Bad Dürkheim 500 Jahre Reformation: Wie die protestantische Rebellion nach Wachenheim kam

1517 soll der Mönch Martin Luther der Legende nach 95 Thesen gegen den sündhaften Ablasshandel an die Tür der Kirche in Wittenberg genagelt haben.

Ein symbolischer Akt, der den Beginn einer Rebellion gegen die Papstkirche (und anfangs auch gegen die weltlichen Obrigkeiten) markierte und letztendlich mörderische, als Glaubenskriege verbrämte Konflikte um Macht, Territorien und äußerst irdische Güter im Gefolge hatte. Wie infiltrierten die neuen Bekenntnislehren im 16. Jahrhundert die kurpfälzische Stadt Wachenheim? An der Wende vom Spätmittelalter zur Neuzeit sprengte die Idee einer individuellen Glaubensfreiheit, wie sie heutzutage im Grundrechtskatalog funktionierender Demokratien verbürgt ist, die Vorstellungskraft einer Feudalgesellschaft. Konfession war vielmehr „Chefsache“, gemäß dem im „Augsburger Religionsfrieden“ (1555) zwischen dem katholischen Kaiser und den (lutherischen) Reichsständen ausgehandelten Grundsatz „cuius regio, eius religio“: Die Untertanen hatten sich zu jener Glaubenslehre zu bekennen, der die Herrschaft jeweils (gerade) anhing. So kam es, dass in der Kurpfalz das 16. Jahrhundert immer wieder „durch von der Obrigkeit bewirkte Konfessionswechsel geprägt“ war (Michael Erbe, in: Pfälzische Geschichte, Band 1). Die Heidelberger Kurfürsten Ludwig V. (1508 bis 1544) und Friedrich II. (1544 bis 1556) lavierten zwischen dem Kaiser, den altgläubigen und den protestantischen Landständen. Erst die Nachfolger Ottheinrich und Friedrich III. trieben die Reformation voran, allerdings in zweierlei Ausprägung: Mal nach lutherischer Lehre, mal nach den Regeln und Anschauungen der Reformierten („Calvinisten“). Die beiden protestantischen Fraktionen befehdeten sich in den folgenden Jahrzehnten untereinander mitunter heftiger als mit den Katholiken (siehe „Am Rande“). Dieses vom Alltag der Menschen abgehobene Hin und Her mag erklären, dass der erste protestantische Gottesdienst in Wachenheim vermutlich erst im April 1556 gefeiert worden ist, anlässlich der Erbhuldigung für den neuen Kurfürsten Ottheinrich. „Diese Behauptung“, schränkt der Lokalhistoriker Fritz Wendel in seiner „Geschichte der Stadt Wachenheim“ ein, „hat alle Wahrscheinlichkeit für sich, kann aber nicht nachgewiesen werden.“ Die spärlichen schriftlichen Quellen erwecken den Eindruck, dass der allmähliche Fortschritt der Reformation vor allem von Teilen der des Zölibats überdrüssigen katholischen Geistlichkeit in Gang gehalten wurde. Pfarrer und Kapläne fanden Gefallen an dem Vorbild Luthers: Der seiner Christenfreiheit innegewordene Ex-Mönch hatte 1525 die dem Kloster entflohene Nonne Katharina von Bora geheiratet und mit ihr Kinder gezeugt. Manche Wachenheimer Kleriker entsagten ebenfalls dem Gebot der priesterlichen Ehelosigkeit und widmeten sich der Aufgabe, die Schar der neuen Rechtgläubigen aus eigener Kraft zu mehren. Beispielsweise ist in den Ratsprotokollen aus dem Jahr 1554 in einer Rechtsangelegenheit Peter Bacherach, „pfarrherr hie zu Wachenheim instat seiner hausfrauwen Katharin“, erwähnt. Des Pfarrers Frau war die Tochter des Münzmüllers Hans Datz. „Aus der Tatsache seiner Verheiratung ist ersichtlich, dass Bacherach dem 1545 erschienenen Reskript des Kurfürsten Friedrich II. folgte, das Priestern die Ehe erlaubte, und dass er der neuen Lehre zuneigte“, schreibt Fritz Wendel. „Nach 1560 ist er in Wachenheim nicht mehr erwähnt... Auf jeden Fall war er bis dahin im Amt und ist, trotz seiner Verheiratung, als der letzte ordentliche katholische Pfarrer in Wachenheim vor der Reformation zu bezeichnen.“ Von den beiden um die Mitte des 16. Jahrhunderts bekannten Kaplänen ist Wilhelm Mengaß 1554 oder 1555 katholisch gestorben. Der zweite Kaplan Bernhard Keller ist zur lutherischen Lehre übergetreten. Nach einem vom Landschreiber ausgestellten Schriftstück vom 13. Januar 1562 hat „der würdige Herr Bernhard Keller, gewesener Cappellan, jetzt Bepfründeter allhier in Wachenheim in der Zeit seiner Haushaltung fünf Kinder gezielet“. Da er hohen Alters und die Kinder zum Teil noch unerzogen seien, wolle er die Versorgung regeln und sie legitimieren lassen. Im Jahr 1574 ging die katholische Pfarrei ein. Die reformierte Gemeinde übernahm die Pfarrkirche und das Kirchenvermögen. Dieses und die Kirchenkasse („Almosen“) verwalteten seit 1578 die „Kirchenältesten“ (Presbyter). Die St.-Georgskirche wurde 1705 zwischen der 1698 wieder aufgelebten katholischen Gemeinde und den Reformierten im Verhältnis zwei Siebtel (Chor) zu fünf Siebtel (Schiff) geteilt. 1712/13 wurde eine Trennwand eingezogen. 1745 errichteten die Wachenheimer lutherischen Glaubens – meist Zugewanderte – eine eigene Pfarrei, die 1748 eine Kirche in der Langgasse einweihte.

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