Rheinland-Pfalz Südpfälzer Schlafforscher warnt vor Zeitumstellung

Laut Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2011 halten 68 Prozent der Deutschen die Zeitumstellung für überflüssig.
Laut Forsa-Umfrage aus dem Jahr 2011 halten 68 Prozent der Deutschen die Zeitumstellung für überflüssig.

Klingenmünster. Die rheinland-pfälzische Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung plädiert dafür, die Sommerzeit abzuschaffen. Vorsitzender Hans-Günter Weeß hofft, dass sich viele EU-Bürger gegen die Zeitumstellung aussprechen. „Bis zum 16. August kann jeder noch den Online-Fragebogen im Internet ausfüllen und seine Meinung dazu äußern“, sagt Weeß. Der promovierte Diplom-Psychologe leitet das Schlafzentrum im Pfalzklinikum Klingenmünster und findet die Zeitumstellung sinnlos.

Hans-Günter Weeß setzt große Hoffnung in das Expertenteam der Europäischen Union, das für Brüssel eine Empfehlung aussprechen soll, ob die Sommerzeit abgeschafft oder beibehalten werden soll. Die Online-Befragung sei nur ein Teil dieser Arbeit, so Weeß: „Wenn die Experten die wissenschaftliche Literatur dazu gewissenhaft sichten, haben sie eigentlich keine andere Möglichkeit, als die Abschaffung zu empfehlen.“ Daher sei er vorsichtig optimistisch, dass sich die Vernunft durchsetze, sagt Weeß. Aus seiner Sicht schadet die Zeitumstellung dem Körper.

Argumente verhallen ungehört

Seit Jahren befasst sich die rheinland-pfälzische Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung mit dem Thema. Weeß bemängelt, dass alle Argumente gegen die Sommerzeit ungehört verhallen. Jetzt sieht er angesichts der Expertenkommission einen Lichtstrahl am Horizont. Seit 1996 werden in allen EU-Ländern die Uhren am letzten Sonntag im März um eine Stunde vor- und am letzten Sonntag im Oktober wieder um eine Stunde zurückgestellt. Damit soll eine Stunde Tageslicht gewonnen und Energie gespart werden. Weeß weist darauf hin, dass die Wirtschaft bislang keinerlei Energieersparnis belegen kann. „Russland hat darauf reagiert und dreht jetzt nicht mehr an der Uhr“, sagt der Somnologe. Die Russen behalten jetzt allerdings die Sommerzeit bei. Nach Ansicht von Weeß sollte sich die EU schleunigst von der Sommerzeit verabschieden, denn die körperlichen Folgen der Zeitumstellung seien gravierend: „Jeder von uns kommt nicht nur eine Stunde aus dem Takt, sondern der Körperrhythmus verschiebt sich im Frühjahr um drei Wochen. Im Herbst sogar um vier Wochen.“ Weeß macht diese Argumentation am Wecksignal fest. „Klingelt der Wecker morgens um sieben Uhr, vergehen im Frühling drei Wochen, bis es dann endlich wieder hell ist“, rechnet er vor.

Umstellung im Herbst einfacher

Im Frühjahr verliere man zwar nur eine Stunde Schlaf, doch die innere Uhr schlage noch eine ganze Weile nach ihrem alten Takt. Im Alltag werde darauf aber keine Rücksicht genommen. „Man muss eine Stunde früher aufstehen, früher zur Arbeit gehen, früher essen und früher zu Bett gehen“, so der Schlafforscher. Seiner Erfahrung nach kommen die Menschen im Herbst besser mit dem Umstellen der inneren Uhr zurecht. Es sei eben wesentlich leichter, später ins Bett zu gehen als früher. Weeß verweist auf den Leiter des Alzeyer Schlaflabors, der von einer Art Mini-Jetlag spricht. Dr. Otto Laakmann, ebenfalls Vorstandsmitglied der Gesellschaft für Schlafmedizin und Schlafforschung, habe herausgefunden, dass viele Menschen zwei bis zehn Tage benötigten, um sich nach der Zeitumstellung an den ihnen neu aufgezwungenen Hell-dunkel-Rhythmus anzupassen. „Viele reagieren darauf mit Müdigkeit, Antriebsschwäche, Schlafstörungen, Kopfschmerzen oder depressiven Verstimmungen“, so Weeß. Besonders schwierig sei die Umstellung für Säuglinge, Kleinkinder und ältere Leute. „Schwer tun sich aber auch die Eulen unter uns, also all jene, die abends lange wach sind und morgens nur schwer aus den Federn kommen“, sagt der Schlafforscher. Dies gelte für rund 60 Prozent der Bevölkerung.

Landwirtschaftliche Probleme mit der Sommerzeit

Laut Weeß orientiert sich der menschliche Körper an der Sonnenzeit und diese stimme eher mit der Winterzeit überein. Auch die Landwirte schätzen die Zeitumstellung nicht. Gerade bei den Milchkühen gebe es Schwierigkeiten, so Weeß. Auffällig sei auch, dass in den ersten Tagen nach der Zeitumstellung die Anzahl der Unfälle zunehme. EU-Onlineumfrage

H.-G. Weeß
H.-G. Weeß
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