Bad Dürkheim Gespür für Menschliches

„Halali“ handelt von zwei Sekretärinnen im Bonner Innenministerium, die in den 50er-Jahren ungewollt in eine Spionage-Geschichte
»Halali« handelt von zwei Sekretärinnen im Bonner Innenministerium, die in den 50er-Jahren ungewollt in eine Spionage-Geschichte verwickelt werden. Am Donnerstag las die 82 Jahre alte Autorin Ingrid Noll in der Buchhandlung Franck aus ihren neuen Werk.

Einen äußerst unterhaltsamen Abend erlebten die Zuhörer bei der Lesung mit Bestseller-Autorin Ingrid Noll, die am Donnerstagabend in der Buchhandlung Franck in Bad Dürkheim ihren neuen Roman „Halali“ vorstellte. Wer die Bücher von Noll kennt, erwartet keine blutrünstigen Mord- und Totschlaggeschichten oder Gruselthriller. Ihre Fans lieben ihren bisweilen schwarzen Humor und die brillante Schilderung der Seelenzustände ihrer Protagonisten.

In „Halali“ greift die in Shanghai geborene Autorin die Zeit der 50er-Jahre auf, als Bonn noch Bundeshauptstadt war und die DDR noch Spione in den Westen schickte. Noll kennt die Beamtenstadt aus ihrer Studentenzeit, als sie dort Germanistik und Kunstgeschichte studierte. Die Mutter dreier erwachsener Kinder begann erst mit dem Schreiben von Kriminalromanen, als diese alle ausgezogen waren und Noll sich ein eigenes Zimmer für ihre Arbeit einrichten konnte. Nach einer Selbstfindungsphase mit Chorgesang und Aquarellmalen schrieb sie ihre erste Geschichte für Kinder. „Lieb und erfolglos“ war diese, wie sie schmunzelnd erzählt, „danach wollte ich gemeine Geschichten mit vielen Toten schreiben“. Ihr Erstlingswerk „Der Hahn ist tot“ hat sie erst ihrer eigenen Familie zu lesen gegeben, die sie ermunterte, es an einen Verlag zu schicken. Der Diogenes-Verlag habe es gleich genommen, berichtet Noll, was bei der Familie großes Erstaunen auslöste und ihr für das zweite Buch einen Verriss prophezeite. Doch es kam anders. Inzwischen hat die liebenswürdige 82-Jährige 14 Romane, zahlreiche Kurzgeschichten und auch Kinderbücher verfasst. Mehrere davon wurden verfilmt. Nach ihrem Erfolgsrezept befragt sagt sie: „Es sind Menschengeschichten, die mich interessieren, nicht die Polizeiarbeit.“ So habe sie zu Beginn eines neuen Romans einen roten Faden im Kopf, stelle sich die Figuren bildlich vor, zeichne manchmal auch die Wohnung, in der sie sich aufhalten. „Die einzelnen Szenen kommen dann beim Schreiben, aber die Figuren ticken alle nicht ganz richtig“, erklärt sie, „doch ich möchte nicht, dass die Opfer leiden müssen“. In ihren Romanen lässt sie nicht zu viele sterben, denn „sonst habe ich kein Personal mehr“, wie sie sagt. So ist es auch in ihrem neuen Roman „Halali“ – keine Spur von jagdlichem Brauchtum, sondern eine Mischung aus Krimikomödie und Agentenroman. Zwei Vorzimmerdamen aus dem Innenministerium geraten auf der Suche nach dem Mann fürs Leben ungewollt in eine Spionage-Geschichte, in der der erste Tote zufällig gefunden wird. Der zweite aber wird aufgrund widriger Umstände „aktiv“ ermordet und muss unauffällig beseitigt werden. Den dritten erwischt es dann ganz kalt und irgendwie unabsichtlich. Für die Rahmenhandlung hat sich Ingrid Noll eine ältere Dame ausgedacht, die ihrer Enkelin von ihrer Zeit als junge Sekretärin im Innenministerium erzählt, wo es noch Adler-Schreibmaschinen und Dunkelkammern zum Kopieren gab. Man wohnte in möblierten Zimmern und spielte Monopoly. Aus dem Krimi wird so ein Zeitdokument.

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