Frankenthal Blick ins Erinnerungsalbum

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Clubkonzert im Landhaus-Ambiente: Zur zweiten Auflage seiner Veranstaltungsreihe „Singer and Songwriter’s Talk & Play at Frankie’s Heartbreak Hotel“ lud Sänger Achim Degen am Samstag seinen alten Weggefährten Markus Tiedemann ins Frankenthaler Weinhotel Wagner ein. Der Live-Gig begeisterte rund 60 Musikfreunde mit Coversongs, eigenen Erfolgstiteln sowie neuesten Produktionen der beiden.

Mit zwei anspruchsvollen Songs in A-Moll eröffnete Degen das Konzert. Seine eindringliche Version des 1969 geschriebenen Klassikers „The Days of Pearly Spencer“ von David McWilliams ließ ebenso aufhorchen wie ein fast vergessenes Frühwerk der späteren Discosound-Mitbegründer Bee Gees. In „New York Mining Desaster 1941“ verarbeiteten die Gibb-Brüder noch ohne Kopfstimme und Hechelvibrato ein US-amerikanisches Katastrophen-Szenario. Mit zwei neuen Stücken machte Markus Tiedemann neugierig auf sein aktuelles Projekt „Sundog and The Homesick Pack“. Gemeinsam mit dem Schlagzeuger und ehemaligen Frankenthaler Jürgen Friesenhahn, der heute im Ruhrgebiet lebt, ist im Frühjahr 2016 ein neues Album geplant. Darin zeigt sich Tiedemann einmal mehr als differenziert beobachtender Geschichtenerzähler. In „Traces And Remains“ findet er zärtliche Worte für den Wandel des Industriemolochs Ruhrgebiet, im autobiografischen „Row“ huldigt er der Bewegung als Überlebensprinzip, und im countrylastigen Up-Tempo-Song „Home“ seziert er den Segen und Horror häuslichen Zusammenlebens gar nicht mal unsympathischer Spießer. Zwischen den Sets schwelgten Degen und Tiedemann in Erinnerungen aus 30 Jahren Musikerleben. Da waren die Anfänge 1986 als Coverband in Ladenburg, die ersten eigenen Songs, der schnelle Erfolg, der das Hobbyprojekt Six Was Nine in die Profiliga und auf die Bühnen der Welt katapultierte. Ihren frühen Trip nach London ließen die beiden ebenso aufleben („eine Woche Jugendherberge, drei Plattenfirmen täglich“) wie die Münchner Zeit, ihre internationalen Erfolge und Auszeichnungen als beste Newcomer-Band: „Der Echo steht heute bei meinen Eltern im Flur“, verriet Achim Degen. Zwischen eigenen Titeln und Anekdoten öffneten die beiden immer wieder ihr Erinnerungsalbum. Und sie verpassten Songklassikern wie „It’s All Over Now Baby Blue“ in der Van-Morrission-Version oder „Yellow Submarine“ und „Get Back“ von den Beatles ihren eigenen Stempel. Ein Wiederhören der besonderen Art gab es auch mit seltenen Songs aus der Anfangszeit der BASF-Magnetbänder, der guten alten Musikkassetten. Dafür hatten Degen und Tiedemann tief im Archiv gewühlt und das funkige „Never I’ll Forget“ aus ihrer Zeit als Band Spellbush Gant sowie den Six-Was-Nine-Klassiker „Let It Come Your Way“ ausgegraben und neu interpretiert. Auch „Karma Boomerang“ und „Turning Wheel“ klangen cool, abgeklärt und eindringlich dank ausdifferenzierter Stimmen zur fein ziselierten Akustik-Gitarre. In Degens und Tiedemanns Liedern scheint das Prinzip Bewegung als Lebensimpuls im Vordergrund zu stehen, und so durfte nach dem Roadsong „Streetcar Named Desire“ natürlich auch der Six-Was-Nine-Erfolgstitel nicht fehlen: Ihr „Drop Dead Beautiful“ ließen die beiden Profimusiker selbst nach 30 Jahren noch frisch, unverbraucht und originär klingen. Sehr zur Freude des Publikums, das nur allzu gerne in den Chor einstimmte. Die Reihe „Singer and Songwriter’s Talk & Play“ wird fortgesetzt. Dafür will Achim Degen am 9. Oktober und 13. November weitere Musikerkollegen ins Weinhotel Wagner einladen.

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