Hart am Leben Wir ohne Zukunft: Nahost und die Kunst

Weltkunstausstellng am Ende? Die Findungskommission für die nächste Ausgabe der Documenta 2027 ist von zwei Rücktritten betroffe
Weltkunstausstellng am Ende? Die Findungskommission für die nächste Ausgabe der Documenta 2027 ist von zwei Rücktritten betroffen.

Die Kunst – wie der Rest der Welt – ist von einer Gleichzeitigkeit überfordert, wie Deborah Schnabel das nennt, die Direktorin der Frankfurter Bildungsstätte Anne Frank. Der Terror der Hamas, die Bilder aus Gaza, die Solidarität mit Israel, das Mitgefühl für die palästinensische Zivilbevölkerung. Die Opfer, die verzweckt werden für antisemitische Eskalationen. Kritik an Israel, wo sie berechtigt ist. Wie sich zu dem allen verhalten? Die sechsköpfige Findungskommission jedenfalls, die bis Ende des Jahres entscheiden sollte, wer die 2027 die Kasseler Documenta leiten soll, ist so gut wie obsolet. Die vor einem Jahr in Antisemitismus-Sumpf versunkene Weltkunstausstellung – am Ende? Die israelische Künstlerin Bracha E. Ettinger ist über die Ereignisse in Nahost verzweifelt zurückgetreten. Der indische Intellektuelle Ranjit Hoskoté, der 2019 einen judenfeindlich zu lesenden Aufruf der anti-israelischen Boykott-Bewegung BDS unterzeichnet hatte, wurde unsanft gedrängt. Der Bundestag hat den BDS, dem viele aus der Kunstszene aktiv oder stillschweigend anhängen, als antisemitisch eingestuft. Im sogenannten globalen Süden vor allem wird das anders gesehen.

Hoskoté sprach nach seinem Rückzug von einer „toxischen Atmosphäre“ in der deutschen Öffentlichkeit. Bracha E. Ettinger schrieb, die Kunstwelt sei „zusammengebrochen und zersplittert“ . Wie zum Beweis fordert eine „Internationale Filmcommunity“ jetzt, dass Lars Henrik Gass, der Leiter der Oberhausener Kurzfilmtage abgesetzt werde solle – wegen einer Solidaritätsadresse mit Israel.

In Berlin hat eine private Galerie eine geplante Foto-Schau über „muslimisches Leben“ gecancelt, weil ihr die „jüdische Perspektive“ fehle. Und aus Angst vor Konflikten. Shitstorm folgte. Am Essener Museum Folkwang wurde derweil das Ausstellungsprojekt des haitianischen Kurators Anais Duplan gestrichen. „Inakzeptabel“, nannte Museumschef Peter Gorschlüter Duplans BDS-Nähe und dessen pro-palästinensischen Posts auf Instagram. Künstlerische Gründe wurden nicht angeführt. Duplan sollte das Kapitel „Afrofuturismus“ in der Schau bestreiten. Ihr Titel scheint gerade utopisch weit entfernt: „Wir ist Zukunft. Visionen neuer Gemeinschaften.“

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