Rheinland-Pfalz Maikammer: Höchstgelegenes Thermometer der Pfalz

Das Wetter stets im Blick: Meteorologe Christian Müller auf dem Dach des Kalmit-Turms in etwa 694 Meter Höhe. Vor ihm sind oben
Das Wetter stets im Blick: Meteorologe Christian Müller auf dem Dach des Kalmit-Turms in etwa 694 Meter Höhe. Vor ihm sind oben an der vorderen Trägerstange Windmesser und darunter ein zylinderförmiges Gerät zu erkennen, mit dem die Temperatur gemessen wird. Der bisherige Spitzenwert auf der Kalmit liegt bei 36,8 Grad am 13. August 2003. Am 12. Februar 1929 haben Müllers Vorgänger mit 25,4 Grad einen Minus-Rekord gemessen.

Alle reden vom Wetter. Christian Müller reichen Worte nicht: Der 44-jährige „Wetterfrosch“ misst Tag für Tag Temperatur, Luftdruck und mehr.

Maikammer. An diesem Nachmittag wird der „goldene Oktober“ seinem Ruf noch gerecht. Und trotzdem: Auf der oberen Plattform des völlig frei stehenden Kalmit-Turms weht in 694 Meter Höhe beständig der Wind. „Die bisher höchste Windgeschwindigkeit wurde hier oben mit 158 Stundenkilometern am 31. März 2015 gemessen“, sagt Christian Müller aus dem Effeff. Den Pfalzrekord hält allerdings das Weinbiet mit seiner vom Deutschen Wetterdienst betriebenen Messstation: Dafür sorgte Orkan „Wiebke “ am 1. März 1990 mit sagenhaften 191 Stundenkilometern. Zum Vergleich: Ab einer Windgeschwindigkeit von 118 Stundenkilometern spricht man von einem Orkan.

Bei Wiebke muss der Wetterfrosch passen

Wie heftig „Wiebke“ damals wohl auf dem vom Weinbiet nur etwa fünf Kilometer Luftlinie entfernten Kalmit-Turm tobte? – Auf diese Frage muss Müller ausnahmsweise passen: Die von seiner Firma „Klima-Palatina“ betriebene Kalmit-Wetterstation liefert „erst“ sei dem 8. August 1997 Daten. Wobei die Geräte zunächst noch auf dem ehemaligen Nato-Militärgelände hinter dem Turm postiert waren. Seit dem 13. Juni 2007 spürt der Mitarbeiter der Verbandsgemeindeverwaltung Maikammer auch auf dem Turm Wind und Wetter nach. Der 44-Jährige knüpft an eine lange Tradition an: Bereits im 1. Weltkrieg wurden auf der Kalmit Wetterdaten fürs Militär gesammelt. Diese Messungen fanden 1918 mit dem Waffenstillstand ein Ende. Seit dem 23. April 1927 existierte auf dem Gipfel wieder eine Wetterwarte. Beim Bau eines neuen Kalmit-Turmes in den Jahren 1928/29 wurden zudem ein meteorologisches Observatorium mit Schlafgelegenheit und Arbeitszimmer sowie auf dem Dach eine Geräteplattform für die Meteorologen und ihre Instrumente geschaffen. Auch diese Phase endete mit dem Einmarsch fremder Truppen: Die Wetterdaten der „Vor-Müller-Ära“ wurden letztmals am 20. März 1945 erhoben.

Zum Turmbeauftragten auserkoren

Eigentümer des fast 90 Jahre alten Gebäudes ist die Ortsgemeinde Maikammer. Da Müller ohnehin regelmäßig nach seinen Messgeräten schaut, hat die ihn auch zum Turmbeauftragten erkoren, um dort oben nach dem Rechten schaut. Womit sich die Frage aufdrängt: Können Interessierte mit ihm Gruppenführungen vereinbaren? – „Der Turm ist nicht zugänglich“, winkt der 44-Jährige ab. Befinden sich doch in und auf dem Gebäude nach wie vor funktechnische Anlagen und empfindliche Messtechnik. Und so bleibt der leidenschaftliche Meteorologe, der sich sein Wissen durch Studium der Fachliteratur und Praktika beim Deutschen Wetterdienst (DWD) selbst erarbeitet und längst den Status als „nebenamtlicher Wetterbeobachter“ des DWD erworben hat, auf dem Ausguck meist allein. „Ein Gewitter ist auf dem Turm ein besonderes Erlebnis“, erzählt Müller. „Der Donner hört sich hier oben viel heftiger an als in der Ebene.“

