Bad Dürkheim Eine Chance für die Jugend

Auf die Jugend von heute ist eben kein Verlass mehr. „Zehn Titel hat er mir kurz vorm Konzert aufgeschrieben, nicht einen davon haben wir bis zur Pause gespielt. Stattdessen nur Sachen, die isch net kenn“, mäkelt Peter Stahl augenzwinkernd in der Pause des Konzerts im „Adler“ in Weisenheim am Sand. Mit „er“ ist Markus Zimmermann gemeint, den der Weisenheimer Gitarrero in sein „Wohnzimmer“ geladen hat.

Zimmermann ist Keyboarder, Pianist, musikalischer Leiter der im Rhein-Main-Gebiet äußerst bekannten Showband Me and the Heat, des Weiteren an den Tasten bei Uwe Ochsenknecht und der Julia-Neigel-Band im Einsatz. Ein Hansdampf in allen Gassen sozusagen und darüber hinaus mit 25 Lenzen gerade einmal halb so alt wie sein musikalischer Gegenüber an diesem Abend. Und genauso sah das auch aus. Stahl an der Gitarre mit weniger als gar keinen Haaren auf dem kahlen Kopf, neben sich sein musikalischer Sparringspartner des Abends. Der – angetan mit Baseball-Cap und zerrissenen Jeans – aussah, als wäre er gerade mal eben mit seinem Skateboard um die Ecke gebrettert. Hinzu kommt ein jungenhaftes Lausbubengesicht. Dieser äußerliche erste Eindruck wäre es gar nicht wert, so ausführlich beschrieben zu werden, würde er nicht in völligem Kontrast dazu stehen, was geschieht, wenn dieser Bursche anhebt, in die Tasten zu greifen und vor allem zu singen. Gefühlte fünfzig Jahre Lebenserfahrung meint man aus dieser Stimme zu hören. Zimmermann ist ein Soul-Shouter vor dem Herrn, wie es auf neudeutsch so schön heißt, wenn einer die stimmliche Resonanz alter Soulsänger hat. Er knödelt, er bellt, er röhrt und erklimmt stimmliche Höhen, als wär das gar nichts. Und alles hört sich natürlich und ungekünstelt an. Und er brilliert nebenher an den Tasten. Stahl hat den Keyboarder schon zweimal als Gastmusiker zu den Friday Night Igels eingeladen und gedacht, in punkto „Nachwuchsförderung“ wohl noch eine Schippe drauflegen zu müssen. Der Mann muss von der Weisheit des Alters gesegnet sein, denn er beschert dem Adler-Publikum einen spannenden und interessanten Abend, weil die beiden munter vor sich hin improvisieren und sich gegenseitig fordern. Abwechselnd darf jeder mal einen Titel anspielen, Stahl startet erwartungsgemäß mit blueslastigem Material wie B. B. Kings „The Thrill is gone“, bekommt dann aber von seinem Kompagnon gleich mal den Seventies-Disco-Fetzer „Everyone’s a winner“ von Hot Chocolate vor den Latz geknallt. Zwischendurch singt Zimmermann Stahl noch schnell mal die Tonart vor, dann muss der sich gitarrenmäßig drauf einstellen und schauen, das auf seinem Instrument was Vernünftiges rauskommt. Und weil beide nun mal wissen, was sie da zu tun haben, gerät das Treffen der Generationen zu einer höchst unterhaltsamen Angelegenheit. Die Originalsongs dienen dabei nur als Blaupause für Improvisationen. Das Duo interpretiert lässig und bringt die Musik auf den Punkt. Und obwohl ein Schlagzeug gänzlich fehlt, groovt dieser Konzertabend. Allein Stahls Solieinwüfe bei Santanas „Black Magic Woman“ sind das Eintrittsgeld wert. Und wer nicht weiß, wie toll Elton Johns „Rocket Man“ klingen kann, wenn er mit solcher Hingabe gesungen wird wie von Zimmermann, ist an diesem Abend im „Adler“ gerade richtig. Wurscht, ob auch nur einer der zehn Titel gespielt wurde, die auf dieser ominösen Liste waren. Hat sich auch so gelohnt, der Jugend eine Chance zu geben... (agä)

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