Donnersbergkreis Fahruntüchtig in den Graben

„Plötzlich habe er nicht mehr gewusst, wo er sei“, rekapitulierte die Richterin am vergangenen Mittwoch im Amtsgericht Rockenhausen. Der zu klärende Fall ereignete sich am 9. April dieses Jahres bei Kirchheimbolanden. Polizisten berichteten von einem BMW in einem Graben auf dem Hungerberg mit einem Mann, der weiterhin am Steuer saß. Dass da etwas seltsam war, merkte man schnell.

Nachdem Beamte das Auto in der Böschung gesichtet hatten, erschien der bestellte Rettungswagen, wie auch weitere Polizeibeamte, die sich mit einem verwirrten Fahrer konfrontiert sahen. Ein Rätsel: Auf dem landwirtschaftlichen Weg ließen sich keinerlei Ursache für ein Abkommen von der betonierten Fahrbahn feststellen. Ebenso war den Einsatzkräften schnell bewusst, dass der 60-Jährige weder Alkohol konsumiert noch illegale Drogen zu sich genommen hatte. Trotzdem war von Anfang an unschwer zu erkennen: Mit diesem Fahrer stimmt etwas nicht. Doch was da seltsam war, musste entschlüsselt werden, da der Mann selbst tatsächlich keine Auskunft geben konnte. Alles, was dieser beitragen konnte, war, dass er auf dem Weg zu seinem Arzt gewesen sei und dann die Orientierung verloren habe. Wie er da hinkam, wo er sich überhaupt befand und wie genau es zu dem Vorfall gekommen war, konnte er nicht mehr abrufen. Der 60-Jährige war kaum ansprechbar. So begann also die Suche der Einsatzkräfte nach dem Grund für das Landen im Graben auf dem Hungerberg. Schnell kam der Gedanke an Medikamente, die vereinzelt eine berauschende Wirkung entfalten können. Und tatsächlich fanden die Sanitäter im Wagen eine Schachtel eines antidepressiv-wirkenden Medikamentes und auf dem Beipackzettel den Hinweis, dass ab einer gewissen Menge die Fahrfähigkeit eingeschränkt sein könne und es ratsam sei, erst mal „nicht zu fahren, bis man weiß, wie man auf dieses Medikament reagiert“, betonte der Rechtsanwalt des Angeklagten. Im Krankenhaus kam die Gewissheit: Im Blut des Angeklagten wurde das Medikament Escitalopram nachgewiesen, das der Mann bereits seit über einem Monat täglich einnahm. Sein Arzt, der als Zeuge präsent war und von seiner Schweigepflicht entbunden wurde, legte dem Gericht die gute Verträglichkeit des Mittels bei dem Angeklagten dar und dass „in der Regel keine Nebenwirkungen“ auftreten. Der Grund für die Verschreibung des stimmungsaufhellenden Mittels sei ein Schlaganfall gewesen, der den Mann vor gut einem Jahr erschüttert und seinen Lebensmut eingeschränkt habe. Zur Debatte im Gerichtssaal stand nun die Fahrerlaubnis des Mannes. Die Staatsanwaltschaft warf ihm vor, fahrlässig unter Einfluss von zehn Milligramm des Antidepressivums Auto gefahren zu sein, obwohl er hätte erkennen müssen, dass er dazu nicht in der Lage war. Positiv könne für den Fahrer verbucht werden, dass sich er sich im verhandelten Fall abseits von bewohntem Gebiet befunden habe, keine anderen Verkehrsteilnehmer gefährdet wurden und auch niemand zu Schaden gekommen war. Eine hilfreiche Aussage eines Zeugen, der sich kurz vor dem Verhandlungstermin fand, soll nun beim Fortsetzungstermin am 28. Oktober weitere Aufklärung und – möglicherweise – Entlastung bringen. Der Zeuge ist ein Bekannter des 60-Jährigen, der ihn kurz vor seiner Abfahrt noch gesehen und gesprochen haben will. Dieser habe, so die Verteidigung, bereits im Wagen gesessen und einen völlig normalen Eindruck gemacht. Für das weitere Verfahren bleibt nun zu untersuchen, wann die Orientierungslosigkeit bei dem Angeklagten einsetzte, da Autofahrer generell dazu verpflichtet seien, eine Fahrt abzubrechen, wenn sie sich fahrunfähig fühlten. (rifa)

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