Kultur Pfälzer Rechtsrock-Szene wieder aktiver: Gewinne werden teilweise in Waffen investiert

89 rechtsradikale Tonträger von 32 Labels habe es 2018 gegeben, sagt der Mainzer Musikwissenschaftler Thorsten Hinrichs.
89 rechtsradikale Tonträger von 32 Labels habe es 2018 gegeben, sagt der Mainzer Musikwissenschaftler Thorsten Hinrichs. Foto: ZDF/Detlef Müller

Eine ZDF-Dokumentation zeigt, wie mit rechter Musik Millionen Euro verdient werden, die teilweise in Waffenkäufe fließen. Auch in Rheinland-Pfalz nehmen die einschlägigen Konzerte von Gruppen wie „Oidoxie“ weiter zu. So soll am Wochenende in der Westpfalz der Liedermacher Frank Rennicke auftreten, der zu den Schlüsselfiguren der rechtsextremen Szene zählt. Nur wo?

Es ist Sommer und Festival-Zeit. „Alter Mann, alter Mann, alter Mann in Spandau“, singt Marko Gottschalk, Frontmann der Band „Oidoxie“, während ein Pulk von Menschen, überwiegend glatzköpfige Männer, den Refrain mitgrölt. Gottschalk mahnt die Besucher zuvor, sie dürften den Namen des Mannes nicht nennen, an den sie das Lied erinnere. Trotzdem ist jedem klar, dass es eine Ode an Rudolf Heß ist, den Stellvertreter Adolf Hitlers, der 1987 im Kriegsverbrechergefängnis in Berlin-Spandau gestorben ist.

Der Konzertausschnitt ist Teil einer Dokumentation von ZDF-Info: „Rechtsrock in Deutschland – Das Netzwerk der Neonazis“. Auf Einladung der rheinland-pfälzischen Familienministerin Anne Spiegel (Grüne) kamen etwa 300 Besucher zur Preview des Films nach Mainz.

Die Dortmunder Neonazi-Band „Oidoxie“ ist eine feste Größe der Rechtsrock-Konzerte. 320 Veranstaltungen soll es 2018 laut den Verfassungsschutzbehörden bundesweit gegeben haben. Hinzu kommen 89 Tonträger von 32 Labels, sagt der Mainzer Musikwissenschaftler Thorsten Hindrichs, der die Szene seit Jahren beobachtet.

Geld wird auch mit Shirts verdient, auf denen der Text „I love Adolf“ prangt

Der Film zeigt, wie professionalisiert der Markt ist. Beim „Rock gegen Überfremdung“ haben 2017 etwa 6000 Neonazis in Themar gefeiert. Die Stadt im Süden Thüringens ist eine Größe im einschlägigen Festkalender. Tommy Frenck, ehemaliger NPD-Politiker, Konzertveranstalter und Wirt, gibt dem Filmteam bereitwillig Auskunft, dass er keine Probleme habe, Unterstützer zu finden. Die NPD und andere rechtsextreme Vereinigungen sind demnach in kommunalen Räten vertreten. Parteiwerbung prangt auf Zäunen am Festivalgelände.

Die Veranstaltungen in Themar, im thüringischen Leinefelde oder beim „Schild und Schwert“-Festival in Ostritz in Sachsen gehören zu den Großen der Szene. Händler warten mit einschlägigen Produkten auf. „Ich habe nicht gewusst, dass es so viele Tassen und Schlüsselanhänger mit Hitler-Bild gibt“, sagt die Regisseurin des Films, die aus Sicherheitsgründen unter dem Pseudonym Rosa Neumann auftritt. Auch der Umsatz an Motto-T-Shirts muss groß sein, zeigt der Blick auf die gezeigten Besucher. „I love Adolf“, prangt auf einem Shirt. Ein anderes ist bedruckt mit der Drohung: „Ein Baum, ein Strick, ein Antifa-Genick“.

Die Konzerte seien „Vergnügungsveranstaltungen für rechtsextremistischen Lifestyle“, sagt der thüringische Verfassungsschutzpräsident Stephan Kramer im Film. Sie dienten der Vernetzung der Szene und der Geldeinnahme. Kramer spricht von rund einer Million Euro im Jahr. Von den Gewinnen würden unter anderem Waffen gekauft. Es entwickelten sich langsam terroristische Strukturen. Die Finanzierung der rechtsextremen NPD sei eine weitere mögliche Verwendung des Geldes.

Bei Konzerten in der Pfalz trat ein Sänger auf, der wegen Volksverhetzung im Gefängnis saß

In Rheinland-Pfalz gebe es seit zwei Jahren wieder mehr Rechts-Rock-Konzerte, sagt Musikwissenschaftler Hindrichs nach der Vorführung. Einen Einbruch ab 2011 erkläre er sich mit dem Verfahren gegen das rechtsextreme Aktionsbündnis Mittelrhein vor dem Landgericht Koblenz. Nach seiner Information ist für kommendes Wochenende ein Konzert des Liedermachers Frank Rennicke in der Westpfalz angekündigt. Rennicke wurde mehrfach wegen Volksverhetzung verurteilt.

Anders als bei den Festivals handelt es sich bei den Auftritten in der Pfalz um konspirative Konzerte. Die Besucher erfahren erst kurzfristig den Veranstaltungsort, er liege manchmal auch im Elsass oder in Luxemburg, sagt Hindrichs. In den vergangenen Monaten hätten Rechtsextreme in der Pfalz gleich zweimal die Band „Lunikoff“ gefeiert: in Bad Bergzabern und in Ludwigshafen. „Die Lunikoff-Verschwörung“ wurde 2003 im Raum Berlin von dem Ex-„Landser“-Sänger Michael Regener gegründet. „Landser“ ist als kriminelle Vereinigung zwangsaufgelöst worden, Regener saß wegen Bildung einer kriminellen Vereinigung und wegen Volksverhetzung im Gefängnis. „Lunikoff“ war 2017 auch in Themar dabei.

Was tun? Die Sicherheitsbehörden brechen schon mal ein Konzert ab und es hagelt Anzeigen

Den Ludwigshafener Malte Redeker bezeichnet Hindrichs ebenfalls als Szenegröße. Redeker betreibe das Musiklabel „Gjallarhorn Klangschmiede“ für einschlägige Musik. „Bei ihm könnten die Behörden noch einmal genau hinschauen – und wenn es das Finanzamt ist“, sagte der Musikwissenschaftler.

Was der Staat gegen das Erstarken der Rechtsrock-Szene tun kann? Thüringens Verfassungsschutzpräsident Kramer ist gegen die Einschränkung der Versammlungsfreiheit. Doch in Themar haben die Sicherheitskräfte die Veranstaltung in diesem Jahr engmaschiger kontrolliert. Weil Lieder angestimmt wurden, die auf dem Index stehen, wurden Auftritte abgebrochen, außerdem habe es Anzeigen wegen des Verwendens verfassungsfeindlicher Symbole gegeben.

Ministerin Spiegel bescheinigte den Ordnungs- und Sicherheitsbehörden in Rheinland-Pfalz, sie seien wachsam. Ihr Ministerium fördere die Prävention. Jugendliche sollten erst gar nicht anfällig für rechte Ideologien werden.

Termin

Die Dokumentation „Rechtsrock in Deutschland – Das Netzwerk der Neonazis“ läuft am Samstag, 2. November, 20.15 Uhr, auf ZDF-Info. Der 45-minütige Film ist in eine Schwerpunkt-Berichterstattung zum Thema Rechtsextremismus eingebunden, die am gleichen Tag bereits um 17.15 Uhr beginnt.

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