Frankenthal Die Kunst des Weglassens

Der wortlosen Kunst Pantomime hat sich das Ehepaar Birgit und Jürgen Höhn vor 30 Jahren verschrieben. Zu Anfang als He & She, seit Ende der 1990er-Jahre steht Jürgen Höhn als Mister He solo auf der Bühne. Beide geben gemeinsam Workshops für Kinder und Erwachsene.

Auch eigentlich tröge politische Vorgänge, etwa die Fusion von Gemeinden, setzen sie mit Mimik und Gestik um. Zuletzt haben Birgit und Jürgen Höhn, die im rheinhessischen Gundheim bei Westhofen leben, den Start des Projekts „Museobilbox – Museum zum Selbermachen“ des Wormser Nibelungenmuseums begleitet. Im Rahmen des Bundesförderprogramms „Kultur macht stark“ wurde die Museobilbox vom Bundesverband Museumspädagogik initiiert – und vom Nibelungenmuseum aufgegriffen. Idee war, die Nibelungensage pantomimisch zu erzählen. Das Ehepaar Höhn leitete diesen fünftägigen Workshop für zwölf Schüler zwischen zehn und 13 Jahren des Förderzentrums Geschwister-Scholl-Schule. „Für das Spiel ohne Worte mussten sich die Kinder erst einmal mit einem Stück Weltliteratur auseinandersetzen“, berichtet Birgit Höhn. „Wir haben das Museum und die Figuren gemeinsam spielerisch entdeckt.“ Die reine Technik der Pantomime – etwa der Kampf mit dem Schwert („Schwingen, stechen, sterben“, so Höhn) oder die Jonglage wurden auf ein Minimum beschränkt. „Pantomime ist die Kunst des Weglassens. Dazu braucht es viel Körperbeherrschung und Disziplin“, sagt Birgit Höhn. Wenn Kinder immer wieder an grundlegende Dinge erinnert würden, verlören sie schnell die Lust. „Deswegen wählen wir Wissensvermittlung kombiniert mit Spaß“, erklärt die Pantomimin. Sie liebt es, mit Kindern und Jugendlichen zu arbeiten. „Neben all dem, was die Kinder schulisch leisten, brauchen sie Felder, um sich auszudrücken.“ Auch gelte es, Kinder, die vielleicht durch ihr Umfeld nicht den Zugang zu Kulturangeboten haben, heranzuführen an Ausdrucksformen wie Theater, Tanz, Jonglage und Schwellenängste vor Lesungen, Theater oder Museen zu nehmen. „Wir legen Wert darauf, dass sich die Kinder selbst entdecken“, betont Höhn. Die Pantomime sei eine ideale Möglichkeit, ohne Requisiten, ohne Investitionen und nur durch Bewegung, Mimik, Gestik und mit viel Fantasie Geschichten zu erzählen. Voraussetzungen brauche es keine. Es genügten Neugierde und Interesse. Dass sie sich einmal der Regie, dem Schauspielunterricht und dem Ziel, „die Kunst an den Nachwuchs weiterzugeben“ widmen werde, das hat Birgit Höhn vor 30 Jahren nicht geahnt. Es war in den 1980er-Jahren, als das Ehepaar eher zufällig in einen Pantomimekurs von einem Absolventen der Schule des Internationalen Theaters von Jacques Lecoq geriet. „Das war die perfekte Grundlage.“ Heute verfügt das Paar über einen großen Wissensschatz. Unter anderem für die Weiterentwicklung des Zeitlupenlaufs Marcel Marceaus wurde Jürgen Höhn 2011 vom Internationalen Fachverband Show und Unterhaltungskunst als „Künstler des Jahres“ ausgezeichnet. Erstmals auf der Bühne stand das Paar 1987 beim Wormser Pfingstmarkt, damals sei das Duo He & She geboren worden. Ein Auftritt, dem ohne jede Werbung die nächsten Angebote folgten, was die Entscheidung zwischen Beruf und Hobby zugunsten der Kunst leicht machte. „Wir haben diesen Schritt nie bereut, ein unglaubliches Künstlerleben hat sich aufgetan mit vielen Veranstaltungen, vielen Reisen, wir haben viel von der Welt gesehen, viele Erfolge erreicht“, sagt Birgit Höhn. Bis ein anderer wichtiger Schritt Ende der 1990er-Jahre anstand: die Familienplanung. Der heute 57-jährige Jürgen Höhn forcierte sein Soloprogramm als Mister He – ob als komplettes Showangebot oder Animation bei Festen, ob singend, parodierend oder mit pantomimischen Glanzstücken. Ob lebende Schaufensterpuppe, Michael Jacksons Moonwalk, Boris Beckers Habitus oder Kampf, Scheitern und Sieg des Marathonläufers – wichtig sei es, den Punkt zu erreichen, an der die Täuschung oder Parodie perfekt ist. „Das ist einfach und schwer zu gleich: Es gilt, gut zu beobachten und hinzuschauen, typische Merkmale herauszuarbeiten, in gewisser Weise auch zu überzeichnen.“ (cei)