Donnersbergkreis „Feststeht, dass alles mit allem zusammenhängt“

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BOLANDEN. Für die Linke ist Helmut Schmidt im Rennen ums Landtags-Direktmandat. Die Wettkampfsituation, die so einem politischen Kräftemessen innewohnt, ist ihm vom Sport vertraut: Seit er zwölf ist, spielt der heute 60-Jährige Tischtennis und ist nach wie vor aktiv beim TuS Bolanden. Zum „Sondertraining“ mit politischen Ballwechseln traf er sich mit einem Kreisklasseveteranen der Lokalredaktion.

An der Platte setzt er eher auf die Defensive, wartet geduldig auf Fehler des Gegners, den er aber auch mal mit Kontern überrascht. Tischtennis verbindet Schmidt mit seiner Jugend in dem nordhessischen Dorf bei Alsfeld, in dem er aufgewachsen ist. „Da gab es nur die Freiwillige Feuerwehr und den Tischtennisverein“, erzählt er. Trotz mancher mehrjährigen Unterbrechungen etwa durch das Studium in Gießen oder familiäre Belastungen hat er am Spiel mit den Celluloidbällchen festgehalten. Seit 1985 ist er Lehrer für Deutsch und evangelische Religion am Gymnasium Weierhof – seit 1987 für den TuS auf Punktejagd. Schon in der Jugend politisch interessiert und aktiv, seien für ihn vor allem die Anti-Atomkraft- und die Friedensbewegung der 70er Jahre richtungweisend geworden. Der Protest gegen den Bau der Startbahn West am Frankfurter Flughafen oder der Volkszählungsboykott Mitte der 80er Jahre sind weitere Stichworte. In einer Partei aktiv ist er aber erst seit 2005. Damals trat er in die WASG ein, aus der 2007 nach der Fusion mit der PDS die „Linke“ wurde. „Ich wollte mehr tun, als – kritisch zwar, aber im Grunde genommen passiv – bei alldem zusehen“, sagt Schmidt. Als Anlässe zum Eintritt bei der Linken nennt er Entwicklungen wie die Kriege im Irak und in Afghanistan oder die Agenda 2010, die er als eine Art „Krieg gegen die Lohnabhängigen“ sieht. Dabei teilt er seine ursprünglichen politischen Impulse durchaus mit den Grünen – zu den Öko-Sozialisten habe er sich auch hingezogen gefühlt, erzählt er, „hier hatte ich mal den Spitznamen ,Öko-Schmidt’“. Dass die Grünen in der Koalition mit der SPD den Kosovo-Krieg und den Einsatz in Afghanistan mitgetragen haben, sei aber mit seiner friedenspolitischen Haltung nicht vereinbar gewesen. Nach dem Parteieintritt ließen Mandate in Kreistag, Gemeinderat und seit 2014 auch im VG-Rat nicht lange auf sich warten. Dass er in den Kommunalparlamenten häufig aus größeren, auch weltpolitischen Zusammenhängen heraus argumentiert, stößt dort mitunter auf Kritik, da wird ihm schon mal unter Verweis auf die Geschäftsordnung das Wort entzogen. Aber: „Feststeht, dass alles mit allem zusammenhängt“, streicht er heraus. In der Ukraine-Politik träfen Sanktionen gegen Russland eben auch Arbeitnehmer vor Ort. Viele Konfliktherde, die Flüchtlingsströme bis in den Donnersbergkreis generieren, sieht er nicht zuletzt in westlichen Wirtschaftsinteressen und Waffenexporten mitverwurzelt. In Bundes- und Landespolitik sieht Schmidt bei Niedriglöhnern, Kleinrentnern, Alleinerziehenden und anderen an und unter der Armutsgrenze Handlungsbedarf. „Wir laufen auf eine Welle der Altersarmut zu. Viele, die im Niedriglohnsektor arbeiten, werden nicht auf eine Rente kommen, von der man leben kann. Das ist ein unhaltbarer Zustand“, mahnt er. Dieser Entwicklung hält er jährliche Einbußen von 100 Milliarden Euro durch Steuerflucht entgegen, Geld, das für eine soziale Politik gebraucht werde, sagt der Bolander und pocht auf das Sozialstaatsgebot des Grundgesetzes. Leiharbeit und prekäre Beschäftigungsverhältnisse müssten reduziert, der Mindestlohn erhöht, eine solidarische Mindestrente von 1050 Euro eingeführt werden. Friedenspolitisch hat man aus seiner Sicht mit der US-Air Base in Ramstein ein Thema unmittelbar vor der Haustür. Es dürfe nicht geduldet werden, dass von Ramstein aus Drohnen-angriffe in aller Welt geflogen würden, das verstoße gegen das Grundgesetz, so Schmidt, der sich einen Abzug aller US-Militäreinrichtungen aus Deutschland wünscht. Zu den Forderungen der Linken zählen auch ein ticketloser Nahverkehr, eine Verbesserung der Gesundheitsversorgung durch Polikliniken und Gemeinschaftspraxen, mehr Personal für Kitas, Schulen, Pflege und Polizei. Und das Tischtennismatch? Das hat Schmidt mit 3:0 klar für sich entschieden – sozusagen mit links.

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