Grünstadt In Papas Fußstapfen

Lieferte eine tolle Performance ab: Jolina Carl in Höningen.
Lieferte eine tolle Performance ab: Jolina Carl in Höningen.

Aus allen Nähten geplatzt ist am Sonntagabend das protestantische St.-Jakobs-Kirchlein in Höningen: Rund 100 Besucher ließen sich beim Konzert der Country-Sängerin Jolina Carl von den Bänken und den zusätzlich aufgestellten Klappstühlen reißen. Das gelingt der aus Elsdorf bei Köln stammenden Künstlerin mit ihrer charmanten, locker-offenen Art, ihrem Rhythmusspiel auf verschiedenen Gitarren, vor allem aber mit ihrem grandiosen Gesang.

Die voluminöse und facettenreiche Stimme der 48-Jährigen erfüllt den Sakralbau aus dem 12. Jahrhundert spielend bis in die hinterste Ecke. Eigentlich hätte sie kein Mikrofon gebraucht – zumindest nicht, wenn sie mit voller Kraft singt. Aber sie kann auch ganz leise, fast flüsternd. In jedem Fall steckt jede Menge Gefühl und Leidenschaft drin. Das Publikum wird tief berührt. Jolina Carl erzeugt Gänsehaut-Feeling, mitunter muss man sogar ein Tränchen wegdrücken. Das Konzert ist wieder für den guten Zweck Im November 2018 feierte die Musikerin ihr Debüt in der Kirche des Altleininger Ortsteils, in dem ihre Schwiegermutter lebt. Mehr als 400 Euro wurden dabei an Spenden eingenommen für die Renovierung der historischen Wandmalerei. Auch diesmal tritt Carl für diesen guten Zweck auf – und gibt drei Stunden lang ihr Bestes. Dabei bringt sie wunderschön interpretierte Coversongs – und das nicht nur im Countrystil – zu Gehör, etwa das flotte „My Baby`s Got A Gun“ der Rockband Triggerfinger oder die Bon-Jovi-Power-Ballade „Bed Of Roses“. Dazu gibt es etliche Eigenkompositionen wie das Lied „What Really Matters“, in dem sie über die gesellschaftlichen Veränderungen sinniert, die durch die Digitalisierung hervorgerufen werden. „Bent Metal“, „His Hideaway“ und „Kids With Snotty Noses“ sind ebenfalls selbst geschriebene Titel. Letzteren hat Carl erst vor wenigen Wochen geschrieben, als sie für den Verein „Dat Kölsche Hätz“ konzertierte, um Spenden für krebskranke Kinder zu akquirieren. Ein Song, der zu Herzen geht. Ein sehr emotionales Stück ist auch jenes, das sie zu Ehren ihres an Krebs verstorbenen Vaters komponiert hat. „Dass ich hier stehe, habe ich vor allem ihm zu verdanken. Kurz vor seinem Tod hat er mich darum gebeten, aus meinem Gesangstalent etwas zu machen“, erläutert Carl bei ihrem Storytelling-Konzert. Sie habe die Begabung von ihm geerbt, doch ihr Vater habe sein eigenes Können nie professionell genutzt, sagt sie und singt (auf Englisch): „Papa, du gabst mir deine Musik (…) Ich trete in deine Fußstapfen und ich mache immer weiter.“ 2002 entschied sich die Industriekauffrau für die Bühne. Längst hat sie sich den Respekt der Country-Größen aus Nashville erarbeitet. 2015 kam sie als einzige Nicht-US-Bürgerin unter die ersten fünf der Kategorie „Female vocalist of the year“ des Nashville Universe Awards. Im Jahr darauf „wollte ich eine neue CD aufnehmen“, blickt sie im RHEINPFALZ-Gespräch zurück. Auf Facebook habe sie das zusammen mit einer Tournee in den USA angekündigt. Das habe ein Freund aus den Niederlanden mitgekriegt, der Leute kenne, die die Johnny-Cash-Bühne in Bon Aqua (Tennessee) nach 35 Jahren Dornröschenschlaf zum Leben erwecken wollten. So wurde Carl als Hauptact zur Wiedereröffnung gebucht, „und die Amis finden`s cool, wenn eine Deutsche Country singt“. Als einzige Nicht-Amerikanerin trat sie beispielsweise beim National Cowboy Symposium im texanischen Lubbock auf. Ihr viertes Album „Forward Back Home“ hat sie in einem Studio in Nashville aufgenommen, das von einem ausgewanderten Deutschen betrieben wird. In den nächsten Tagen jettet die vom TV-Magazin Prisma zur besten deutschen Country-Sängerin gekürte Mutter zweier erwachsener Kinder für eine Konzertreise nach Irland. Ob die Besucher der Pubs in Kerry so aufmerksam zuhören, mitsingen und -klatschen wie in Höningen – etwa beim Hit „What`s Up“ von den 4 Non Blondes, bei John Denvers „Take Me Home, Country Roads“ oder bei „Stand By Your Man“ (Tammy Wynette)? Und wenn dann alle gemeinsam aus voller Kehle Leonard Cohens „Hallelujah“ singen, bekommt das in dem altehrwürdigen Gotteshaus eine besondere Note. „Das Ambiente und die Akustik hier in der Kirche sind ein Traum“, schwärmt Jolina Carl und ist sicher, dass es nicht ihr letztes Konzert dort war.

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