Carlsberg Aller guten Dinge sind 13 (Jahre)

Susanne Bordasch hat 13 Jahre lang sehr viele Nerven und Papier eingesetzt.
Susanne Bordasch hat 13 Jahre lang sehr viele Nerven und Papier eingesetzt.

Jeden Morgen haben die Kinder der Familie Bordasch eine Dreiviertelstunde Zeit verschenkt. Nicht für einen sozialen Zweck, um anderen Menschen Gutes zu tun. Vielmehr weil sie die Busverbindung zwischen ihrem Wohnort Carlsberg und ihrem Schulort Grünstadt dazu gezwungen hat. Um zum Unterrichtsbeginn um 7.50 Uhr am Leininger-Gymnasium (LG) zu sein, mussten sie sehr früh aufstehen. Denn der spätere der beiden Busse der Linie 454, die in diese Richtung fuhren, startete um 6.41 Uhr und war dann um 7.07 Uhr da. Dann hieß es: 43 Minuten rumgammeln.

Die Mutter Susanne Bordasch fand das unerträglich. Im Herbst 2010 nahm sie erstmals in dieser Angelegenheit Kontakt mit dem Kreis auf, der für den ÖPNV zuständig ist. Damals musste erst ihre älteste Tochter, die die fünfte Klasse besuchte, unter diesem Fahrplan leiden. Nachdem sich Ortsbürgermeister Werner Majunke (CDU) eingeschaltet hatte, fand im Januar 2011 ein Treffen mit der Nahverkehrsreferentin, dem Busunternehmer, Eltern, Politikern und einem Dorfmoderator statt. „Das Ergebnis war, dass alles sehr kompliziert sei, man aber Verbesserungen versprach“, erinnert sich Bordasch. Voller Hoffnung wartete sie auf den Fahrplanwechsel. Und was geschah? Genau: nichts. „Ich schrieb jede Menge E-Mails“, so die dreifache Mama, die einen Brief vorlegen kann, der belegt, dass sich bereits 2004 eine Mutter über die schlechte Verbindung beschwert hatte. Seither: nur leere Versprechungen.

Nur leere Versprechungen

Hans-Ulrich Ihlenfeld (CDU), der Landrat werden wollte, habe vor der Wahl an einem Stand in der Carlsberger Fußgängerzone versichert, sich für günstigere Busverbindungen einzusetzen. Nachdem sich etliche Monate nach Amtsübernahme im April 2013 nichts bewegt hatte, „fing ich an zu nerven“, erzählt Bordasch. Sie bombardierte die Kreisverwaltung mit elektronischer Post und ließ keine Veranstaltung mit dem Landrat aus, um das Gespräch mit ihm zu suchen. Erfolg? Gleich null.

Im November 2013 gab es wieder eine Zusammenkunft zum Thema im Kreishaus. Wieder wurde betont, wie komplex der Sachverhalt sei. Der Einsatz eines weiteren Busses wäre viel zu teuer. Man wollte prüfen, inwieweit positive Veränderungen möglich sind. Es passierte wieder nichts.

Auf höheren Ebenen bemüht

Doch Bordasch gab nicht auf: Im Februar 2017 – inzwischen gehörten beide Töchter und der Sohn zu den Wartenden am LG – ging sie in die Sprechstunde des Bundestagsabgeordneten Johannes Steiniger (CDU). Dieser konnte aber nur moralisch unterstützen, weil der ÖPNV nicht seine Baustelle ist. Auch Verbandsbürgermeister Frank Rüttger (CDU) konnte lediglich Verständnis zeigen, aber nichts unternehmen, weil er nicht zuständig ist.

Dann trat am 15. März 2017 eine neue Satzung zur Schülerbeförderung in Kraft. Demnach ist es unzumutbar, wenn man an der weiterführenden Schule in der Regel mehr als 30 Minuten auf den Unterrichtsbeginn warten muss oder die Fahrt zur Schule länger als eine Stunde dauert. „Ab diesem Zeitpunkt habe ich meine Argumentation von der Menschenverstand-Sicht auf die rechtliche Schiene gehoben“, sagt Bordasch. Das Problem: Der Kreis hat das Wörtchen „oder“ in der Satzung als „und“ gelesen und die 30 mit den 60 Minuten addiert. Schlussfolgerung: Erst wenn 90 Minuten überschritten sind, ist der Schulweg unzumutbar. Bei einer ÖPNV-Ausschusssitzung im Kreishaus im Oktober 2017 wurde das Fazit gezogen, dass eine andere Busverbindung nicht notwendig sei. Man habe sich dabei auf eine Überprüfung gestützt, bei der nur eine Schülerin aus Carlsberg gesichtet worden sei, die am LG aussteigen wollte, erzählt Bordasch von einer Kontrolle, die ausgerechnet an einem Studientag der Lehrkräfte erfolgte: „Das Mädchen hatte nur vergessen, dass es schulfrei hatte.“

Rechtliche Würdigung vom Landrat selbst

Das Landtagsmitglied Norbert Mittrücker (CDU) forderte eine rechtliche Würdigung des Umstandes, dass der Kreis gegen seine eigene Satzung verstieß. Die lag am 21. Dezember 2017 vor: selbst verfasst vom Landrat. Der Jurist zog in seiner Stellungnahme die Richtlinien des Landkreises zur Schülerbeförderung heran. Diese konkretisieren nach seiner Auffassung die Festlegungen in der Satzung. Die Bestimmung, dass das Warten an der Schule „in der Regel“ nicht länger als 30 Minuten dauern sollte, sei erst unzumutbar, wenn die Zeitüberschreitung „erheblich“ sei. Bordasch wundert sich: Die Richtlinien traten 2013 in Kraft – vier Jahre vor der Satzung! „Unser selbst beauftragtes juristisches Gutachten vom 27. Januar 2018 besagt, dass es sich hier um eine rechtswidrige Schülerbeförderung handelte“, erläutert sie. „Da wussten wir, dass wir Recht haben.“

Aber Recht haben und bekommen sind zwei Paar Schuhe. Das Einschalten des Bürgerbeauftragten nützte nichts. „Der gibt nur die Argumente des Kreises 1:1 wieder.“ Nichts geholfen hat auch eine Petition beim Landtag. Von dort heißt es in einem Schreiben vom 19. März 2019: ,Ihrem Anliegen kann nicht entsprochen werden’.“ Ende desselben Jahres versuchte Bordasch es noch mit einer Unterschriftenaktion. Doch es sollte noch vier Jahre dauern, bis Ihlenfeld im Oktober 2023 beim 450. Jubiläum des LG aufs neue Linienbündel Grünstadt verwies: „Die Busse ab Carlsberg fahren ab dem 10. Dezember 20 Minuten später.“ Nach 13 Jahren Kampf! Inzwischen haben Bordaschs Töchter längst Abitur und der Sohn besucht die MSS 11.

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