Zellertal Wie Grundschüler sich in gefährlichen Situationen wehren können

In spielerischen Situationen lernen die Kinder im Selbstbehauptungskurs, sich zu wehren.
In spielerischen Situationen lernen die Kinder im Selbstbehauptungskurs, sich zu wehren.

Selbstbehauptung zu lernen ist schon für die Kleinsten wichtig. Deswegen haben Kitakinder und Grundschüler mit Marc Wagner von den Vikings Muay Thai Marnheim geübt. Dabei spielen Superkräfte eine ganz besondere Rolle.

„Halt, fass mich nicht an“, rufen die Kinder und strecken den Arm vor. Je früher Kinder lernen, sich selbst zu behaupten, desto besser. Deswegen hat Marc Wagner von den Vikings Muay Thai Marnheim zusammen mit seinem Verein ein spezielles Selbstbehauptungskonzept entwickelt. „Wir haben den Bedarf im Verein gesehen, dass viele Kinder unter zwölf Jahren doch wenig Selbstbewusstsein gezeigt haben und Mimik und Gestik nicht richtig lesen konnten. Da wollten wir sensibilisieren.“ Eine Bambinigruppe in Enkenbach wurde unterrichtet, dann die ersten Kitas. Am Montag war er mit zwei Begleiterinnen in der Grundschule Zellertal.

Ganz spielerisch wird das Thema angegangen. Die Grundschüler laufen in einem Bereich hin und her, der immer kleiner gezogen wird, bis sie ganz dicht beieinander stehen. Was unter Freunden vielleicht noch recht kuschelig ist, wird bei Fremden schnell unangenehm. So bekommen die Kinder beigebracht, dass sie ihren persönlichen Bereich haben, bei dem sie frei entscheiden, wer ihn wann betreten darf. Als Nächstes lernen die Kinder ihre Superkräfte kennen: beispielsweise Sehen, Hören und ihre Stimme. Sinne, die jeder hat. Wer sie als Superkräfte nutzt, kann Situationen schnell richtig einschätzen und sich auch wehren, wenn es ernst wird.

Was tun, wenn mich ein Fremder anspricht?

Für Grundschulleiterin Kerstin Becker ist diese Aktion „toll, weil die Kinder eine Grundausrüstung kriegen, wie sie in bestimmten Situationen, mit denen sie nicht gerechnet haben, reagieren können“. Das Thema sei ihr gerade aufgrund der Geschehnisse in den vergangenen Wochen sehr wichtig, auch wenn sie da niemandem Angst machen wolle. Für Wagner, der an diesem Tag zum ersten Mal das Programm bei Grundschülern gezeigt hat, stehen die Themen Prävention und Sensibilisierung im Vordergrund, „damit die Kinder erkennen, wo die Gefahr liegt, und Hilfestellungen zur Hand haben“. Immer mit dabei ist auch der Teamgedanke. Zum Beispiel werden die Grundschüler von einem „Wolf“ verfolgt und müssen zusammen über einen Kasten klettern.

Neben Grundschülern sind auch die Vorschulkinder der Kitas Albisheim, Biedesheim, Einselthum und Zellertal dabei. Sie lernen ebenfalls, wie wichtig es ist, laut zu sprechen und klar die Grenzen aufzuzeigen. Denn ein Experiment, bei dem ein Betreuer einen Fremden spielt und die Kinder weglockt mit der Bitte, ihm bei etwas zu helfen, zeigt, dass doch viele einfach mitgehen würden, ohne es zu hinterfragen. „Wir waren jetzt schon in drei Kitas und haben beobachtet, dass das auf circa 50 Prozent der Kinder zutrifft“, berichtet Wagner. Natürlich seien hier die Umstände etwas anders als im realen Leben. Dennoch wird den Kindern im Selbstbehauptungskurs verständlich gemacht, dass sie mit fremden Menschen nicht mitgehen dürfen, laut rufen sollen und sich dabei auch untereinander helfen können.

Thema präsent halten

„Ich bin erstaunt, wie gut die Kinder mitgemacht haben, auch wenn manche zwischendurch etwas verunsichert waren“, sagt Marianne Benning, Leiterin der Kita Zellertal. „Sie haben sich alle mutig gezeigt. Das ist eine gute Vorbereitung auf die Schule, wo es dann nicht mehr so einen festen Bereich wie im Kindergarten gibt.“ Benning rechnet damit, dass die Übungen in den nächsten Tagen nocheinmal Thema bei den Kindern werden. Dann sollen in der Kita erneut klar die Regeln genannt werden.

Das sieht auch Sigrid Awenius, Leiterin der Kita Frechdachs in Einselthum, so: „Wir hatten die Kinder schon ein bisschen vorbereitet, müssen da jetzt aber auf jeden Fall weiter nacharbeiten.“ Trotzdem dürfe man die Verantwortung nicht allein den Kindern überlassen, richtig wehren könnten sich die Kleinen in einer ernsten Situation wahrscheinlich noch nicht. „Mit diesen Übungen wird aber das Selbstbewusstsein der Kinder gestärkt“, sagt Awenius. Auch Marc Wagner weiß, dass in so einer kurzen Einheit nur ein kleiner Grundstein gelegt werden kann. „Deswegen wollen wir in Zukunft vielleicht Erzieher und Lehrer in Sachen Selbstbehauptung bei Kindern ausbilden, die das immer wieder in der Kita oder der Schule gezielt trainieren können.“

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