Frankenthal Nibelungen-Festspiele: Durchlauf mit Ersatz-Dietrich

Neben Jürgen Prochnow auch ein Star des Stücks: die Bühne vor der Kulisse des Wormser Doms.
Neben Jürgen Prochnow auch ein Star des Stücks: die Bühne vor der Kulisse des Wormser Doms.

RHEINPFALZ-Sommertouren: „Siegfrieds Erben“ heißt das neue Stück bei den Nibelungen-Festspielen in Worms. Bevor sich gestern der Vorhang für die Premiere hob, hatten zehn RHEINPFALZ-Leser am Donnerstagabend die Chance, bei der Medienprobe einen Blick auf die aktuelle Inszenierung zu werfen.

Selbst erfahrene Festspiel-Mitarbeiter wie Pressesprecherin Iris Kühn können ihre Anspannung nur schwer verbergen. Tags zuvor ist passiert, wovor Theaterleute so große Angst haben: Einer der Hauptdarsteller meldete sich mit Bauchschmerzen. Akute Blinddarmentzündung, sofort Operation. Er hoffe, bald wieder fit zu sein, heißt es. Sechs Wochen harte Probenarbeit sind schließlich ansonsten umsonst gewesen. Statt Felix Rech steht nun jedoch in der Generalprobe Daniel Lommatzsch als Dietrich von Bern auf der Bühne vorm Dom. Erst am Morgen ist er in Worms angekommen. Seitenweise Text musste der 41-Jährige aus Hamburg büffeln. Und der hat es in sich. Die Autoren Feridun Zaimoglu und Günter Senkel erzählen ihre Geschichte in einer archaischen Sprache, die man regelrecht kauen und beißen müsse, wie Brunhild-Darstellerin Ursula Strauss im Interview sagte. Lommatzsch beißt sich durch. Über einen Knopf im Ohr bekommt er in der Medienprobe die Passagen eingeflüstert, die noch nicht ganz sitzen. An der Seite von Hollywood-Star Jürgen Prochnow spielt er den treuen Vasallen des Hunnenkönigs Etzel, als sei er von Anfang an für diese Rolle eingeplant gewesen. Respekt und Bewunderung für diese Leistung auch von den RHEINPFALZ-Lesern. Festspiel-Profis und -Neulinge sind an diesem Abend unter den Gästen der Sommertour. Ihr Urteil über das Stück „Siegfrieds Erben“, das in Worms uraufgeführt wird, ist geteilt. Zu blutrünstig und düster ist es den einen, anderen fehlt insbesondere in der Anfangsszene der Schwung. Der kommt erst, als mit lautem Krach und einer dunklen Staubwolke die graue Trennwand fällt und den Blick auf das eigentliche Bühnenbild freigibt. Husten, Staubklopfen – wer in den ersten Reihen sitzt, sollte nicht empfindlich sein. Die Leistung von Darstellern wie Ursula Strauss als Brunhild, Bruno Cathomas als König Siegmund und Max Pregler als Königsmutter Ute beeindruckt. Star des Stücks ist für die RHEINPFALZ-Leser aber ganz klar Jürgen Prochnow. Immer wieder zeigen die Kameras über die Großleinwände rechts und links der Bühne sein wettergegerbtes Gesicht. Trauer und Rachlust spiegeln sich darin. Doch in der Pause ist ein viel profaneres Problem Hauptgesprächsthema: Wer putzt die Bühne und reinigt die Kostüme denn jeden Abend? Palle Steen Christensen, der dänische Bühnenbildner, mutet den Darstellern eine wahre Schlammschlacht zu. Von den Stufen am Königshof Burgund, deren Goldlack bereits abblättert, rinnt die braune Brühe. In immer größeren Lachen breitet sie sich auf der Bühne aus. Brunhild, Ute und auch Siegfrieds Eltern Siegmund (Bruno Cathomas) und Sieglinde (Karin Pfammatter) scheint das nicht zu stören. Stoisch waten sie durch den Dreck, ihre langen Schleppen und edlen Pelze hinter sich her ziehend. „Wie soll das nur bis zur nächsten Vorstellung wieder sauber und trocken werden?“, fragt sich manch praktisch veranlagter Zuschauer. Das Nibelungen-Festspiel-Theater ist eben ein Spektakel. Dass dahinter harte Arbeit, oft bis zur letzten Minute steckt, diese Erkenntnis nehmen die Sommertour-Gäste von der Medienprobe mit.

Exzessive Mahlzeit: Miguel Abrantes Ostrowski als Priester und Ursula Strauss in der Rolle der Burgherrin Brunhild.
Exzessive Mahlzeit: Miguel Abrantes Ostrowski als Priester und Ursula Strauss in der Rolle der Burgherrin Brunhild.
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