Ellerstadt Typisierungsaktion für Aleyna: „Das bedeutet uns so viel“

Mund auf, Stäbchen rein: Die 18-jährige Leni Hanewald ist extra nach Ellerstadt gekommen, um sich bei der Deutschen Knochenmarks
Mund auf, Stäbchen rein: Die 18-jährige Leni Hanewald ist extra nach Ellerstadt gekommen, um sich bei der Deutschen Knochenmarkspenderdatei registrieren zu lassen.

Im Oktober diagnostizierten Ärzte bei der vierjährigen Aleyna eine schwere Erkrankung. Nun braucht sie eine Stammzellenspende. Aleynas Schicksal lockte am Freitag einige Menschen zur Typisierungsaktion nach Ellerstadt. Viele wollten helfen – auf unterschiedliche Weise.

Ein bisschen sieht es aus, als würde sich der Mann die Zähne putzen, der gerade mit dem Rücken zur Theke des Ellerstadter Dorflädchens steht. Unentwegt schrubbt er mit einem dünnen Stäbchen an der Innenseite seiner Wange entlang. Eine junge Frau neben ihm hat den Blick fest auf ihr Handy gerichtet. „Vier... drei... zwei... eins... Super!“, ruft sie. Der Mann nimmt das Stäbchen aus dem Mund. Das war’s schon. In zwei Minuten darf es – ebenso wie zwei weitere Teststäbchen – eingetütet und ans Labor der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) geschickt werden.

Die junge Frau heißt Sina Weibler. Die 24-Jährige aus Ellerstadt hat gemeinsam mit Familie und Freunden die Registrierungsaktion im Dorflädchen auf die Beine gestellt – für ihre Schwester Aleyna. Im Oktober hatten Ärzte bei der Vierjährigen eine seltene Erkrankung diagnostiziert. Ihr blutbildendes System arbeitet nicht richtig. Seitdem ist das Leben der Familie auf den Kopf gestellt. Arzttermine füllen den Kalender, Spielen und Toben ist für die quirlige Vierjährige vorerst tabu. Zu groß wäre die Gefahr einer Spontanblutung.

Berührende Begegnungen

Um wieder gesund zu werden, braucht Aleyna eine Stammzellenspende. Die Suche nach einem genetischen Zwilling läuft, gefunden hat er sich noch nicht. Doch Sina Weibler und ihre Familie geben nicht auf. Kräftig rühren sie die Werbetrommel, machen über Zeitung, Social Media, Plakate oder Gespräche auf Aleynas Schicksal aufmerksam. Mit Erfolg, wie Aleynas Großeltern Karl-Heinz und Regina Weibler gerührt feststellen. „Wenn man sieht, wie viele Leute kommen und helfen wollen – das kann man gar nicht in Worte fassen. Ein Dankeschön ist da einfach zu wenig!“, sagt Regina Weibler.

Immer wieder hält sie die Begegnungen mit ihrem Handy in Bildern fest. Die Fotos von fremden Menschen, die extra für Aleyna gekommen sind, sollen auch ihrer Tochter – Aleynas Mutter Nadine – Kraft geben. „Sie muss für Aleyna stark bleiben. Das zehrt“, weiß Regina Weibler. Es sind so viele Begegnungen, die sie an diesem Tag berühren: Da ist der ältere Herr mit Rollator, der berichtet, wie er selbst vor Jahren einem Menschen mit Stammzellen helfen konnte. Da ist Michaela Zayc, die erzählt, wie ihre Schwester in den USA für Registrierungen für Aleyna wirbt. Oder die 18-jährige Magalie Huyng, die nach dem Abi Medizin studieren möchte und extra aus Frankenthal gekommen ist. So wie auch Leni Hanewald. „Ich wollte mich sowieso registrieren“, erzählt sie. Nur sei sie nicht alt genug gewesen. Über mögliche Folgen, sollte sie als Spender in Frage kommen, habe sie sich Gedanken gemacht. „Natürlich ist eine OP eine OP – aber man rettet damit ein Leben“, findet sie.

Immer wieder ertönt das leise Klingeln der Ladenglocke an der Tür. Die Helfer nehmen jeden Registrierungswilligen freundlich in Empfang. Per Smartphone können sich Interessenten durch einen Fragebogen klicken, Daten eingeben. „Hier steht, ich bin zu alt“, stellt eine Frau enttäuscht fest. Registrieren darf sich nur, wer maximal 55 Jahre alt ist. Johann Dörner hat noch Glück. Der 55-Jährige nutzt ebenso wie Tochter Indira die Gelegenheit. Gerade packen beide die Teststäbchen ein. Was unangenehmer ist: Corona-Test oder Registrierung? Eindeutig der Corona-Test, sind sie sich einig.

Nicht jeder kommt vorbei, um sich registrieren zu lassen. Karina Rosenberg und Lisa Wekel vom Damen-Lions-Club Wachenheim haben eine andere Form der Unterstützung mitgebracht: 500 Euro spenden sie im Namen der Lions-Damen an die DKMS. Schließlich koste jede Registrierung 40 Euro. Für eine solche, erzählen die beiden, seien sie bereits zu alt. „Aber spenden können wir.“

Spenden für neues Spielzeug

Dorflädchen-Betreiberin Bärbel Fülling hat die Ladentüren heute extra für die Typisierungsaktion offen gelassen. „Ich bin seit drei Uhr früh auf den Beinen“, erzählt sie. Trotzdem: Aleyna und ihre Familie zu unterstützen, sei für sie eine Selbstverständlichkeit. „Wenn man mit etwas so Kleinem etwas Großes bewirkt – was will man mehr?“, fragt sie. Vor ihr auf dem Tresen, zwischen Lebkuchen und Schokonikoläusen, steht eine gut gefüllte Spardose. Fülling hat Spenden für Aleyna gesammelt. „Für Spielzeug“, erklärt sie. Denn sobald ein Stammzellenspender gefunden ist, wird die Vierjährige in Frankfurt eine Chemotherapie beginnen. Im Krankenhaus, ergänzt Sina Weibler, dürfe sie dann nur neue Spielsachen nutzen. So soll vermieden werden, dass Keime eingeschleppt werden. „Wenn man ihr eine Freude macht und sie nur für ein paar Minuten lächeln sieht, ist für einen Moment alles vergessen“, sagt Sina Weibler und schiebt nach: „Manchmal ist sie es, die uns aufbaut.“

Mut macht ihr aber auch das Ergebnis des Tages: 36 Registrierungen zählt sie. „Das bedeutet uns so viel, wir wissen nicht, wie wir uns dafür bedanken können.“ Ob ausgerechnet in Ellerstadt ein Spender für Aleyna gefunden wird? Man weiß es nicht. „Wir brauchen nur einen, aber die anderen können so vielen anderen helfen“, bringt es Regina Weibler auf den Punkt. Egal woher der Spender kommt, Hauptsache, er findet sich. Für die Weiblers wäre es – da sind sich heute hier wohl alle einig – das größte Weihnachtsgeschenk.

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