Donnersbergkreis Wenn sich alles mit allem verbindet

Offenbarung in einem kleinen Hunsrück-Dorf: die unvollendet gebliebene und dennoch imposante Kirche, die als einziges Bauwerk de
Offenbarung in einem kleinen Hunsrück-Dorf: die unvollendet gebliebene und dennoch imposante Kirche, die als einziges Bauwerk des Klosters erhalten blieb, nur drei Kilometer von der Burg der Sponheimer entfernt.

Immer schmaler wird die Straße, immer dichter der Laubwald zu beiden Seiten. Und dann steht er da, auf einem Bergsporn im Grenzland zwischen Nahe und Hunsrück, der 22 Meter hohe, aus Buckelquadern gemauerte Wohnturm jener Burg Sponheim, mit deren Besitzer-Geschlecht Kirchheimbolandens Stadt-Geschichte ihren Anfang nahm. Ein bisschen ergriffen sind da wohl alle Teilnehmer einer Exkursion des Vereins Heimatmuseum, selbst wenn der Hauch der Geschichte hier ansonsten nur noch über wenige Mauerreste streicht.

So abgeschieden der mittelalterliche Bau über dem Dörflein Burgsponheim (im Landkreis Bad Kreuznach) heute auch anmuten mag: Ein weltabgewandtes Grafen-Geschlecht waren „die Sponheimer“ ganz und gar nicht, verstanden sich vielmehr darauf, durch Ämterhäufung und Familienpolitik Einfluss und Besitz zu mehren. So auch Graf Heinrich I., der um 1277 Kunigunde, die Tochter Philipps von Bolanden, heiratete und damit Stammvater des Familienzweigs der Sponheim-Bolander mit Sitz auf Burg Tannenfels wurde. Beider Sohn Philipp erwirkte 1331 dort die Stadtrechte. Seinem Sohn Heinrich II. war das Städtchen am Donnersberg jedoch zu weitab vom Schuss, er zog fruchtbares Offenland und die größere Nähe zu Handelsstraßen vor. Die Gewährung der Stadtrechte durch Karl IV. für den von ihm erwählten Ort Kirchheim am 1. Februar 1368 ließ er sich da gern etwas kosten. Weil „Kibo“ diese Stadtrechtsverleihung vor 650 Jahren ein ganzes Jahr lang vielfältig feiert, lag als ein Programmpunkt eine geschichtlich fundierte Exkursion nahe. Einmal mehr mit dem promovierten Historiker Klaus Kremb als Reiseführer, der rund 40 Interessierte des Vereins Heimatmuseum am Samstag kenntnisreich, mit lebhafter Freude an der Sache und zusätzlich noch mit schriftlichen Handreichungen auf teilweise unbekanntes Terrain führte. Das betraf vor allem die um 1100 erbaute Burg Sponheim selbst, wo eine starke Frau aus dem 12. Jahrhundert nicht unerwähnt blieb: die als Selige verehrte Jutta von Sponheim. Früh, so berichtete Kremb, sei sie zu selbstbestimmtem klösterlichem Weg entschlossen gewesen und eine Lehrmeisterin der jungen Hildegard von Bingen auf dem Disibodenberg geworden. Gleichermaßen geriet das drei Kilometer entfernte Dorf Sponheim zur Entdeckung: Denn über den kleinen Häusern thront übermächtig und atemberaubend eine romanische Kirche, deren Langhaus nie vollendet wurde. Der Sakralbau aus dem 12./13. Jahrhundert, heute katholische Pfarrkirche, war einst Zentrum einer ansonsten nicht mehr erhaltenen Klosteranlage der Benediktiner, die die Sponheimer für ihr Seelenheil errichten lassen hatten – Kremb sah hier Parallelen zu den Herren von Bolanden und ihren Klöstern Hane und Rothenkirchen. Zu Berühmtheit als Humanist gelangte an der Wende zum 16. Jahrhundert Abt Johannes