Pfalz Ermittler: Eltern des Opfers hatten mutmaßlichen Messerstecher angezeigt

Nach der Bluttat im pfälzischen Kandel sitzt der mutmaßliche Täter in einer Jugendstrafanstalt in Untersuchungshaft. Gegen den 15-Jährigen sei Haftbefehl wegen Verdachts auf Totschlag ergangen, berichtete die Leitende Oberstaatsanwältin Angelika Möhlig am Donnerstag in Ludwigshafen. Nach den bisherigen Erkenntnissen sei der mutmaßliche Täter der Ex-Freund des 15-jährigen Opfers gewesen. Er habe bislang keine Angaben zur Tat gemacht, erklärte Möhlig.

Der 15-Jährige ist ein unbegleiteter, minderjähriger Jugendlicher aus Afghanistan, der im Frühjahr 2016 nach Deutschland gekommen ist, sagte Polizeivizepräsident Eberhard Weber. Von Mai 2016 bis September 2017 war er im Kreis Germersheim in einer Jugendhilfeeinrichtung untergebracht gewesen. In Germersheim sei er auch zur Schule gegangen. Ob er mit dem Opfer in einer Klasse war, konnten die Ermittler gestern noch nicht sagen. Von Germersheim sei er nach Neustadt in eine betreute Jugendwohngruppe gezogen. RHEINPFALZ-Informationen zufolge ist das Asylbegehren des 15-Jährigen abgelehnt worden, doch hatte er einen Aufenthaltstitel. Polizeilich erfasst war der 15-Jährige nicht nur wegen seiner illegalen Einreise, sondern auch wegen Körperverletzung bei einer Schulhofschlägerei im November. Ein Jugendlicher soll ihn beleidigt haben, worauf er mit Faustschlägen reagiert habe, berichtete Weber weiter. 

Eltern hatten Mitte Dezember Strafanzeige erstattet

Anfang Dezember habe sich die junge Frau nach mehrmonatiger Beziehung von dem mutmaßlichen Täter getrennt. Danach erstatteten ihre Eltern am 15. Dezember Strafanzeige wegen Beleidigung, Nötigung und Bedrohung gegen den 15-Jährigen. Laut Weber habe er oft versucht, sich mit dem Mädchen telefonisch und über Soziale Medien in Verbindung zu setzen und ihr gedroht, er wolle sie "abpassen".  Die Polizei hatte am 17. Dezember telefonisch und am 18. Dezember persönlichen Kontakt mit dem 15-Jährigen. Das sei laut Polizeivizepräsident Weber standardmäßiges Vorgehen in einem solchen Fall. Es sei eine sogenannte Gefährderansprache gemacht worden, um den Jungen auf sein Verhalten anzusprechen und ihn vor weiteren Konsequenzen zu warnen. „In aller Regel fruchten solche Ansprachen auch“, sagte der Ludwigshafener Polizeivizepräsident Eberhard Weber.

Polizisten sprachen morgens noch mit dem Jungen

Nach der Anzeige sei der Jugendliche einer Vorladung der Polizei mehrfach nicht gefolgt. Daraufhin hätten Polizisten aus Neustadt ihm am Tattag die Vorladung am Vormittag persönlich ausgehändigt und mit ihm über die Strafanzeige gesprochen.  Das Opfer und der mutmaßliche Täter seien sich am Mittwochnachmittag wohl zufällig in Kandel begegnet, sagte Möhlig. Das Mädchen sei mit zwei ähnlich alten Jungen unterwegs gewesen. Der 15-Jährige sei dem Mädchen dann bis in den Drogeriemarkt gefolgt. Dort habe der junge Afghane den Ermittlungen zufolge nach einem kurzen Wortwechsel ein Küchenmesser mit einer 20 Zentimeter langen Klinge gezogen und mehrfach auf das Opfer eingestochen, sagte Möhlig. Nach derzeitigen Erkenntnissen habe er das Messer dabei gehabt, ob er es von daheim mitgenommen hatte, sei unklar. 

