Frankenthal Abschluss nach Maß

Friseurin? Nö. Erzieherin? Nein, danke. Jeanette Schön wollte nie in einen klassischen Frauenberuf. Seit Januar ist die 22-Jährige ausgelernte Zerspanungsmechanikerin bei Siemens in Frankenthal. In der Blaumannwelt hat die Bobenheim-Roxheimerin den Jungs gezeigt, was sie kann. Sie schloss ihre Ausbildung als Jahrgangsbeste ab. Mit Note 1. Schön fühlt sich wohl unter Männern. Und liebt ihre Arbeit.

Die Fertigungshalle der Siemens ist eine Suppenküche. Die Luft ist schwül, es riecht nach erhitztem Metall und Schmiermitteln. Auf einem ölverschmierten Stahlrondell kniet Jeanette Schön. Sie prüft mit einem Tiefenmesser, ob die Fräsmaschine an dem Turbinenteil, das etwa so groß ist wie ein Traktorreifen, genau gearbeitet hat. Im Januar hat die 22-Jährige ihre dreieinhalbjährige Ausbildung als Zerspanungsmechanikerin bei Siemens abgeschlossen. Als Jahrgangsbeste. „Sie hatte den Mut, in eine Männerdomäne zu gehen. Und hat gezeigt, was sie kann. Den Jungs tut es weh, wenn eine Frau besser ist als sie“, sagt Timo Schumacher mit freudigem Unterton. Er ist der Ausbildungsleiter bei Siemens in Frankenthal. Für Jeanette Schön kam nie ein Klischeearbeitsplatz in Frage. „Ich habe mir ein paar Frauenberufe während der Schulzeit angeschaut, aber es hat mich keiner angesprochen“, sagt die Gesellin mit dem zurückhaltenden Lächeln. Überhaupt passt die Bobenheim-Roxheimerin nicht in die Stereotypenkiste. Pumps trägt sie nicht, mit Barbiepuppen hat sie nie gespielt und Schminken ist gar nicht ihr Ding. „Ich bin eine Praktikerin. Mein großer Bruder hat Elektriker gelernt, mein kleiner Bruder ist Schlosser. Das Handwerk liegt in unserer Familie“, sagt sie. Schon als Kind habe sie mit ihrem Vater in der Garage gewerkelt, Technik habe sie immer interessiert. Wie lebt es sich in einer Männerwelt? „Ich verstehe mich mit vielen Kollegen sehr gut. Manche sagen zwar manchmal, dass ich einen Frauenbonus habe, aber das ist eher witzig gemeint“, sagt Schön. Sie sei eh ganz unvoreingenommen in die Ausbildung gegangen, habe sich über einen möglichen Geschlechterkonflikt keinerlei Gedanken gemacht. Doch es gab auch mal Machogerede. „In der Ausbildungsklasse wurden manchmal dumme Sprüche gemacht, weil ich ein Mädchen bin. Das habe ich aber ignoriert. Bei Siemens gab es das nie“, sagt Schön, die wie ihre männlichen Kollegen einen blauen Zweiteiler bei der Arbeit trägt, der an ihr jedoch etwas überdimensioniert aussieht. „Für Frauen gibt es keine extra Kleidung. Wobei ein anderer Schnitt vielleicht nicht schlecht wäre“, meint sie. Wir sitzen mittlerweile in einem kleinen Besprechungsraum im Bürogebäude der Siemens. Dafür, dass Schön seit fünf Uhr auf den Beinen ist, sieht sie ziemlich frisch aus. Keine Augenringe. Die 22-Jährige arbeitet Schicht. Mal früh, mal spät. Mal in der Nacht. An ihrem Hals ist ein tätowierter Violinschlüssel zu erkennen. „Ich liebe tanzen. Rumba oder Tango. Eigentlich alle Standardtänze. Deswegen das Tattoo“, sagt sie und lächelt wieder zurückhaltend. Privat liebt sie Tiere. Ihre Mischlingshündin Lara und ihr Pferd Rike. „Beim Reiten fühle ich mich frei, und beim Hund ist es immer so schön, dass er sich freut, wenn ich nach Hause komme.“ An ihrem Job fasziniert Jeanette Schön, dass man aus rohem Material etwas formen kann. Und zu ihrem Beruf des Zerspanungsmechanikers, auf den sie bei einer Ausbildungsmesse gestoßen ist, passe ihr Interesse an Mathematik. „Das hat mir schon immer Spaß gemacht.“ Nun hofft sie auf eine unbefristete Stelle bei Siemens. „Ich möchte gerne hier bleiben, weil ich mich wohlfühle.“ Die Zeit ist um. Schön verabschiedet sich mit einem zurückhaltenden Lächeln. Und geht dort hin, wo sie gerne ist: zu ihrer Arbeit.

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