Frankenthal Nette Ney und schottische Rocker

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Kalter Heimweg im Winter

So manches Theatergastspiel und Konzert hat Irene Walter in den 60er-Jahren im Feierabendhaus erlebt. Als Auszubildende bei der Stadt war sie von 1964 bis 1966 im Kulturamt eingesetzt. Vor den Veranstaltungen gehörte es zu ihren Aufgaben, in den Schaukästen an der Stadtbücherei und beim Hauptbahnhof Plakate und Programme auszuhängen. Am Abend selbst verkaufte sie Programmhefte und durfte den Solisten nach dem Auftritt Blumen überreichen. „Darauf war ich sehr stolz“, sagt die heute 65-Jährige. Nebenbei konnte sie so ihr Ausbildungsgehalt aufbessern: 4,50 Mark gab es pro Abend, dazu freien Eintritt. Später wurde der Obolus auf 9 Mark erhöht. „Das war viel Geld für mich“, sagt die Frankenthalerin. Doch besonders im Winter war der Heimweg nachts zu Fuß ins Nordend kalt und weit. Wie viele Frankenthaler war auch Walter zum Abschlussball der Tanzschule Meyer in der „guten Stube“ der Stadt. Selbst am Kurs teilnehmen konnte sie allerdings nicht, „das war zu teuer, außerdem gab es einen Frauenüberschuss“. Doch ihr kräftig grünes Kleid mit Spitze an Kragen und Ärmeln hat sie bis heute aufbewahrt. (soj) Im Keller roch’s modrig „Wenn ich noch eine Karte verkaufe, wird die Veranstaltung geschlossen“ – an diese Drohung der Feuerwehr erinnert sich Rainer Blees noch lebhaft. Riesig war der Ansturm auf den gemeinsamen Auftritt von Liederkranz und Stadtkapelle Frankenthal. 667 Eintrittskarten wurden bis zum Eingreifen der Brandwache am 22. März 1983 verkauft. Blees, der 42 Jahre lang Kassenwart beim Liederkranz war, bezeichnet die Resonanz noch heute als „Sensation“. Die Sänger hätten Stühle aus dem Keller angeschleppt, um alle Besucher unterzubringen. Jedes Mal, wenn der gebürtige Saarländer am Feierabendhaus vorbeifährt, geht sein Blick nach links zu dem kleinen Fenster: „Dort war das Kassenhäuschen.“ Gemeinsam mit seiner Frau Ilse, die später dort Kriegsflüchtlingen aus dem Kosovo Deutschunterricht gab, habe er lange ein Theaterabo im Feierabendhaus gehabt. Auch die Proben des Liederkranzes waren bis zum Umzug in die Pestalozzischule 1973 mehrere Jahre im Keller des Gebäudes. Die Umstände waren allerdings widrig: „Die Decke war niedrig und es roch schrecklich modrig“, erinnert sich Blees. (soj) Die Karte in Ehren gehalten „Ja, es war mein Feierabendhaus“, schreibt Walter Garst, der in Weisenheim am Sand lebt. Viele bewegende Theater-Aufführungen und Konzerte habe er als Heranwachsender in den 50er- und 60er-Jahren dort erlebt. Besonders beeindruckt habe ihn die Begegnung mit Elly Ney, einer der großen Pianistinnen des 20. Jahrhunderts im Mai 1958. Mit einem Klassenkameraden habe er nach dem Klavierabend draußen vor den Stufen des Haupteinganges gewartet. Das Publikum hatte sich schon weitgehend verlaufen. Dann kam die alte Dame in Begleitung heraus, sah die zwei, kam auf sie zu und fragte, ob sie auch im Konzert gewesen seien. Als die Jungen bejahten, griff Ney in ihre Tasche und holte zwei Karten heraus, nur weißer Grund, oben links ein Medaillon mit ihrem Foto-Porträt, sonst nur mit schwarzer Tusche in ihrer Handschrift beschrieben mit Sprüchen von vielen Musikern von Bach bis Albert Schweitzer. „Ich habe die inzwischen etwas vergilbte Karte noch. Sie erinnert mich an die Zeit, als die Veranstaltungen im Feierabendhaus mit zu meinem Erwachsenwerden beitrugen. Erlebnisse, die tief empfunden waren und so gar nichts von dem oberflächlichen Eventcharakter so mancher heutiger Aufführungen hatten“, schreibt Garst. (soj) Gigs in der guten Stube Gerade einmal ein Jahr alt war der Frankenthaler Musiker Alex Hüther beim Auftritt von Elly Ney in Frankenthal. Seine ersten, nach eigener Schilderung noch recht unsicheren Schritte im Feierabendhaus machte der Grabowsky-Gitarrist beim „obligatorischen“ Abschlussball der Tanzschule Meyer. Lieber erinnert er sich jedoch an seine beiden Auftritte auf der dortigen Bühne. Im April 1979 durften McScrooge die gute Stube rocken. Laut Hüther war die ehemalige Schülercombo die erste Frankenthaler Band, die eine Veröffentlichung hatte und dann auch bundesweit auftrat. Die EPs würden unter Sammlern heute hoch gehandelt, weiß der Musiker. „Wie Grabowsky, nur mit Sängerin“ war die Band Alexa, mit der Hüther 1983 zum zweiten Mal im Feierabendhaus auftrat. Vielleicht war Frankenthals gute Stube sogar ein bisschen schuld daran, dass der junge Hüther nun Rockmusiker ist. Immerhin besuchte er dort Anfang der 1970er-Jahre als Teenager mit seiner großen Schwester sein erstes richtiges Rockkonzert. Die schottische Progressive-Rock-Gruppe Beggar’s Opera trat in der Pfalz auf. „Das war damals echt der Hammer!“, erinnert sich Hüther. (soj)

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