Donnersbergkreis "Das war schon ziemlich gefährlich"

91-84551900.jpg

Donnersberger Begegnungen: Udo Gehring, seit zweieinhalb Jahren Chef der Staatsanwaltschaft Kaiserslautern, ist nicht gerade eine Plaudertasche. Und so packt der promovierte Jurist den vielleicht spannendsten Teil seiner Lebensgeschichte erst ganz am Ende aus – und erzählt eher nebenbei über seine Zeit als Ankläger bei den Völkermordprozessen in Ruanda.

Kaiserslautern

. Eigentlich scheint nach den gut 90 Gesprächsminuten alles gesagt. Die Vita ist geklärt, die Situation der Staatsanwaltschaft im Allgemeinen und der in Kaiserslautern im Speziellen, auch einige besondere Fälle der Behörde sind abgefrühstückt. Alles steht zur Verabschiedung – da liefert Udo Gehring noch eine kleine Ergänzung zu seinem Lebenslauf. „Ich habe in den 90er Jahren in Afrika für die UN gearbeitet; für den Hochkommissar für Menschenrechte ... falls das interessant sein sollte.“ Klar ist das interessant. Immerhin hat der Wahlpfälzer damit eine wichtige Rolle in einem der größten Völkermordprozesse der jüngeren Geschichte gespielt. Und schon setzen sich alle wieder. Udo Gehring, 1961 kurz vor dem Mauerbau in Westberlin geboren, gehört nicht zu den Menschen, aus denen es heraussprudelt. Er ist eher das Gegenteil: ein Jurist durch und durch, freundlich zwar, aber fast schon spröde sachlich, zurückhaltend, eher wortkarg. Erst recht nicht preist er eigene Leistungen, um sich in gutem Licht erscheinen zu lassen. Und so wird sein Afrika-Abenteuer Mitte der 90er Jahre, mit dem viele sofort rausrücken würden, nur so nebenbei zum Gesprächsthema. 1995 war er erstmals für den internationalen Strafgerichtshof nach Ruanda gegangen, um die Vorfälle des Vorjahres juristisch zu untersuchen. Zwischen April und Juli 1994 hatten mehr als eine halbe Million Menschen ihr Leben in dem afrikanischen Staat verloren – vor allem Angehörige des Volksstammes der Tutsi, die von der Hutu-Mehrheit im Land dahingemetzelt worden waren; mit Duldung, sogar mit Unterstützung der Regierung. Er habe sich immer einen Auslandsaufenthalt gewünscht, erzählt Gehring, und sei froh gewesen, dass der Justizminister ihm diesen 1995 ermöglicht habe. 1997/98 ging er nochmals nach Ruanda. Ob er das heute noch einmal machen würde? Eher nicht. „Das war schon ziemlich gefährlich damals“, sagt er. Immerhin ermittelten die internationalen Staatsanwälte vor allem gegen Amtsträger, die nachweislich vor nichts zurückschreckten. UN-Mitarbeiter seien damals attackiert worden, Stimmung gegen die Fremden in Ruanda sei gemacht worden – als seien diese schuld an den Zuständen. Er selbst sei nicht bedroht worden, obwohl er die Anklage gegen zwei lokale Kriegsverbrecher vertrat, aber ein britischer Kollege sei umgebracht worden. Auch drei spanische Ärzte ließen damals bei einem der vielen Übergriffe auf UN-Mitarbeiter ihr Leben. Heute führt Gehring als Chef der Kaiserslauterer Staatsanwaltschaft ein vergleichsweise unspektakuläres Leben. Mitte 2013 war er von Frankenthal nach Kaiserslautern gewechselt, wo die Staatsanwaltschaft nicht nur für alle Straftaten im Landgerichtsbezirk zuständig ist, sondern auch mit einer Schwerpunktabteilung für alle Wirtschaftsstrafsachen in der Pfalz. Ein halbes Jahr nach seinem Wechsel in die Westpfalz übernahm er die Nachfolge von Helmut Bleh als Leitender Oberstaatsanwalt, ist heute Herr über rund 30 Staatsanwälte und 21.000 Strafverfahren (Jahr 2015). Gerade die Wirtschaftsstrafsachen seien hochinteressant, sagt der Ehemann und Vater eines zweijährigen Kindes, der mit seiner kleinen Familie in Neustadt wohnt. Sie seien aber auch zeitintensiv, zumal die Staatsanwaltschaft hier von Beginn an Teil der Ermittlungen sei, und oft sehr langwierig. Dabei seien aber im öffentlichen Bewusstsein Wirtschaft und Justiz angesichts ihrer Bedeutung viel zu wenig verankert. Dass Wirtschaftskriminelle heute schlauer, findiger sind als die Betrüger in früheren Jahren, sieht der passionierte Klavierspieler nicht so. „Es gibt nur, auch wegen des Internets, immer neue Maschen.“ Ohnedies: das Internet. Kein Segen für die Staatsanwaltschaft und die Polizei, weil im und durch das Netz Delikte wie Betrug oder Beleidigung in ihrer Anzahl zunähmen. Auch weil man sich im Netz leichter vor der Strafverfolgung verstecken könne. Doch vor allem Beleidigungen in sozialen Netzwerken würden verstärkt angezeigt und verfolgt – „das ist auch gut so“, sagt Gehring, der in Würzburg Abitur gemacht und in Mannheim studiert hat. Dass die Justiz vielfach zu weich und nachlässig sei, will Gehring so nicht stehen lassen. Es gebe nur ganz wenige Einzelstudien, aus denen sich überhaupt schließen lasse, dass härtere Strafen vor allem auf junge Straftäter abschreckend wirkten. Wichtig sei vielmehr, „dass die Leute merken, dass es eine Strafverfolgung gibt und strafbares Handeln Konsequenzen hat“. Das gelte für die Straftäter selbst („80 Prozent der jungen Straftäter sind Einmal-Täter“), aber auch für die Gesellschaft. Wenn Letztere den Eindruck gewinne, Straftaten würden nicht angemessen verfolgt, würden Rechtsnormen insgesamt immer seltener beachtet. Daher wertet er es als großen Erfolg, dass die Strafverfolgung in einem so öffentlichkeitswirksamen und zugleich komplizierten Verfahren wie den Vorfällen nach dem FCK-KSC-Spiel in der Vorsaison gelungen ist. „Das war anfangs nicht leicht, weil ja im Prinzip jeder auf der Südtribüne ein potenziell Beteiligter gewesen sein konnte. Da die Richtigen herauszufiltern, war schon eine Leistung.“ In die immer wieder zu hörende Klage, die Justiz, auch die Staatsanwaltschaft, sei personell viel zu schlecht ausgestattet, stimmt er nicht mit ein. Natürlich würde er sich keinesfalls gegen eine Aufstockung seiner Behörde wehren. „Ich würde niemals sagen, dass ich mit der Ausstattung zufrieden bin – speziell bei den Wirtschaftsstrafsachen.“ Bei dem hohen Arbeitsanfall bleibe halt nur eines: nach Dringlichkeit Prioritäten setzen. (wop)

x