Donnersbergkreis „Mitmachen, um die Region zu stärken“

91-89506132.jpg

EISENBERG. Heute startet in den Verbandsgemeinden Eisenberg und Göllheim die zweite vierwöchige Testphase des Forschungsprojekts „Digitale Dörfer“, bei dem die Kommunen mit dem Fraunhofer-Institut für Experimentelles Software Engineering in Kaiserslautern, dem rheinland-pfälzischen Innenministerium und der Entwicklungsagentur Rheinland-Pfalz kooperieren. Wir haben mit Jürgen Stutzenberger, der das Projekt bei der VG Eisenberg betreut, über die zweite Testphase gesprochen.

Herr Stutzenberger. Bei der ersten Testphase im Mai ging es vor allem darum auszuprobieren, ob ein Online-Shop regionaler Händler, bei dem Freiwillige unentgeltlich den Transport der Ware zu den Kunden übernehmen, funktionieren kann. Welche Neuerungen gibt es gegenüber der ersten Testphase?

Es werden auf unserem Online-Marktplatz neue Apps beziehungsweise Links eingefügt. Hinter der „Bestell-“ und der „Liefer-Bar“ verbirgt sich der Online-Shop. Die „Liefer-Bar“ ist die Plattform für die freiwilligen Transporteure, die hier sehen können, welche Pakete zu wem geliefert werden sollen. In der VG Eisenberg gibt es 13 und in der VG Göllheim fünf Läden, in denen bestellt werden kann. Damit haben wir eine Einzelhändlerin – den Ramosa Markt – mehr als im ersten Testmonat. Die Verteilerstationen werden von vier auf acht erhöht, einschließlich der beiden Paketstationen. Es soll aber auch ganz neue Funktionen geben, richtig? Ja. Die „Tausch-Bar“ ist die digitale Nachbarschaftshilfe. Menschen, die spezielle Werkzeuge oder besondere Fertigkeiten besitzen, können sie anderen anbieten. Wer Unterstützung braucht oder bestimmte Gegenstände oder Werkzeuge sucht, kann sie auf der App nachfragen. Auch wer eine Mitfahrgelegenheit sucht oder anbietet, ist hier richtig. „Heil-Bar“ ist das Online-Sprechzimmer von Dr. Michael Gurr aus Eisenberg. Seine Patienten haben hier die Möglichkeiten, sich auch außerhalb der Sprechzeiten beraten zu lassen. „Fahr-Bar“ ist der Link zum Car-Sharing von Opel. Hier arbeiten wir mit dem Autohaus Roth in Hettenleidelheim zusammen. Es können Opel-Fahrzeuge – sogar bundesweit – angemietet werden. Neu ist außerdem, dass diejenigen, die die Gemeinschaft unterstützen oder Leistungen erbringen, virtuell durch Digi-Taler belohnt werden. Jeder, der sich neu anmeldet – aber auch die früheren Teilnehmer – erhält eine Gutschrift, um loslegen zu können. Welcher Gedanke steckt hinter den Neuerungen? In der ersten Phase wurde getestet, ob die freiwillige Logistik in Verbindung mit einem Online-Shop funktioniert. Jetzt kommen neue Themen hinzu. Mit Heil-Bar soll ein System getestet werden, um im ländlichen Raum, auch am Wochenende, die ärztliche Versorgung digital zu gewährleisten. Die Nachbarschaftshilfe und damit der Gemeinsinn sollen in der Region gestärkt werden, indem Dienstleistungen durch die Tausch-Bar angeboten und nachgefragt werden können. Dort, wo der Öffentliche Personennahverkehr nicht ausreichend vorhanden ist, können Personen ihre Fahrzeuge anderen anbieten, deshalb Fahr-Bar. Damit werden Ressourcen geschont. Je umfangreicher das Angebot auf dem Marktplatz ist, umso neugieriger sind die Besucher, auch die anderen Seiten zu besuchen. Welche Erkenntnisse aus der ersten Testphase hat man einfließen lassen? Um weitere Freiwillige zu motivieren, sich als Transporteur zur Verfügung zu stellen, haben wir die Anzahl der Verteilstationen in der Fläche erhöht. Das lässt eine ortsnähere Distribution zu. Durch die Erhöhung des Warenangebots insbesondere für den täglichen Bedarf und weitere regionale Angebote, wird der Shop noch attraktiver und kann die Umsatzzahlen erhöhen. Das Bezahlsystem wurde durch die Einschaltung eines Treuhänders vereinfacht. Neue Bezahlmöglichkeiten sind damit verbunden. Wie viele Teilnehmer werden diesmal angestrebt? Eine Prognose ist schwerlich abzugeben. Wichtig wäre, die bisher 200 Registrierten zu motivieren, von Anfang an mitzumachen. Jeder weitere Teilnehmer stärkt das System. Das Innenministerium erwartet schon eine Zunahme aller Zahlen. Denn nur so kann nachgewiesen werden, dass das Forschungsprojekt auch wirtschaftlich im Echtbetrieb 2017 tragbar ist. Das ist auch ein Indiz für die Übertragbarkeit des Projekts auf andere Regionen. Bis wann kann man sich anmelden? Eine Anmeldung ist jederzeit möglich, auch in der Testphase. Ihre persönliche Einschätzung nach den bisherigen Erfahrungen: Kann das System langfristig in einer Region wie der unseren funktionieren? Die Stimmung unter den Einzelhändlern ist gut, und die Belieferten sind durchweg zufrieden. Wir haben viel Energie in das Marketing gesteckt, und auch aus der Politik haben wir positive Rückmeldung. Für Eisenberg und Göllheim sind die „Digitalen Dörfer“ ein großer Imagegewinn, was die internationale Nachfrage und die vielen Fernseh- und Presseanfragen zeigen. Egal, wer auch nach den Testphasen Träger des Shops wird: Wir gehen davon aus, dass die Notwendigkeit eines solchen Online-Marktplatzes gerade unter dem Aspekt des demografischen Wandels für den ländlichen Raum existenziell ist. Wenn diese Botschaft von allen Bürgerinnen und Bürgern verinnerlicht wird, kann das Projekt auch nachhaltig bestehen. Wenn aber viele Menschen nur auf den Preis von Produkt und Dienstleistung schauen und die Regionalität und die Nähe zum Anbieter vernachlässigen, werden die globalen Anbieter Oberhand gewinnen und als Monopolisten den Preis und die Geschäftsbedingungen diktieren. Es ergeht deshalb der Appell an alle Bürgerinnen und Bürger, unser Projekt durch Teilnahme zu unterstützen. Mitmachen, um die Region zu stärken! Info —Projektteam regional-digital Eisenberg/ Göllheim, Verbandsgemeinde Eisenberg, Hauptstraße 86, 67304 Eisenberg, Telefon 06351 407-440 oder 443. | Interview: Timo Leszinski

91-89506131.jpg
x