Rheinland-Pfalz Mainz: Auch in Rheinland-Pfalz zahlen Sparkassen für Politiker-Treffen

Wenn’s um Geld geht: Auch in Rheinland-Pfalz werden Kreissparkassen gerne um finanzielle Unterstützung gebeten, wenn auswärtige
Wenn’s um Geld geht: Auch in Rheinland-Pfalz werden Kreissparkassen gerne um finanzielle Unterstützung gebeten, wenn auswärtige Kommunalpolitiker irgendwo bewirtet werden. Doch jetzt haben Münchener Staatsanwälte Untreue-Anklage nach einem gesponserten Entenessen für Landräte erhoben.

Ein oberbayerischer Ex-Landrat steht vor Gericht – unter anderem, weil er rheinland-pfälzische Kollegen auf Sparkassen-Kosten bewirten ließ. Nachdem die RHEINPFALZ den Landkreistag in Mainz auf die Details der Anklage aufmerksam gemacht hat, räumt dessen Direktor ein: Ähnliches Sponsoring ist auch hierzulande üblich.

In rustikale Karohemden und Strickjacken schlüpften die Landräte, ehe sie zur Weißach-Alm pilgerten. Anstrengende Tage hatten sie da hinter sich, am schönen Tegernsee zwar, aber vollgestopft mit Vorträgen: über die kommunale Komposit-Versicherung. Und über eine „Regionalstrategie Daseinsvorsorge“ im Landkreis Trier-Saarburg. Doch immerhin endete das Kooperationsseminar der Landkreistage Rheinland-Pfalz, Saarland und Bayern in einem gemütlichen Ausflugslokal, das allseits für seine schmackhaft zubereiteten Enten gerühmt wird.

Statt eines schnöden Zweigelts floss teurer Brunello

Obendrein sorgte der Gastgeber-Landrat des Landkreises Miesbach dafür, dass es den Kollegen wirklich an nichts mangelte: Statt eines schnöden Zweigelts zum Flaschenpreis von 26,50 Euro ließ Jakob Kreidl einen Brunello für 52,60 Euro kredenzen, weshalb im Januar 2013 für die traditionsreiche Abschluss-Sause schlussendlich 4575,60 Euro zu begleichen waren. Ähnlich war die Rechnung der Weißach-Alm auch in den Vorjahren ausgefallen: 2011 hatte das Entenessen 4603,20 Euro gekostet, 2012 waren gar 5090,70 Euro zusammengekommen. Aufgelistet hat diese Zahlen die Münchener Staatsanwaltschaft, die Kreidl mittlerweile vor Gericht gestellt hat. Dabei war der umtriebige Ex-Postler viele Jahre eine Größe der bayerischen Politik: Als Landtagsabgeordneter wäre er 2007 beinahe Innenminister geworden, als Landrat wurde er Präsident des bayerischen Landkreistags. Und er sammelte Nebentätigkeiten, brachte es auf mehr als 20 der oft einflussreichen und wohldotierten Posten: im Verwaltungsrat der bayerischen Landesbank, im BR-Rundfunkrat, im Aufsichtsrat des Sparkassenverbands. Doch 2013 behaupteten Plagiatsjäger, er habe seine Doktorarbeit in weiten Teilen abgekupfert. Monate später war er den Titel los, mangels eigenständiger wissenschaftlicher Leistung. Dann stoppte sein eigenes Landratsamt den Bau seines Privathauses, weil es „nicht plankonform“ errichtet wurde. Und die „Süddeutsche Zeitung“ machte öffentlich, dass der Kreis sowie die Sparkasse Miesbach-Tegernsee Zehntausende Euro für eine fulminante Feier zu Kreidls 60. Geburtstag ausgegeben hatten. Wenige Wochen und eine Kommunalwahl später war er Ex-Landrat.

In der Anklage geht es um Reisen und pompöse Feiern

Statt des Christsozialen regiert seither ein Grüner den Kreis Miesbach. Doch auch ihm könnte noch zum Verhängnis werden, dass er schon in der Zeit seines Vorgängers im Verwaltungsrat des Kreis-Kreditinstituts saß. Einstweilen allerdings stehen in München nur Kreidl, der amtierende Miesbacher Sparkassenchef und zwei Ex-Vorstandsmitglieder vor Gericht: Sie sollen das Geldhaus als Sponsor für vergnügliche Reisen, pompöse Feiern sowie üppige Präsentkörbe missbraucht und damit einen Gesamtschaden von mindestens 1,25 Millionen Euro verursacht haben. Zu dieser Summe haben die Entenessen mit den Landräten aus Bayern, Rheinland-Pfalz und dem Saarland sowie einer unübersichtlichen Entourage aus Ehegatten, Honoratioren im Ruhestand sowie weiteren Gästen nur ein relativ kleines Scherflein beigetragen. Aber das hat es nun trotzdem zu gewisser Prominenz gebracht. Zum Beispiel, weil die Ankläger mit Freude am sprechenden Detail vorrechnen: 2012 wurden auf der Weißach-Alm gleich 39 Flaschen des edlen Brunello getrunken, die Kosten für den Wein überstiegen die fürs Bratgeflügel somit um 47 Prozent. Trotzdem scheint zu den meisten Teilnehmern der Kooperationsseminare noch nicht durchgedrungen zu sein, dass sie Nutznießer einer Gastfreundschaft waren, die inzwischen als mutmaßlich kriminell gilt. Und dass die Münchener Staatsanwaltschaft mit einer Strenge vorgeht, die, wenn sie Schule macht, auch andernorts die freundliche Sparkassen-Unterstützung für Politiker-Treffen ins Zwielicht rückt. Zwar gestehen die Juristen zu, dass so ein Kreditinstitut Menschen bewirten lassen darf. Aber nur, wenn die Einladung wirklich seinen eigenen Interessen dient.

