Donnersbergkreis Der Krieg als Sammelalbum

Nussbach. Ein wichtiges Dokument über die Geschichte des Ersten Weltkrieges ist ein Album, in das gesammelte Zigarettenbilder eingeklebt wurden. Der Text und besonders die 270 Bilder prägten in der deutschen Öffentlichkeit die Erinnerung an die Zeit 1914-1918. Ein solches Album besitzen Gisela und Hans Kroll in Nußbach.

Die Krolls erzählen, wie sie zu dem Album kamen. Als sie vor einigen Jahren die Kellerwerkstatt von Gisela Krolls Vater Walter Pleickardt nach seinem Tod ausräumten, entdeckten sie es in einem Schrank zwischen Pflanzenschutzmitteln und Werkzeug. Trotz sorgfältigen Lüftens hat das Album einen leichten Kellergeruch bewahrt. Die Krolls kannten das Album vorher nicht. Sie glauben aber nicht, dass der 1925 geborene Vater Walter Pleickardt die Bilder gesammelt und eingeklebt hat. Eher komme der Großvater Karl Schunk (1888-1978) in Frage, der als Soldat an beiden Weltkriegen teilgenommen hat. Auf jeden Fall ist das Album für sie ein Stück Familiengeschichte, das sie aufbewahren wollen. Sammelbilder als besondere Form der Werbung gibt es seit etwa 1890. Eine der ersten Firmen, die ihren Produkten Bilder beilegten, war Liebigs Fleischextrakt. Zahlreiche weitere Unternehmen folgten diesem Beispiel, vor allem bei Produkten, die im Haushalt häufig gebraucht wurden. Dazu gehörten Margarine, Kakao, Schokolade oder Zigaretten. Die Bilder wurden bald beliebte Sammelobjekte, die man tauschen oder bei den Firmen anfordern konnte. Alben zum Einkleben der gesammelten Bilder wurden preiswert angeboten und ein volles Album war der Stolz eines jeden Sammlers. Das Album zum Ersten Weltkrieg nennt als Herausgeber den Cigaretten-Bilderdienst Dresden A 1. Genauere Angaben enthalten die Bilder auf der Rückseite. Hier erfährt man, dass sie von der Firma Eckstein stammen, die die Zigarette „Eckstein Nr. 5 ohne Mundstück“ und „Halpaus Rarität mit Goldmundstück“ produzierte. Die Firma war 1854 gegründet worden und seit 1891 in Dresden ansässig. Die Bilder enthalten den Hinweis, dass das Sammelalbum für eine Reichsmark im Tabakhandel erhältlich ist und dass Bilder beim Cigaretten-Bilderdienst getauscht werden können. Das Album ist ein aufschlussreiches historisches Dokument. Das Buch im Querformat (25,5 mal 35 Zentimeter) fällt bereits durch den reißerischen Umschlag auf. Das kräftige Rot umgibt eine Europakarte mit den Grenzen von 1914. Der Titel „Der Weltkrieg“ ist auf eine schwarze Wolke gedruckt, und die zackigen gelben und roten Buchstaben erinnern an Blitze. Auf der Rückseite befindet sich eine Weltkarte mit den wichtigsten Flottenbewegungen während des Krieges. Die 71 Seiten enthalten eine geschickte Mischung aus sachlicher Information und Propaganda. Auf 20 Seiten findet man eine Chronik der Kriegsjahre, ergänzt durch eine Seite mit dem Titel „Der Große Krieg in Zahlen“. Zur Objektivität sollen die 14 Karten beitragen, die die einzelnen Kriegsschauplätze zeigen. Liest man den Text der Chronik genauer, wird eine einseitige Sichtweise deutlich. Der anonyme Autor nennt als Kriegsursachen das Revanchebedürfnis Frankreichs, die Sorge Englands um seine Weltmachtstellung und den russischen Panslawismus mit seinem Hass auf alle Deutsche. Daraus ergibt sich für ihn als logische Folge: „Wollten wir nicht von vorneherein in eine hoffnungslose Lage kommen, so mussten wir nun auch Kriegsvorbereitungen treffen.“ Ähnlich wird das Kriegsende erklärt. Während das Heer tapfer kämpfte und sich dann „in fester Haltung“ zurückzog, habe die Reichsregierung vor den Forderungen des amerikanischen Präsidenten kapituliert. Die Niederlage schließlich sei verursacht worden durch die „Zersetzung in der Heimat“ und die in Deutschland ausgebrochene Revolution. Auffällig ist auch der Stil, in dem der Text verfasst ist. Da heißt es „unsere Siege“, „unsere Offensive“, „unsere Waffen“ oder „unsere Verbündeten“. Dadurch wird der Leser direkt angesprochen und in das Geschehen einbezogen. Noch deutlicher ist die Propaganda bei den 270 Bildern, Farbfotografien im Format 4,7 mal 6,2 Zentimeter. Der Krieg erscheint als großes Abenteuer und als Schauplatz für Heldentaten. Einzelne Bilder erinnern eher an ein Geländespiel als an einen Kampf auf Leben und Tod. Verwundete Soldaten werden selten gezeigt, dafür sieht man zum Beispiel die Behandlung eines verletzten Pferdes in einem Pferdelazarett. Auch die Gefallenen auf beiden Seiten, die Leiden der Zivilbevölkerung oder der Kummer der Hinterbliebenen sind kein Thema. „1918 – Die letzten Kampfhandlungen“ werden durch Bilder von neuen Waffen und Ausrüstungen dokumentiert. Erst die beiden letzten Bilder handeln vom Rückzug. Warum er nach all den angeblichen Erfolgen notwendig war, bleibt offen. Aber damit endet das Album nicht. Es bringt noch weitere Kapitel „Hinter der Front“, „In der Heimat“, „Politik und Persönlichkeiten“, „Der Krieg zur See“ und „Der Krieg in den Kolonien“. Auf den letzten drei Seiten sind „Unsere Gegner im Krieg“ abgebildet. Sechs der insgesamt 18 Bilder zeigen einen australischen Ureinwohner, Inder oder Schwarzafrikaner. Hier ist die rassistische Tendenz offenkundig. Ein Erscheinungsdatum des Albums fehlt. Aber die wissenschaftlichen Bibliotheken, in denen Exemplare vorhanden sind, nennen die Jahre 1935 bis 1937, was auf mehrere Auflagen schließen lässt. Sammelalben als „Bilderbuch des kleinen Mannes“ hatten eine nachhaltige Wirkung auf das politische Bewusstsein des Betrachters. Berücksichtigt man den Zeitpunkt des Erscheinens, so leistete das Album „Der Weltkrieg“ einen Beitrag zur Rechtfertigung von Hitlers Annexionspolitik. Gleichzeitig wurde die Bereitschaft zu einem neuen Krieg mental vorbereitet.

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