Begleiter des Mädchens hielten mutmaßlichen Täter auf

Trotz sofortiger Erster Hilfe verstarb das Mädchen kurz nach der Einlieferung ins Krankenhaus.  Ihre beiden Begleiter hielten den 15-Jährigen zusammen mit Hilfe von Mitarbeitern und Kunden des Marktes bis zum Eintreffen der Polizei fest. Insgesamt sollen sich 15 bis 20 Menschen zur Tatzeit in dem Markt aufgehalten haben. Der mutmaßliche Täter habe sich ohne Gegenwehr festnehmen lassen und teilnahmslos gewirkt.  Das genaue Motiv ist aus Sicht von Polizei und Staatsanwaltschaft aber noch unklar. „Wir sind am Anfang der Ermittlungen“, sagte Oberstaatsanwältin Möhlig. Im Raum stehe eine Beziehungstat, dies müssten aber noch die weiteren Ermittlungen klären. 

Ob Mord oder Totschlag muss noch ermittelt werden

Gegen den 15-Jährigen erging Haftbefehl wegen Totschlags, die Ermittler wollen auch prüfen, ob Mord als Vorwurf infrage kommt. Für das Strafmaß macht dies keinen Unterschied. Die Höchststrafe liegt in beiden Fällen im Jugendstrafrecht bei zehn Jahren. Weber betonte, derzeit gebe es "keine Anhaltspunkte für Versäumnise" beteiligter Behörden. Trotz der Hinweise auf eine Beziehungstat wollten sich die Ermittler zum möglichen Motiv nicht konkret äußern. Die Ermittlungen dazu und zu den Hintergründen der Tat dauerten an. Laut Dieter Lippold, Leiter der Ermittlungsgruppe, seien zunächst weitere Vernehmungen vorgesehen. Man wolle das Umfeld des mutmaßlichen Täters erhellen. 

Polizei sucht Zeugen der Tat

Die Kriminalpolizei bittet weitere Zeugen sich zu melden. Wer im Bereich des Kandeler Bahnhofs und der Lauterburger Straße etwas beobachtet hat, das in Zusammenhang mit der Tat stehen könnte, kann sich unter Telefon 0621/963-2773 an die Polizei wenden.

Verbandsgemeindebürgermeister Poß äußert sich zur Tat

Die genauen Hintergründe der Bluttat kennt auch Verbandsgemeindebürgermeister Volker Poß nicht. Zum Täter weiß er nur: „Es ist niemand, der bei uns in der Verbandsgemeinde wohnhaft ist.“ Kandel ist ein Ort mit knapp 10 000 Einwohnern im Landkreis Germersheim, gelegen in der Südpfalz auf ungefähr halber Strecke zwischen Landau und Karlsruhe.

Unbegleitete Jugenldiche im Landkreis Germersheim

Rund 100 unbegleitete minderjährige Jugendliche wurden nach dem sogenannten Königsteiner Schlüssel im Landkreis Germersheim aufgenommen. Der 15-Jährige wechselte nach Auskunft der Kreisverwaltung Germersheim im September 2017 in die betreute Jugend-Wohngruppe eines freien Trägers nach Neustadt. „In dieser WG leben vier  Jugendliche, die von drei Bezugserziehern versorgt und pädagogisch betreut werden“, so die Kreisverwaltung Germersheim. Jeder Jugendliche werde neben dem Schulbesuch mit mindestens 10 Stunden direkt betreut und es bestehe eine Rund-um-die-Uhr telefonische Rufbereitschaft. „Aufgrund der Selbstständigkeit (zum Beispiel  Umgang mit Geld, Selbstversorgung, Schulbesuch) wurde ein Wechsel in eine betreute Wohngemeinschaft angestrebt. Diese bietet einen wesentlich kleineren, altersgerechten Rahmen (nur vier Plätze) mit einer hohen Betreuungsdichte und wurde im Zusammenwirken mehrerer Fachkräfte als mittelfristige adäquate Hilfeform als notwendig (aufgrund des Beziehungsangebots und des kleinen Settings) und geeignet (aufgrund der Trainingsmöglichkeiten zur Verselbständigung) eingerichtet“, schreibt das Jugendamt. Info Hier geht es zum Überblick der Berichterstattung über den Fall.

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