Donnersbergkreis „Den Betrachter stutzig machen“

Kirchheimbolanden. „Im Grünen“. Natürlich, da drängt sich unweigerlich ein Bild in den Kopf: duftende Gräser, sommerliche Auen, rauschende Bäche. Am Donnerstag eröffnete die Kölner Künstlerin Linda Nadji unter diesem Titel ihre Ausstellung im Kunstraum Holzmann. Tatsächlich – der Besucher fand sich „im Grünen“ wieder. Umgeben von grüner Industriefolie, inmitten des alten Getreidespeichers. Eine Installation, die die Raumwahrnehmung kippt. Bis 23. Mai kann sie besichtigt werden. Ein Besuch.

Grüne Verpackungsfolie. Ein ganz banaler Stoff. Eigentlich nur ein Zweckprodukt, zu finden in jedem Baumarkt, in jedem Möbelgeschäft. Erst Schutz, dann Abfall. Die grünen Kunststoffstreifen winden sich durch einen Raum, der im Grunde überhaupt nicht zur Entspannung einlädt. Kühl ist es hier, dunkel. Rostige Stahlträger stützen die blasse Holzdecke, metallene Trichter – Überbleibsel aus einer Zeit, wo hier Getreide lagerte – hängen unerreichbar hoch an der Wand, helles Industrielicht schafft anonyme Kälte. Unbequem. Und dann dieser Industriestoff – beruhigend grün. Wie er sich straff gezogen um rostigen Stahl schlingt, den Raum quasi seziert. Mal verläuft er knapp unter der Decke, mal einen Hauch über dem kalten Beton. Mal ist es ein dunkles, ein kräftiges Grün, völlig intransparent, mal ein bleiches, helles, durchsichtiges – je nachdem, wie viele Folien-Schichten sich überlagern. Auf den Punkt: Die Installation verändert den Ort. Es ist der Moment, in dem Kunst und Raum in Einklang stehen. Wo grüne Verpackungsfolie im Zusammenspiel mit Rost, Holz und kühlen Mauern eine neue Stimmung erzeugt. Eine faszinierende Synthese. „Mich hat es schon immer interessiert, mit dem, was man denkt zu sehen, zu brechen. Ich will den Betrachter stutzig machen, Dinge darstellen, die er normal nicht sieht“, erklärt Nadji, als sie sich gerade ihren Weg durch ein Netz von gespannten Folien bahnt. Ihr geht es besonders um eines: Durch die Kunst sollen sich die Besucher einen neuen Blick aneignen. Auf einen Ort, den sie gewöhnlich vielleicht gar nicht mal wahrnehmen würden. Nadji verbindet Eckpunkte, schafft durch die klaren Linien Areale, die aus jeder neuen Perspektive auch neu wirken. Heißt im Falle der Installation hier konkret: Egal, in welche Ecke man geht und schaut – stets überkommt einen der Eindruck, man stünde plötzlich in einem ganz anderen Raum. Die grüne Folie verläuft anders, ist nicht mehr da, wo man sie erwartet. Alles verkehrt, alles gewandelt. „Das sind Eingriffe in den Raum, die sich nicht unbedingt aufdrängen. Dennoch bringen sie eine andere Stimmung hinein. An jedem Punkt ergibt sich ein neues Bild“, sagt Nadji. Es sind die kleinen Details, die aus der Installation eine Faszination machen, die von weitem gar nicht erkennbar ist. Der Faltenwurf, der durch das grelle Licht sagenhafte Spiegelungen entstehen lässt. Die Dynamik, die Kunststoff und Säulen durch die Winkel aufbauen. Die Transparenz der Folie, manchmal so dünn geschichtet, dass sie wie ein Grün-Filter vor einem Objektiv wirkt. „Was ist schemenhaft zu erkennen? Wie entstehen die Fluchten? Je schräger man auf die Folie schaut, desto mehr spiegelt sie. Da entsteht eine neue Ebene“, schildert ein Besucher begeistert. Natürlich: „Im Grünen“ – so der Titel der Ausstellung, die außer der Installation noch Grafiken Nadjis zeigt –, damit assoziiert der Betrachter zuerst anderes. Raschelnde Baumkronen, wilde Wiesen, Natur pur eben. Nadjis Werk hat, auf den ersten Blick, nichts damit zu tun. Nur das Grün, davon gibt es reichlich, wenn auch als chemisches Produkt. Die Verbindung zur Natur ergibt sich dennoch. Nadji stößt schließlich zum Weiterdenken an. „Für mich ist es eine Reise, den Raum zu entdecken“, meint die Künstlerin – übrigens inspiriert von der Pfalz. Grüne Verpackungsfolie, die Stahlträger „umarmend“. Der eine denkt da vielleicht an ein kurvenreiches Leben, die Farbe Grün Hoffnung, Frieden, Idylle symbolisierend. Und der nächste überträgt womöglich: Verpackung als Schutz – gerade die Natur ist es ja, die diesen dringend braucht. Freiheit im Denken. Die Interpretationen sind vielfältig. Linda Nadji sagt: „Jeder darf sich in eine andere Situation versetzen.“ Wie sie in die grüne Pfalz, an die sie hier denkt.

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