin: Ja. Mario, wie übrigens auch Clirim, wollen sich nie warm machen. Ich schicke sie vor dem Spiel deshalb immer in die Kabine. Basler: Du hast ja auch eine Meise, ich bin fast 48, Clirim 45, da kann ich mich doch nicht mehr richtig warm machen. Ich muss meine Kraft vernünftig einteilen. Zuletzt hatte ich hier ja sogar eine englische Woche. Wie lange wird ein Mario Basler eigentlich noch aktiv spielen? Basler: So lange die Knochen halten. Verbandsliga traue ich mir noch zu. | Interview: Reiner Bohlander

x