Frankenthal „Wir proben den Schulterschluss“

Unbesorgt feiern? Hohe Sicherheitsauflagen sind eine Herausforderung für Clubs, sagt Felix Grädler.
Unbesorgt feiern? Hohe Sicherheitsauflagen sind eine Herausforderung für Clubs, sagt Felix Grädler.
Herr Grädler, Sie beklagen eine große Fluktuation in der Clubszene. Gab es nicht schon immer viel Bewegung? Manche Clubs existieren Jahrzehnte, viele öffnen und schließen wieder, ziehen um oder wechseln den Betreiber.

Es stimmt schon, dass es schon immer Fluktuation gab, dass Clubs auf- und zugemacht haben. Das Problem ist jetzt aber, dass viele Läden zumachen und keine neuen mehr öffnen. Oder, dass viele immer ganz knapp vor der Schließung stehen. Oder, dass sie aus wirtschaftlicher Not auf Masse setzen und weniger auf qualitative Angebote. Was meinen Sie damit genau? Mainstreampartys wie eine „Ladys Night“ oder Firmenpartys bringen unter Umständen mehr Geld als eine künstlerisch wertvolle Live-Musik-Veranstaltung. So halten sich viele Clubs über Wasser. Das Geschäftsmodell Live-Konzerte allein funktioniert nicht mehr? Ja, aus verschiedenen Gründen. Bis vor etwa zehn Jahren haben Künstler mit dem Verkauf von CDs Geld verdient und diesen Verkauf mit einer Tour unterstützt. Heute muss das Geld durch die Tour erwirtschaftet werden, was zu ganz anderen Gagen geführt hat. Eintritte und Getränkepreise sind nicht weiter steigerbar, das akzeptiert das Publikum nicht. Dazu kommen ganz neue Herausforderungen für Veranstalter und Club-Betreiber. Welche? Seitdem es auf einer Großveranstaltung in Duisburg Tote gab (der Love Parade 2010, Anm. der Red.), werden Themen wie Fluchtwege, Fluchtwegbeleuchtung, Sprinkleranlagen und so weiter viel härter kontrolliert. Das ist auch gut und richtig. Sicherheit muss sein. Aber was da in Neubauten oder bestehende Gebäude alles investiert werden muss, schießt teilweise doch übers Ziel hinaus. Dazu kommen eine große Bürokratie durch Mindestlohn- und Arbeitszeiterfassungsgesetze und hohe Versicherungsbeiträge, die den Betrieb zusätzlich belasten. In der Realität sieht die Situation ganz anders aus als das Klischee vom Sportwagen fahrenden Clubbetreiber. Sie schlagen ein Subventionsmodell vor. Funktionieren die Gesetze der Marktwirtschaft für Ihre Branche nicht? Es geht um eine kleine finanzielle Unterstützung. Vor allem geht es uns aber darum, dass Kommunen und Wirtschaftsunternehmen eines anerkennen: Qualitativ hochwertige kulturelle Angebote sind Standortfaktoren bei der Suche nach den besten Köpfen und müssen deswegen in ihrem eigenen Interesse sein. Wie soll das von Ihnen vorgeschlagene Fördersystem genau funktionieren? Wir schlagen einen Fördertopf vor, in dem mindestens 150.000 Euro sind, bereitgestellt von Kommunen oder Unternehmen. Dieses Geld soll auf die Veranstaltungswirtschaft verteilt werden. Und wie? Es gibt verschiedene Möglichkeiten. Wir haben uns für eine entschieden, die uns gerecht, transparent und wenig aufwendig erscheint: dass das Geld nach einem bestimmten Schlüssel entsprechend der Abgabe verteilt wird, die jeder Club an die Gema bezahlen muss. Wer soll profitieren? Jeder, der Live-Events veranstaltet. Wobei die Definition da nicht zu eng sein darf. Für uns zählen dazu auch DJs, die künstlerisch tätig sind – die also nicht nur ein Lied nach dem anderen abspielen. Eine Studie, die wir für 2018 planen, soll unter anderem ermitteln, für wen unser Förderkonzept in Frage kommen würde. Was vermuten Sie? Ich schätze die Zahl der Clubs und Veranstalter in der Metropolregion Rhein-Neckar irgendwo zwischen 50 und 100. Wie viele Mitglieder hat Ihr Verband? 15. Auch aus Ludwigshafen? Ja, das Loft. Gerade Ludwigshafen, eine Stadt mit vielen Arbeitsplätzen, könnte sich bei dem Thema Kultur- und Kreativwirtschaft noch mehr engagieren. In Mannheim passiert da schon einiges, und Heidelberg ist ohnehin recht gut aufgestellt. Eines fällt mir übrigens immer auf: Das Line-up beim Ludwigshafener Stadtfest ist weit und breit das beste. Gibt es Solidarität in Ihrer Branche? Natürlich sind wir Konkurrenten. Aber früher wurden sehr viel mehr die Ellenbogen eingesetzt. Als vor fünf Jahren die Gema die Abgaben um bis zu 500 Prozent erhöhen wollte, war ein gemeinsamer Feind ausgemacht – der gar kein Feind ist. Aber seitdem proben wir jedenfalls den Schulterschluss. Zur Person Der 33-jährige Felix Grädler ist einer von zwei Geschäftsführern der Halle 02 in Heidelberg. Er ist zudem Vorsitzender des Verbands Eventkultur Rhein-Neckar und sitzt für die Grünen im Heidelberger Gemeinderat. | Interview: Nicole Sperk

Felix Grädler
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