Auch in Rheinland-Pfalz zahlen Sparkassen für Politiker-Treffen

Zum Fall der Enten-Abende führen die Ankläger gleich vier Gründe auf, die sie genau das verneinen lassen: Die Sparkasse Miesbach-Tegernsee sei nicht offiziell als Sponsor gerühmt worden, sie habe mit den Gästen keine eigenen Geschäftsbeziehungen unterhalten, die Landräte seien noch nicht einmal aus dem Bezirk des Kreditinstituts gekommen, und obendrein seien auf der Weißach-Alm sogar Ehegatten der Kommunalpolitiker sowie Pensionäre bewirtet worden. Weshalb die für so überbordende Großzügigkeit Verantwortlichen der Untreue schuldig seien. Den Direktor des rheinland-pfälzischen Landkreistags, Burkhard Müller, lässt dieses staatsanwaltschaftliche Verdikt stutzen, als ihn die RHEINPFALZ darauf aufmerksam macht. Schließlich laden nicht nur die Bayern Kommunalpolitiker aus anderen Bundesländern in ihren schönen Freistaat ein, um sich mit ihnen auszutauschen. Auch die rheinland-pfälzischen Landräte lassen immer wieder Kollegen aus anderen Regionen zu Kooperationsseminaren anreisen – für die, räumt Müller ein, auch gerne die Sparkassen als Sponsoren herangezogen werden. Der rheinland-pfälzische Sparkassenverband versichert derweil unverdrossen, ein Fall wie der in Bayern verhandelte sei hierzulande „nicht bekannt“. Auf mehr Zustimmung könnte wohl die These hoffen, dass die Münchener Staatsanwaltschaft in diesem Abschnitt ihrer 30-Seiten-Anklage gegen Ex-Landrat Kreidl und die Miesbacher Sparkassen-Bosse die Gesetze zu streng ausgelegt hat. Doch die Dachorganisation der Kreditinstitute verkneift sich solche Aussagen – nach eigenen Angaben schweigt sie ohnehin zu allem, was außerhalb des eigenen Gebiets geschieht.

Der Landkreistags-Direktor zweifelt an den Staatsanwälten 

Ähnlich hält es auch das rheinland-pfälzische Wirtschaftsministerium, das in seinem Bundesland für die Rechtsaufsicht über die Sparkassen zuständig ist. Eine Sprecherin sagt: In Mainz fehle es erstens an der „vollständigen Sachverhaltskenntnis“. Und zweitens an Detailwissen zum bayerischen Sparkassengesetz, auf das sich die Ankläger in München berufen. Wagemutiger zeigt sich hingegen Landkreistags-Direktor Müller, er meint: Die Staatsanwälte haben verkannt, wie das mit regionaler Wirtschaftsförderung funktioniert, die den Sparkassen aufgetragenen ist. Seine Argumentation geht ungefähr so: Die Gesetze geben den Kreditinstituten der Kreise zwar vor, sich nur im je eigenen Bezirk zu betätigen und auf Kundenfang in anderen Regionen zu verzichten. Doch als Gäste angereiste Menschen dürften sie trotzdem umgarnen – weil auch die fürs Geschäft vor Ort wichtig sind. Wie er das meint, verdeutlicht Müller auch gleich mit einem Beispiel: Er kenne gleich drei Landräte aus dem hohen Norden, die dank ihrer Seminar-Besuche in Rheinland-Pfalz zu treuen Kunden rheinhessischer Weingüter geworden sind. Ob bayerische Richter ähnlich denken, wird sich wohl im Januar zeigen. Dann soll in München das Urteil über Ex-Landrat Kreidl und seine Mitangeklagten fallen. Spürbare Konsequenz für die Chefs der rheinland-pfälzischen Kreisverwaltungen hat sein Fall aber ohnehin schon. Zwar findet das traditionsreiche Kooperationsseminar mit den bayerischen und saarländischen Kollegen weiterhin statt. Und nach den mit Vorträgen vollgestopften Tagen am Tegernsee pilgern die Landräte auch weiterhin zum Entenessen auf die Weißach-Alm. Doch was sie dort verzehren, zahlen sie seit ein paar Jahren selbst.

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