Hier oben sieht man das Wetter kommen

Auf dem Turm kann man das Wetter nicht nur fühlen, hören und messen, sondern auch kommen sehen. Um eine Vorstellung von der grandiosen Rundum-Sicht zu haben: Von der Plattform aus lässt sich bei günstigen Verhältnissen mit bloßem Auge der 95 Kilometer entfernte Messeturm in Frankfurt ausmachen. Hinzu kommt: Hier oben hält kein Bergrücken die Sonnenstrahlen ab. Wenn Hambach bereits im Schatten der Haardt liegt, scheint auf der Kalmit noch eine Stunde lang die Sonne. Auch dafür hat Müller eine Zahl parat: Am 23. Juni 2016 hat er mit 15,4 Stunden die längste Sonnenscheindauer auf dem Turm gemessen. Auch dieses Jahr verwöhnte die Sonne die Pfalz: Bis Ende Oktober hat Müller bereits 1830 Sonnenschein-Stunden gezählt. Zum Vergleich: Der Durchschnittswert für ein ganzes Jahr liegt bei 1750 Stunden. Der bisherige Spitzenwert wurde 2003 mit 2254 Sonnenschein-Stunden registriert.

Wofür braucht es all diese Zahlen und Daten?

Beispielsweise, wenn ein Sturm oder Starkregen Dächer abgedeckt oder Keller geflutet hat, erläutert der 44-Jährige. Dann interessieren sich die Versicherungen dafür, wie heftig das Unwetter gewütet hat. Selbstverständlich wollen auch Landwirte wissen, ob mit Frost zu rechnen ist. Da kann es nicht überraschen, dass Müller sein „Wetter-Gen“ auf einen Winzer zurückführt: Sein Großvater habe in Maikammer-Alsterweiler als wetterkundig gegolten, sei von Kollegen immer wieder um Vorhersagen gebeten worden. Er selbst begann 1986 als damals Zwölfjähriger damit, Wetterberichte aus der RHEINPFALZ auszuschneiden und zu archivieren. „Die bewahre ich bis heute auf.“ Drei Jahre später spendierte ihm der DWD die ersten Messinstrumente. Und so kommt es, dass der erst 44-Jährige schon im kommenden Jahr eine 30 Jahre umfassende Klimareihe mit täglichen Daten für Maikammer wird vorweisen können. Übrigens: Seit 1995 erstellt er für die RHEINPFALZ täglich lokale Wetterberichte. Bleibt die Frage, was der Wetterfrosch zum Thema Klimawandel zu sagen hat: „Man darf nicht den Fehler machen, ein einzelnes extremes Jahr als Beweis für den Klimawandel anzuführen.“ Entscheidend sei vielmehr die Entwicklung über einen längeren Zeitraum hinweg. Dabei zeige sich, dass es extreme Wetterereignisse auch in der Vergangenheit immer wieder gegeben hat. „Klima ist und war eben stets im Wandel“, betont Müller. Richtig sei aber auch, dass im Südwesten ein Trend zu immer geringeren Niederschlägen im Sommer zu beobachten sei, als im langjährigen Mittel eigentlich zu erwarten wären. Und richtig sei weiter, dass die durchschnittlichen Jahrestemperaturen (bezogen auf 24 Stunden) zunehmend über den 10,5 Grad des langjährigen Mittels liegen.

Den 673 Meter hohen Gipfel überragt der Kalmit-Turm samt den ganz oben installierten Windmessern um weitere 21 Meter.
Den 673 Meter hohen Gipfel überragt der Kalmit-Turm samt den ganz oben installierten Windmessern um weitere 21 Meter.
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