Grünstadt „Blumen bringen keine Punkte“

Wer hätte gedacht, dass man den Wettbewerb „Unser Dorf hat Zukunft“ eines Tages wörtlich nehmen muss? Altleiningen, Bockenheim und Carlsberg werden morgen, 6. Mai, bewertet. Der Jury-Leiter, Kreis-Planer Holger Eichner, spricht darüber, wie sich die Schwerpunkte verschoben haben.

Herr Eichner, von 1961 bis 1997 hieß der Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“. Warum der Titel der Veranstaltung geändert?

Anfangs standen der Blumenschmuck oder das schöne Straßen- und Ortsbild im Vordergrund. Irgendwann – spätestens, als das Land das Dorferneuerungsprogramm auflegte – musste man den Wettbewerb an neue Maßstäbe anpassen - nicht nur inhaltlich, sondern auch begrifflich. Dann hieß es „Unser Dorf hat Zukunft“. Der Titel hat ja eine fast erschreckende Aktualität gewonnen. In strukturschwachen Gebieten, etwa der Westpfalz, gibt es immer mehr Dörfer, die kaum noch eine Zukunft haben. Wie sieht denn ein Dorf aus, das Zukunft hat? Die Gemeinden müssen sich noch viel mehr mit der demografischen Entwicklung auseinandersetzen. Hat man das zu spät erkannt? Es wurde schon erkannt, dass man nicht einfach auf Teufel komm raus wachsen kann. Das Potenzial an Einwohnern nimmt ab. Jetzt kommt es darauf an, wie sich die Kommunen mit einem Schrumpfungsprozess auseinandersetzen. Das machen Sie, indem sie Zukunftsperspektiven entwickeln. Früher hat man einfach immer Neubaugebiete ausgewiesen. Das ging eine ganze Weile gut. Wir sind hier und heute noch ganz gut dran in unserem Raum. Wenn die Jury am 6. Mai in Altleiningen, Bockenheim und Carlsberg ist, werden verschiedene Bereiche beurteilt. Zum Beispiel wirtschaftliche Initiativen, bürgerschaftliches Engagement, soziale und kulturelle Aktivitäten, Baugestaltung und -entwicklung et cetera. Der Besuchsplan sieht pro Gemeinde zwei Stunden vor. Wie können Sie das in dieser kurzen Zeit alles beurteilen? Wir haben ja die Gemeinden vorher gebeten, eine Übersicht zu erstellen, über das, was sie auszeichnet. Sie konnten sich in einem zwei- bis fünfseitigen Papier präsentieren. Daneben haben wir Fragebögen verschickt mit der Erhebung von Infrastrukturdaten über die Existenz etwa von Schulen, Kindergärten, Ärzten oder Läden. Sie haben sich von den Gemeinden also schon vorher ein Bild gemacht. Welche Rolle spielt es jetzt für sie zum Beispiel, ob da noch ein Metzger, ein Bäcker oder ein Tante-Emma-Laden vorhanden ist? Das ist ein Bewertungskriterium unter ganz vielen. Insgesamt können die Gemeinden 100 Punkte bekommen. Der Metzger ist ein Kriterium, das vielleicht mit 0,5 Punkten bewertet wird. Es ist also nicht so entscheidend. In der Eifel, wo es Gegenden gibt, wo in 40 Kilometer Entfernung kein Metzger ist, hat so etwas schon mehr Bedeutung. Als Planer hat man seine Vorstellung von einem Dorf mit Zukunft. Haben Sie hier so eine Art Lieblingsdorf ? Nein, kann ich nicht sagen und will ich auch gar nicht, weil ich ja die Kommission leite. Wenn ich ihnen jetzt ein Teilnehmerdorf sage und das sollte hinterher noch gewinnen, dann heißt es wieder ... Wer entscheidet mit Ihnen über den Gewinner? Norbert Müller, der in Friedelsheim jahrelang die Dorferneuerung moderiert hat, Elke Plass-Mackensen, die viel Erfahrung in Sozial- und Kulturarbeit hat, Werner Boxheimer, Architekt aus Großkarlbach und die beiden Landschaftsplaner Andreas und Gisela Valentin aus Ebertsheim. Angenommen, morgen stellt jeder Bockenheimer einen Geranienkübel vor die Tür. Erhöht das die Titelchancen? Das spielt eigentlich gar keine Rolle. Wir sind gedanklich nicht mehr bei dem Wettbewerb „Unser Dorf soll schöner werden“, sondern bei diesem etwas entwicklungsorientierteren Wettbewerb. Da spielen die Blumen keine Rolle. Es es ist zwar schön, wenn sich ein Dorf nach außen hin so präsentiert, aber es bringt keine Punkte.

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