Rheinland-Pfalz „Lust am Denken haben“

„Nur wer versteht, kann entscheiden, was er sich zu eigen machen will“: Paul Metzger leitet die theologische Laien-Uni.
»Nur wer versteht, kann entscheiden, was er sich zu eigen machen will«: Paul Metzger leitet die theologische Laien-Uni.

Zweieinhalb Jahre lang werden sich 24 Kursteilnehmer samstags in Kaiserslautern treffen, um bei einer theologischen „Laien-Uni“ zum Beispiel Bibelwissenschaft, Kirchengeschichte und Dogmatik zu pauken. Leiter des Bildungsprogramms auf dem Niveau eines Lehramtsstudiums ist der protestantische Pfarrer Paul Metzger. Im Interview verrät er, warum es intellektuell anspruchsvoll werden kann, wenn man sich mit Jesus beschäftigen will.

Herr Dr. Metzger, der kirchliche Trend geht zu „niederschwelligen Angeboten“: Abendmahl mit Bällchenbad und ein paar Zitaten aus dem „Kleinen Prinzen“. Warum wollen Sie Leute zweieinhalb Jahre lang mit akademischen Spitzfindigkeiten quälen?

Genau deshalb. Aber quälen ist der falsche Begriff, und Spitzfindigkeiten ist auch nicht richtig. Es geht um Grundlagen des Glaubens, die nicht nur in homöopathischen Dosen und auf niedrigstem intellektuellen Niveau serviert werden können. Für mich zählt dieser Unterschied zwischen hoch- und niedrigschwelligen Angeboten auch gar nicht: Man erklärt etwas, und zwar verständlich, oder eben nicht. Naja, verständlich ... Sie haben mal einen Aufsatz veröffentlicht, der heißt: „Der Lieblingsjünger und die normative Kraft des Fiktiven. Kanonische Fiktionalität als fundamentaltheologisches Problem“. (lacht) Und um den wird es bei der Laien-Uni nicht gehen. Klingt trotzdem so, als wäre ein abgeschlossenes Studium von Vorteil, wenn man bei Ihnen was verstehen will. Man sollte Lust am Denken haben. Ich denke auch gerne. Und ich finde, es muss in unserer Kirche einen Platz für Leute geben, die gerne denken. Für die ist das gedacht. Aber muss es wirklich so denkerisch sein? Die Bibel beschreibt Jesus doch eher als jemanden, der vor allem zu einfachen Menschen spricht – in einfachen Worten. Ob das tatsächlich so ist, darüber könnten wir schon streiten. Aber selbst wenn wir das mal so annehmen: Dann waren es Leute vor 2000 Jahren, die Jesus so leicht verstehen konnten. Heute müssen wir uns mehr Mühe geben. Außerdem besteht die Bibel nicht nur aus Jesus. Nehmen Sie den Galater-Brief, den versteht man nicht mal eben so. Aber nur wer versteht, kann entscheiden, was er sich zu eigen machen will. Das heißt im Umkehrschluss, es geht auch darum, Elemente religiöser Überlieferung auszusortieren? Natürlich. Wenn ich mich für ein bestimmtes Verständnis positioniere, dann heißt das immer auch, dass ich mich gegen ein anderes entscheide. Es gibt Menschen, die sagen: Ein Theologiestudium ist der beste Weg, um den Glauben ganz zu verlieren. Droht das auch Ihren Teilnehmern? Die Auseinandersetzung mit Theologie kann auch ein Weg sein, um den Glauben tiefer zu durchdringen. Und um sprachfähiger zu werden. Theologie kann man aber auch studieren, wenn man nicht glaubt – einfach aus Interesse. Glaube ist kein Lernziel. Ich habe selbst an der Universität Neues Testament gelehrt und da erlebt, wie Menschen in Konflikte kommen, wenn man sich kritisch mit den Texten auseinandersetzt. Zum Beispiel, wenn Sie erklären, dass die Weihnachtsgeschichte wohl keine historisch wahre Beschreibung der Geburt Jesu liefert? Ja, da geht es dann darum, dass historische Wahrheit kein Wert an sich ist. Der Wert dieser Geschichte ist ihre Botschaft. Ob sie auch historisch wahr ist, ist eine zweitrangige Frage. Aber darum brauche ich für die Laien-Uni ja auch zweieinhalb Jahre Zeit – damit sie nicht plötzlich rum ist, obwohl solche Fragen noch gar nicht aufgearbeitet sind. Der klassische Religionskritiker wird trotzdem sagen: Wenn Ihr das intellektuell redlich macht, kann am Ende nur rauskommen, dass euer Glaube bloß eine Sammlung alter Mythen ist. Glaube ist keine Frage des Wissens, sondern der Erfahrung. Wer die nicht hat, bekommt sie auch nicht durch die Theologie. Das ist ja der Stachel im Fleisch eines jeden Predigers oder Religionslehrers: Wem Glauben nicht geschenkt ist, der wird den Glauben nicht bekommen. Man kann Glauben nicht „herbeibeweisen“. | Interview: Christoph Hämmelmann

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