Trithemius; er habe, „für die Zeit einfach irre“, so Kremb, 2000 Bücher besessen und sei als theologischer Ratgeber auch vom Kaiser geschätzt worden. Um zu zeigen, wie Klöster durch Landschenkungen zu Reichtum und Einfluss gelangten, dafür hatte Klaus Kremb bereits auf der ersten Station einen Paukenschlag parat, im rheinhessischen Oppenheim. In einer Nebenstraße, umgeben von gesichtslos modernisierten Häusern, war allerdings Fantasie gefragt, um sich hier hinter einem hohen Hoftor das einstige Gut des Klosters Rothenkirchen vorzustellen. 80 Hektar Land waren ihm von gottgefälligen Oppenheimern zugefallen, daraus zog das Kloster solange hübsche Erträge, bis für den eigenen Kirchenbau Geld benötigt und dieser Besitz daher veräußert wurde. Da die Entfernung zwischen Rothenkirchen, das heute zu Kirchheimbolanden gehört, und Oppenheim nicht allzu groß war, „wird der Abt öfter hier gewesen sein, um in die Bücher zu schauen“, fütterte Kremb die Fantasie seiner Zuhörer noch ein bisschen weiter an. Sehr real hingegen: Die Kirchheim mit den Stadtrechten 1368 zuerkannte eigene Gerichtsbarkeit wurde der „Oppenheimer Stadtrechtsfamilie“ unterstellt. Das heißt: Immer dann, wenn vor Ort juristische Fragen offenblieben, konnte und musste Rat gewissermaßen in der „Mutterstadt“ eingeholt werden. Ein höherer Ort war Oppenheim aber auch sonst: reich durch fruchtbares Land, den prägenden Weinbau, die Lage nahe dem Rhein und an zwei sich kreuzenden wichtigen Handelsstraßen. 1225 wurde es unter den Staufern Freie Reichsstadt, direkt dem König untertan. Was sich freilich ins Unglück kehren sollte, als der klamme Karl IV. die Stadt 1375 an die Kurpfalz verpfändete, seine Nachfahren dies Pfand nicht mehr einlösten und Oppenheim 1689 im pfälzischen Erbfolgekrieg einem Brandinferno der Franzosen zum Opfer fiel. Auch die gotische Katharinenkirche, berühmtes Wahrzeichen der Stadt, erlitt damals schwere Blessuren. Auf dem Weg dahin machte Kremb nicht nur auf das Haus aufmerksam, in dem der Kupferstecher Matthäus Merian drei Jahre lebte, sondern verwies auf den weit weniger bekannten Drucker und Verleger Jakob Köbel, der außer Schriften Luthers und Trithemus“ auch das dichterische Werk eines Johann von Morschheim herausbrachte. Merian wiederum überlieferte eine Ansicht des Klosters Sponheim um 1572. In der Kirche selbst durften zwei spezielle Puzzleteile am hohen Wappenfenster im östlichen Chor gesucht werden. Ganz weit oben entdeckte sie schließlich jeder: gleichartige Darstellungen von Mann und Frau in mittelalterlicher Tracht, unterschieden durch die Wappen der Geschlechter von Bolanden und Katzenelnbogen. Anna von Bolanden, Zisterzienserin in Worms, entstammte dem Ministerialengeschlecht derer von Bolanden, 1269 war ihr Vater Oppenheimer Bürgermeister. Und sowohl Philipp von Sponheim-Bolanden als auch sein Sohn Heinrich II. hatten Grafen-Töchter aus dem Hause Katzenelnbogen geehelicht. So verblüffend ist manchmal eben alles mit allem verbunden, vor allem dann, wenn einer wie Klaus Kremb die Fäden der Geschichte spannungsvoll zu einem ordnenden Ganzen verzurrt. Vereinsvorsitzender Michael Hahn dankte ihm dafür auf der Heimfahrt unter viel Beifall.

x