Frankenthal Zum Schluss den Rizinusölwalzer

Ein künstlerischer Hochgenuss war die musikalische Schlemmerreise durch das bewegte Leben von Gioachino Rossini, die der Pianist Wolfgang Nieß am Montag im Konzertsaal des Sturmfeder’schen Schlosses in Dirmstein unternahm. Rund 75 Zuhörern brachte er eine ganz andere Seite des italienischen Komponisten mit der imposanten Leibesfülle näher.

„Sünden des Alters“ ist das Spätwerk des Meisters überschrieben, das rund 160 überwiegend unveröffentlichte Klavierstücke mit kulinarischen Bezügen umfasst. Sein virtuos-ausdrucksstarkes Spiel am Bechstein-Flügel würzte Wolfgang Nieß mit höchst amüsanten Anekdoten und geistreichen Zitaten, die Rückschlüsse auf das „hemmungslose Schlemmertum“ Rossinis und seine Schwäche für Trüffel, Gänseleber und Pasta zuließen. Schon der Auftakt – ein Auszug aus der Ouvertüre zu „Wilhelm Tell“ – war furios und offenbarte in den Tempopassagen die exzellente Technik und Fingerfertigkeit des in Gau-Odernheim beheimateten Pianisten. Nicht des Apfels wegen, sondern weil es den Wendepunkt im Schaffen Rossinis markierte, nahm Nieß das Stück in sein Zweistunden-Programm auf. Nach 39 Opern hatte der lebensfrohe Italiener Abschied von den großen Konzertsälen genommen und sich ganz den exquisiten Gaumenfreuden hingegeben. „Ein Tag ohne Austern und Makkaroni ist ein verlorener Tag“ soll Rossini, der eigentlich Metzger werden wollte und schon als Sechsjähriger den Messwein in der Kirche austrank, einmal gesagt haben. Gewissermaßen als Vorspeise aufgetischt wurden von Wolfgang Nieß „Radieschen“ in Form einer Tarantella in schnellem Dreiertakt und „Butter“, mit überraschenden Tempowechseln die unterschiedlichen Verwendungsarten andeutend. Schier aberwitzig war die Geschwindigkeit, mit der der Pianist die voluminösen Akkorde des „romantischen Hackfleischs“ in a-Moll in ihre Einzelteile zerlegte, um danach die „kleinen Erbsen“ regelrecht perlen zu lassen. Er beschrieb Rossinis legendäre Gelage mit zehn Gängen und sechs Grand-Cru-Weinen, bevor er schließlich bei dem Stück „Un sauté“ (Ein Braten) einen im Fortissimo endenden Tastenzauber entfachte. Das Programm schien den Besuchern den Mund wässrig gemacht zu haben, sodass die vom Kulturverein St. Michael liebevoll zubereiteten Pausensnacks im Nu aufgegessen waren. Zum Glück hatte Wolfgang Nieß im zweiten Teil noch einige Köstlichkeiten auf seiner „Speisekarte“. Zunächst die Trockenfeigen, die Rossini seiner Frau zum Frühstück servierte, während er sich bei zwei Eiern und einem Glas Bordeaux genüsslich tat. Als schwungvoller Walzer kamen die der holden Gattin zu Mitternacht gereichten „Mandeln“ daher. Und die Papageiendame des Gourmands wurde mit „Rosinen“ verwöhnt – ein melodiös-tänzerisches Stück mit starken rhythmischen Akzenten. Der im edlen Frack auftretende Künstler skizzierte die vier Elemente von Rossinis komischen Opern mit Essen, Lieben, Singen und Verdauen. Für letztere Körperfunktion erwies sich der „kleine Rizinusölwalzer“ – von Wolfgang Nieß mit spielerischer Leichtigkeit und atemberaubenden Tempo intoniert – als äußerst hilfreich. Das als Zugabe servierte „Butterbrot“ – eine Komposition des fünfjährigen Mozart – war nach dem opulenten Rossini-Menü eher schmale Kost.

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