Frankenthal Kaum ein Wochenende ohne Schach

Ruhig und ausgeglichen: Dieter Hess.
Ruhig und ausgeglichen: Dieter Hess.

«Lambsheim.» Jugendtrainer, Bezirksjugendleiter, Wertungszahlbeauftragter, Nationaler Schiedsrichter, Landesspielleiter: Es gibt wohl kaum ein Ehrenamt im pfälzischen Schach, das Dieter Hess nicht schon bekleidet hat. Seit 35 Jahren betreibt und lebt der Lambsheimer den Denksport. Im vergangenen Jahr hat er seinen Sohn noch am Tag der Geburt im Schachverein anmeldete. Mit 50 Jahren befindet sich Hess auf dem Höhepunkt seines spielerischen Könnens.

Mit einer fast makellosen Bilanz in der Zweiten Pfalzliga hat Hess zur erfolgreichen Saison der zweiten Mannschaft des SC Lambsheim beigetragen. Auch dank seiner Siegesserie hielt sich das Team konstant im oberen Tabellenbereich. Der Klassenerhalt war für den Aufsteiger früh unter Dach und Fach. Sogar der Aufstieg war zeitweise in Reichweite. Hess hat zum ersten Mal die Schwelle von 1900 DWZ-Punkten überschritten. Die Deutsche Wertungszahl (DWZ) gibt im Schach Auskunft über die Spielstärke. Hess hatte zuvor lange bei etwa 1800 Punkten stagniert. Begonnen hatte alles im Jahr 1982, als sich Hess mit 15 Jahren dem damals noch zum TV Lambsheim gehörenden Schachverein anschloss. „Anders als in anderen Vereinen gaben dort nicht grollende Senioren den Ton an“, erinnert sich Hess. Rasch traf er im Verein auf gleichaltrige Schachbegeisterte. Für den Entwicklungsingenieur hatte die Begegnung mit dem Schachsport auch persönliche Auswirkungen. Von einem eher mittelmäßigen Schüler habe er sich damals in einen wissbegierigen jungen Mann verwandelt, der auf dem zweiten Bildungsweg die Mittlere Reife nachholte und später sogar studierte. „Durch das Schach hat sich damals mit Sicherheit mein Konzentrations- und Lernvermögen stark verbessert“, meint Hess im Rückblick. 1997 trennte sich die Schachabteilung vom TV Lambsheim und begründete den bis heute bestehenden Schachclub Lambsheim. Etwa zeitgleich veränderte sich Dieter Hess beruflich, was ihm deutlich mehr Zeit für sein zeitintensives Hobby einbrachte. „Von zuvor weit über 100 Überstunden im Monat kam ich dank Gleitzeit runter auf null Überstunden“, erzählt der Lambsheimer. „Die freigewordene Zeit habe ich fast komplett dem Schach gewidmet.“ Dieter Hess übernahm das Jugendtraining beim SC Lambsheim und begleitete seine Schützlinge zu einer Vielzahl von Wettbewerben. Durch seine vorbildliche Jugendarbeit aufmerksam geworden, wählte ihn der Schachverband erst zum Bezirksjugend-, dann zum Bezirksspielleiter, später zum Landesspielleiter für die gesamte Pfalz. Fortan blieb kaum noch ein Wochenende schachfrei: „In der Zeit vor der Online-Ergebnismeldung musste ich häufig ganze Sonntage zu Hause verbringen, nur um die Resultate in Empfang zu nehmen“, erinnert sich Hess. „Im Rückblick betrachtet war das manchmal doch etwas zu viel des Guten.“ Nebenbei absolvierte er noch eine mehrstufige Schiedsrichterausbildung, um Mannschaftskämpfe auf Ebene der Bundesliga und hochkarätige Turniere zu leiten. Sein ruhiges und ausgleichendes Wesen führten dazu, dass Hess als Schiedsrichter fast nie in umstrittene Entscheidungen verwickelt war. „Je höher man eingesetzt ist, desto vertrauter sind die Spieler auch mit den Feinheiten der Regeln, vor allem, was die Bedenkzeit angeht“, ergänzt der Lambsheimer. Angesichts des großen Engagements verdankt Hess dem Schach folgerichtig auch eine weitere Wendung in seinem Leben. Über Freundschaftskämpfe mit dem Schachclub Haßloch lernte der Lambsheimer 2014 seine heutige Frau Tanja kennen, selbst Schachspielerin und Mutter einer 13 Jahre alten Tochter, die ebenfalls Schach spielt. „Als wir zum ersten Mal miteinander telefoniert haben, dauerte das Gespräch neun Stunden – von neun Uhr abends bis sechs Uhr morgens“, erinnert sich Tanja Hess. „Am nächsten Tag ist Dieter dann praktisch bei uns eingezogen.“ Dem Umzug in die gemeinsame Wohnung nach Ludwigshafen-Ruchheim folgte im Sommer 2016 die Hochzeit, im März 2017 kam der gemeinsame Sohn Florian Alexander zur Welt. „Dieter hat ihn noch aus dem Kreißsaal heraus beim Schachclub Lambsheim angemeldet“, berichtet Tanja Hess. „Mit ausgefüllten Formularen für mehrere mögliche Geburtstermine.“ Der zu diesem Zeitpunkt mutmaßlich jüngste Schachspieler Deutschlands hat zwar noch keinen Zug gespielt, bei seinem Vater sollte dies aber nur eine Frage der Zeit sein. Sein ehrenamtliches Engagement hat Hess mittlerweile aus Rücksicht auf seine Familie etwas zurückgefahren. Er ist aber immer noch regelmäßig im Einsatz, etwa beim Pfälzischen Schachkongress. Ehefrau Tanja weiß wohl, dass sie daran so schnell nichts wird ändern können: „Wenn bei einem Turnier alle sitzen und nur noch einer herumschwirrt, kann man sicher sein, dass es Dieter ist.“

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