Frankenthal Subtil, schwermütig, sarkastisch

Bot einen kurzweiligen Chansonabend: Rebecca-Madeleine Katz.
Bot einen kurzweiligen Chansonabend: Rebecca-Madeleine Katz.

Die Gedichte von Heinz Erhardt haben Kultstatus. Mit ihrer Mixtur aus subtilem Humor, leichtem Sarkasmus und schwermütig-morbiden Anwandlungen können sie auch in gesungener Form begeistern. Den Beweis erbrachte Rebecca-Madeleine Katz am Samstag bei einem kurzweiligen Chansonabend des Sieben Mühlen Kunst- und Kulturvereins in der Rheinmühle Großkarlbach.

Alexander Katz, Vater der sympathischen Sängerin und begnadeter Jazz-Posaunist, hatte vor anderthalb Jahren den Ehrgeiz, einen Teil der literarischen Ergüsse des Komikers zu vertonen – nicht gerade ein leichtes Unterfangen, basieren die meist sehr kurzen Gedichte von Heinz Erhardt doch auf Wortspielen und verdrehten Redewendungen. Herausgekommen sind schnell ins Ohr gehende Melodien, die stilistisch dem Jazz und Swing der 1930er- und 1940er-Jahre nachhängen und mit klanglicher Vielfalt punkten. Und weil manche Strophen im Original nur aus wenigen Zeilen bestehen, bediente sich der Komponist häufig eines füllenden instrumentalen Zwischenspiels, dem dann die Wiederholung des Textes folgte. Auch wenn der Unterhaltungskünstler mit der dicken Hornbrille schon fast 20 Jahre nicht mehr unter den Lebenden weilt – an Aktualität haben einige seiner Gedichte nichts verloren. Fast schon visionär reimte er: „Da wurde es selbst Zeus ganz klar, wie uneinig Europa war.“ Und zu „Kreuz und quer“ – einer kritische Rückblende in die Zeit der Ritter und Kreuzzüge – stellte Alexander Katz als Autor eines Epilogs einen zeitgenössischen Bezug zu Irak-Krieg, Islamischem Staat und dem durch die Flüchtlingswelle ausgelösten Rechtsruck in der Gesellschaft her. Doch war beileibe nicht alles politisch bei dem zweistündigen Programm. Für die rund 60 Zuhörer – überwiegend im reiferen Alter – gab es reichlich Gelegenheit zum Schmunzeln und Lachen – etwa beim Apfelschuss von Wilhelm Tell, dessen Pfeil einen Wurm durchbohrte. Oder bei der treffenden Milieustudie eines Männergesangvereins, bei dem über dem Singen das Essen und Trinken steht. Dabei überzeugte Rebecca-Madeleine Katz nicht nur durch ihre wandlungsfähige Stimme, sie entwickelte auf der kleinen Bühne zudem schauspielerische Qualitäten, gab sich spontan und locker. In dem Jazz-Pianisten Martin Giebel hatte die 37-Jährige einen souveränen Begleiter, der die rhythmischen Feinheiten der Songs – etwa bei der Boogie-Woogie-Ode auf die Kunst des Trinkens – professionell auskostete. Tierisches Vergnügen bereitete die in Stuttgart geborene Sängerin mit der „polyglotten Katze“, die mit Fremdsprachenkenntnissen gesegnet ist. Und auch mit der tiefgefrorenen Weihnachtsgans, die man einfach zum Fressen gern haben muss. Ein weiteres Erhardt-Bonmot: Wer sein Kind Mauritius nennt, braucht sich nicht zu wundern, wenn aus dem Mädchen eine Marke wird. Einige der weniger bekannten Gedichte – in der Machart an Erich Kästner und Joachim Ringelnatz erinnernd – hinterließen im Publikum recht nachdenkliche Mienen. „Die letzte Bitte“ verbreitete ein wenig Endzeitstimmung. Und bei der Ballade „Fünfzig Pfund“ dominierte die Schwermut. Da bedurfte es eines Aufhellers, den Rebecca-Madeleine Katz mit dem Erlkönig lieferte: „Der Knabe lebt, das Pferd ist tot.“ Beim schmachtenden Liebeslied „Das Fenster“ schwang sie sich eine schwarze Boa um den Hals und ging mit einem Herrn in der ersten Reihe auf Tuchfühlung. „Noch’n Gedicht“ – der lange Applaus animierte zu mehreren Zugaben. Ein Hoffnungsfunke blitzte bei Erhardts „Weihnachten 1944“ auf: „Vielleicht gibt’s doch noch richtigen Frieden auf Erden – vielleicht grade jetzt – aber wo?“ Und wer noch immer nicht genug hatte: Am 14. Juli stehen Vater und Tochter Katz bei der langen Nacht des Jazz in der Rheinmühle wieder auf der Bühne.

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