Buchtipp Roman „Unser Glück“ von Natalie Buchholz

Schildert einfühlsam, warum „Unser Glück“ für jeden in einer modernen Ehe anderes bedeuten kann: Natalie Buchholz.
Schildert einfühlsam, warum »Unser Glück« für jeden in einer modernen Ehe anderes bedeuten kann: Natalie Buchholz.

„Unser Glück“ denken Franziska und Coordt, als sie eine günstige große Wohnung in München ergattern. Zunächst jedenfalls. Natalie Buchholz entlarvt im Buch auf kluge Weise Fallstricke in einer vom Streben nach Selbstverwirklichung geprägten Zeit.

Vordergründig ist die Geschichte wenig spektakulär: Coordt und Franziska sind ein junges Elternpaar in München. Während sie sich in der beengten Wohnung am verkehrsreichen Mittleren Stadtring nicht wohl und in ihrer Mutterrolle überfordert fühlt, hat sich der beruflich aufstrebende Coordt mit der Situation arrangiert. Einzig macht ihn traurig, dass seine Frau nicht klar kommt. Seiner „Fanni“ zuliebe mietet er eine Altbauwohnung in guter Lage, die für das junge Paar erstaunlicherweise bezahlbar ist. Der Haken: Der schwerkranke Ex-Mann der reichen Vermieterin hat dort bis zu seinem Tod Wohnrecht. Während Franziska sich nicht daran stört, in der neuen Umgebung auflebt und überglücklich neue Kontakte knüpft, wächst Coordts Misstrauen gegenüber dem Mitbewohner. Und sein mulmiges Gefühl wird ihn nicht trügen ...

Subtile Spannung

Natalie Buchholz schildert eindringlich die Suche nach dem kleinen Glück im modernen Großstadtmilieu. Sie dichtet nicht, sie verdichtet das Geschehen entlang eines klaren Erzählstrangs auf den Punkt. Je tiefer sie die Seelen ihrer Protagonisten auslotet, umso mehr greift eine subtile Spannung Raum.

Risse in scheinbar heiler Familienidylle

Die 1977 in Frankreich geborene „Spiegelungen“-Preisträgerin weiß unterschiedliche Befindlichkeiten mit feinem Gespür fürs Detail in den Blickpunkt zu rücken. Aus der Perspektive von Coordt erzählt, ergänzen sich die Innenansichten und äußere Ereignisse zum berückenden Psychogramm zweier Menschen in einer Extremsituation. Zunächst skizzenhaft angedeutet, tun sich bald tiefe Risse in der scheinbar heilen Welt des Paars auf, die in unterschiedlichen Vorstellungen vom Glück wurzeln. Er, im Dorf aufgewachsen, ersehnt eine Versorgerrolle in einer geordneten Familienidylle. Sie, aus zerrütteten Verhältnissen stammend und zu Depressionen neigend, dürstet nach materiellem Wohlstand und gesellschaftlicher Anerkennung. Für beide wird die Wohnsituation zur schier unerträglichen Herausforderung.

Natalie Buchholz: „Unser Glück“, Penguin Verlag 2022, 224 Seiten, gebunden, 20 Euro

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