Frankenthal „Ein bisschen Gott sein“

Herr Regener, erinnern Sie sich an dieses Zitat: „Der Sänger soll mal lieber wieder Trompete spielen und nicht versuchen, Bruce Springsteen und Bob Dylan nachzumachen.“

Das stammt aus einer Kurzbesprechung der „taz“ unseres allerersten Auftritts 1985. Wir waren damals in diesem Postpunk-Umfeld in Westberlin unterwegs. Da war das als Beleidigung gemeint. In den 1980ern galt Bob Dylan ja als extrem uncool. Mit ihm und Springsteen verglichen zu werden, war der Versuch, die Band schwer zu treffen. Auch Johnny Cash galt lange als uncool, bis das in den 1990ern mit Produzentenpapst Rick Rubin umschlug. Genau! Das ist ganz normal. Es kann schon mal passieren, dass man im Rock’n’Roll zehn oder 15 Jahre draußen ist. Da muss man durch. Hattet ihr diese Phase auch? In der zweiten Hälfte der 1990er-Jahre gab es einen kleinen Durchhänger. Die Band stagnierte ein bisschen. So von 1995 bis 2004. Da waren wir etwas raus aus dem Fokus. Wie kam das? Ich kann das gar nicht weiter deuten und weiß auch nicht, ob das überhaupt was zu bedeuten hatte oder es einen speziellen Grund gab. Wenn du das 30 Jahre lang machst, hast du einfach nicht immer die gleiche Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Ist ja auch klar. Aber spätestens seit „Mittelpunkt der Welt“, dem Album von 2005, läuft es wieder super. Jetzt haben Sie eine EP mit vier Songs aufgenommen und veröffentlicht. Wie sieht es mit einem neuen Album aus? Ich habe eigentlich immer Lust, an einer neuen Platte zu arbeiten. Ich bin wahnsinnig gerne im Studio und nehme neue Songs auf. Aber davor hat der liebe Gott nun mal das Songschreiben gesetzt. Wir arbeiten gerade an einer Box mit unseren ersten sieben LPs auf Vinyl. Im April kommt die Tournee und im Sommer haben wir noch einige Sachen. Aber dann können wir uns schon langsam mal überlegen, wie es weitergeht, wie die nächsten Songs aussehen könnten. Aber vielleicht ist es auch gut, sich damit etwas Zeit zu lassen, wenn man schon so viele Langspielplatten rausgebracht hat. Sich genau zu überlegen: Was möchte ich dem noch hinzufügen? Sie sind ja nebenbei auch noch Buchautor. Beeinflussen sich Romane und Songs eigentlich gegenseitig? Songtexte schreibe ich zur Musik. Die ist immer zuerst da. Den Büchern liegen eine tragfähige Idee und ein tragfähiger Charakter für die Erzählperspektive zugrunde. Ich bin ganz schlecht darin, Dinge miteinander zu vermischen. Man darf ja nicht vergessen, dass ich als Musiker Teil einer Band bin. Beim Schreiben bin ich ganz alleine. Songtexte sind schon etwas sehr anderes als Romane. Bei Filmmusik ist es wieder anders. Da hat man eine Geschichte, nimmt daraus bestimmte Aspekte – eine gute Vorgabe für den Songtext. Bei den normalen Element-of-Crime-Platten haben wir das nicht. Die schöpfen wir aus dem Nichts. Das ist ja das Komische. Man hat die Musik, die Melodie und man hat das Gefühl, da ist ein Text drin, man muss ihn nur finden. Und wie finden Sie ihn? Wenn ich das wüsste. Man hat diese Melodie im Kopf, hört sie so lange, bis sich irgendwann irgendwelche Wörter aufdrängen. Sätze, Geschichten, ein Bild – irgendwas. Meistens geht das sprachlich, über bestimmte Wörter oder einen Satz. Ein bisschen wie beim Angeln. Mal beißt einer an, mal beißt keiner an. Jackson Browne meinte einmal, die fertigen Lieder seien alle schon da, irgendwo, man müsse nur den Zugang zu ihnen finden… Genau so ist es! Du hast diese Melodie, und die gefällt dir richtig gut und du denkst: Mann, dafür möchte ich jetzt unbedingt einen Text haben. Und ich habe immer dieses Gefühl: Der ist da irgendwo. Ganz seltsam. Wenn man es erklären könnte, könnte man mehr machen. Wie sind Sie denn so drauf, während Sie schreiben, beispielsweise an einem Roman? Ein bisschen zauselig, etwas zerstreut. Weil man das natürlich auch die ganze Zeit mit sich rumträgt. Du bist ja nicht einfach nur drin in dem Roman, du bist ja ein bisschen Gott, wenn du schreibst. Du kannst die Leute so oder so handeln lassen, kannst sie sterben lassen, du kannst irgendwelche Dinge passieren lassen. Das ist ja das Faszinierende daran. Diese Welt zu haben, in der du der absolute Bestimmer bist. Nur du weißt, was als Nächstes passiert. Anders als in einer Band. Würde Sie ein Soloalbum nicht reizen? Bis jetzt nicht. Wenn der Sänger einer Band ein Soloalbum macht, ist die Band eigentlich so gut wie tot. In der Regel ist das das Ende der Band. Jedenfalls wird sie dadurch stark geschwächt und verletzt. Wenn der Schlagzeuger oder Bassist das macht, ist es was anderes. Aber der Sänger? Die einzige Ausnahme war wohl Mick Jagger. Wahrscheinlich, weil das gar keiner gemerkt hat. Die Stones sind ja eh unverwüstlich. Die Band ist ein so großer Mythos, eine so große Legende. Da ist das wahrscheinlich auch egal. Aber sonst steht die Band da schon mit einem Bein im Grab. Meine Band reicht mir vollkommen. Mit Element of Crime Musik zu machen, lässt mir nichts zu wünschen übrig. Sie sagten einmal: „Solange hinter dem letzten Lied irgendwo ein nächstes lauert, kann man weitermachen.“ Lauert da noch was? Ja, für die EP haben wir ein neues Lied geschrieben. Bei Element of Crime geht noch was. Ich weiß es! Ich habe bei der Band ein gutes Gefühl, weil sie noch sehr lebendig ist. Ich denke, dass es sie noch eine Zeit lang geben wird. Die Aufnahmen für die neue EP haben wahnsinnig viel Spaß gemacht. Das hört man auch. Es gibt nichts Besseres, als Rock’n’Roll zu machen. Termin Sven Regener tritt mit Element of Crime am Samstag, 9. April, 20 Uhr, im Mannheimer Capitol auf.

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