Frankenthal Ukrainer spielen Russe

Die Philharmonie Kiew unter der Leitung von Mykola Dyadiura gastierte mit dem ukrainischen Pianisten Igor Tchetuev am Mittwoch in Frankenthal. Zu hören gab es Werke des Russen Michail Glinka und der beiden Österreicher Mozart und Bruckner. So richtig geglänzt hat Pianist Tchetuev mit seiner Zugabe des Polen Chopin.

Fällt derzeit das Wort „Ukraine“, denkt man nicht als erstes an Musik. Dennoch gibt es dort gute Musiker, die zu hören sich lohnt. Igor Tchetuev, 1980 in Sewastopol auf der Krim-Halbinsel geboren, gehört dazu. Auf dem Programm in Frankenthal stand Mozarts Konzert für Klavier und Orchester Nr. 14, Es-Dur, KV 449. Der erste Satz ist ein Allegro Vivace, das Dyadiura und das Orchester auch angemessen zügig angingen. Tchetuev ist zwar anzumerken, dass er weit über den technischen Anforderungen des Stücks steht, aber zugleich wird man das Gefühl nicht los, dass er das Pedal eine Spur zu häufig und einen Tick zu lange einsetzt. Will er damit mehr Klang und Resonanz erreichen? Das wäre dann ein interpretatorischer Ansatz – es spräche aber nichts gegen eine etwas deutlichere Artikulation. Im zweiten Satz, dem Andantino, kommt es zu sehr innigen Momenten und man spürt, dass Orchester und Solist hier ihre gemeinsame Wellenlänge gefunden haben. Vollends deutlich wird das im Finale, einem Allegro. Hier wirkt das Klavier präzise und auf den Punkt gebracht. Parallel gespielte Passagen sind stimmig, das bringt das Konzert zu einem überzeugenden Abschluss. Der lange Applaus ermuntert Tchetuev zu einer Zugabe. Der jungenhaft wirkende 34-Jährige setzt sich an den Flügel und spielt Chopins Etüde in F-Dur, op. 10 Nr. 8. Die rechte Hand rast in gebrochenen Akkorden ständig über mehrere Oktaven auf und ab, die linke setzt rhythmische Akzente dagegen. Bei diesem virtuosen Kabinettstückchen fühlt sich Tchetuev sichtlich wohl. Es scheint, als würde er nun befreit aufspielen. Natürlich sind die Zuhörer davon hingerissen. Begonnen hatte das Konzert mit Michail Glinkas Capriccio brillante „La Jota Aragonese“. Anzumerken ist, dass Glinka als einer der Protagonisten eines dezidiert russischen Stils gilt. Sein „Patriotisches Lied“ war von 1990 bis 2000 die Hymne der Russischen Föderation, bis Putin wieder die alte Hymne der Sowjetunion einsetzte. In Frankenthal wurde ein Stück vorgetragen, das Glinka nach einem spanischen Tanz komponiert hat. Der fängt düster an, wendet sich aber schnell zu einem unerwartet heiteren Tanzthema. Die Philharmoniker spielen frisch auf und verfolgen das volkstümliche Thema durch die raffinierten Variationen. Die Schlagwerker klappern die Kastagnetten, Harfe und gezupfte Geigen deuten spanische Gitarrenmusik an. Dirigent Diydiura zeigt hier, wie auch ansonsten, eine angenehm entspannte Art des Dirigierens. Er leitet das 1995 gegründete Orchester seit 1996. Zuvor war er Chefdirigent in Omsk und beim Sinfonieorchester in Seoul. Anton Bruckner nannte seine Sinfonie Nr. 4 Es-Dur „Die Romantische“. Es ist eine der beliebtesten Sinfonien Bruckners. Es gibt viele Motive, die im Gedächtnis bleiben und die im Verlauf wieder kehren. Das war auch alles sehr ordentlich gespielt, von den Hörnen mit den Jagdmotiven bis zu gesanglichen Themen – aber die Komposition bleibt Geschmacksache. Man kann sie langatmig und zerfahren finden. Das aber liegt an Bruckner, nicht an der Philharmonie Kiew.

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