Donnersbergkreis Eine neue Ära beginnt

Die Meisterspielerinnen aus dem Zellertal, hinten von links: Sabine Ghoul, Sabrina Scherrer, Sylke Bayer; vorne von links: Ninet
Die Meisterspielerinnen aus dem Zellertal, hinten von links: Sabine Ghoul, Sabrina Scherrer, Sylke Bayer; vorne von links: Ninette Mayer, Christel Diefenbach und Silke Ermel.

«Zellertal.» In der behaglichen Sporthalle mit dem gewienerten Parkett gibt es einen Ort der Eintracht. Eine Garage von höchstens zwölf Quadratmetern, kaum mehr als ein mit Platten, Banden und Stühlen versperrtes Kabuff, ein Abstellraum. Dunkel, eng. Wein und Sekt lagern dort kistenweise, der Kühlschrank ist voll, man lebt gut. Seit Jahrzehnten war und ist hier – nicht nur, aber vor allem – das Refugium der Zellertaler Tischtennisdamen. Zu Spiel- und Trainingszeiten verwandelt sich die Kammer in eine Vereinswirtschaft. Man sitzt, man plaudert, man lacht, das Gläschen Perlwein fehlt selten. Und erstmals seit gefühlten Zeitaltern wird die „Damen I“ ab September in fast völlig anderer Aufstellung dort sitzen als bisher. „Natürlich ist das arg ungewohnt. Wir haben quasi das erste Mal seit über 20 Jahren Auswärtige im Team. Das ist erstmal komisch“, sagt Silke Ermel, Kapitänin der Oberliga-Mannschaft. Eine neue Ära beginnt, eine neue TSG schlägt auf. Mit der im Mai abgelaufenen Wechselfrist hat sich im Zellertal alles auf den Kopf gestellt: Mit Sabine Ghoul, mit Christel Diefenbach „seit bestimmt 45 Jahren zusammen“, so Ermel, beendete ein Urgestein eine beispiellos loyale TSG-Karriere, Spitze Sabrina Scherrer folgte in den „Ruhestand“. Damit ist gar nichts mehr so, wie es über Dekaden war. „Das hat einen ziemlich hart getroffen, dass das so auseinanderreißt. Wir sind ja keine, die dauernd wechseln“, bedauert Ass Sylke Bayer. Ermel beschreibt den Umbruch als „wirklich traurig“. Aber: Da sei man machtlos. Während Ghoul langwierige Schmerzen im Arm plagen, habe Scherrer „Tischtennis nichts mehr geben“ können. Zwei Tage vor dem Stichtag am 31. Mai stand Ermel also da. Ratlos, mit halber Mannschaft, ohne Transfer. „Eine Abmeldung hätte man von uns nie erlebt. Wir hätten gespielt, egal wie“, resümiert der Kopf des Teams – der, glückliche Fügung, Ninette Mayer aus der Zweiten hochziehen konnte. Ziemlich brenzlig wäre es sonst geworden, überhaupt anzutreten. Der Doppelschlag traf Ermel und Co. in einer reichlich kuriosen Phase. Jüngst war ihre TSG bei der Sportlerwahl des Kreises auf Platz zwei gelandet, direkt darauf hatte sie sich zum Meister der Oberliga gekürt. Souverän und mit fabelhaftem Lauf. Einen von unzähligen Höhepunkten zwischen 1. Pfalz- und 2. Bundesliga hatte das Quintett erklommen. Einen von massenhaften Titeln. „Wir stehen schon immer ausgeglichen. Nach den ersten Spielen hab’ ich meine Erwartungen zurückgeschraubt. Auf einmal ist es gelaufen“, bilanziert Bayer. In Nünschweiler war die TSG beim 7:7 gestrauchelt, kurz später in Winnweiler gar gestürzt (5:8). Bis auf eine zweite Schwächeperiode im März rannte sie durch. Wenn eine Stütze einen schwarzen Tag hatte, stach die andere. Und umgekehrt. Eine richtig glänzende, herausragende Einzelrunde, die gab es nicht. Alle hatten sie ihre Tiefs – dafür alle noch mehr Hochs. „Jeder hat seinen Teil beigetragen“, weiß Ermel. „Das ist ja das, was eine Mannschaft ausmacht. Eine hat immer jemanden rausgerissen.“ Der wahre Vorteil, wie die Kapitänin erklärt: der Spielstil. Mit einem Altersdurchschnitt von über 50 war die TSG die routinierteste Equipe der Liga – in ihren Jugendzeiten, so Ermel, hätte man noch anders das „Pletschen“ gelernt. „Das Tischtennis von heute ist oft das gleiche. Da ist zu viel antrainiert, statt mal was anderes zu machen, sich auf den Gegner einzustellen.“ Nun hat die TSG ein neues Gesicht. Ohne Ghoul, ohne Scherrer, ohne Diefenbach, die krankheitshalber vermutlich die halbe Saison ausfällt und „wieder richtig zu Kraft kommen“ soll, wie Ermel meint. Aber gleichzeitig mit frischer Qualität. Sabine Becker und Anneli Heintz pendeln fortan ins Zellertal. Man kennt sich, man schätzt sich. Als Gegner. Seit über 30 Jahren, in denen man zig Ranglistenkämpfe im PTTV und der Region Südwest bestritt. Ihr TTC Germersheim, bis dato einer der härtesten TSG-Ligarivalen, meldete ab. Optionen: Vereinswechsel oder Herren. Entscheidung Zellertal. „Auf alles andere als Oberliga hatten wir noch keine Lust, zu den Herren wollten wir auch nicht. Die Pfalz ist ja nicht so arg groß, und wir kennen alle schon ewig“, blickt Becker, eine Speyerin, auf die zwei letzten Tage im Mai zurück, an denen die Zusage fiel. „Es steht auch in Aussicht, nicht jedes Spiel machen zu müssen. Das ist ganz okay.“ Für Ermel war der überraschende, kurzfristige Doppelcoup „ein Glücksfall“. Von Alterswegen passen beide perfekt ins Gefüge. Becker ist 43, Heintz 57. Der Schnitt bleibt konstant, altes Eisen rostet bekanntlich nicht. Mit Heintz war Diefenbach sogar einst deutsche Seniorenmeisterin im Doppel. Die Verbindung liegt näher, als es die 70 Kilometer durchs Weinland Vorderpfalz vermuten lassen. „Wir passen zusammen“, manifestiert Ermel. „Wir müssen uns nur einspielen.“ Wenn am 15. September für den Meister die Oberliga startet, steht eine neue Mannschaft an den Tischen. Von der Titelverteidigung (siehe „Zur Sache“) redet seit Mai keiner mehr… Der Meisterkader 1. Sabrina Scherrer (46 Spiele/30 Siege/16 Niederlagen), 2. Sylke Bayer (40/29/11), 3. Christel Diefenbach (48/30/18), 4. Sabine Ghoul (24/11/13), 5. Silke Ermel (20/11/9).

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